§. 6. Wie man sich über den Begriff der Gewißheit zu vereinigen hat.
Um uns nun über die Erklärung der Gewiß- heit zu vereinigen, müssen wir folgendes voraus setzen. 1. Weil der Begriff der Gewißheit aus dem gemeinen Leben hergenommen ist; (§. 1.) so müssen wir zuförderst uns an denselben halten, und ihn aufzuklären suchen. 2. Sodann wird man bald mercken, daß keine Ursach, oder Anleitung in der Philosophie vorhanden sey; warum man da- selbst von dem ursprünglichen und gemeinen Be- griff abgehen sollte. Wohl aber ist dieses einem Philosophen anständig, daß er die allgemeine Be- schaffenheit der Gewißheit untersuche: Besonders aber, wie solche bey denen allgemeinen oder philo- sophischen Wahrheiten ins besondere könne erhal- ten werden. 3. Wenn man aber den allgemeinen Wahrheiten zu Gefallen, von dem gemeinen Be- griffe nicht abgehen darf, so werden wir uns in der Abhandlung von der historischen Eekentniß um so viel mehr an denselben zu halten haben (§. 2.). Endlich müssen wir noch hinzufügen, daß man 4. auch nicht von allen gewissen Wahrheiten ver- langen muß, daß sie zu jedermans Gewißheit können gebracht werden; ob gleich solches mit mathematischen und philosophischen Wahrheiten angehet. Denn obgleich dieses eine sehr gute Ei- genschafft vieler Wahrheiten ist, so gehöret sie
doch
von der Gewißheit der Geſchichte ꝛc.
§. 6. Wie man ſich uͤber den Begriff der Gewißheit zu vereinigen hat.
Um uns nun uͤber die Erklaͤrung der Gewiß- heit zu vereinigen, muͤſſen wir folgendes voraus ſetzen. 1. Weil der Begriff der Gewißheit aus dem gemeinen Leben hergenommen iſt; (§. 1.) ſo muͤſſen wir zufoͤrderſt uns an denſelben halten, und ihn aufzuklaͤren ſuchen. 2. Sodann wird man bald mercken, daß keine Urſach, oder Anleitung in der Philoſophie vorhanden ſey; warum man da- ſelbſt von dem urſpruͤnglichen und gemeinen Be- griff abgehen ſollte. Wohl aber iſt dieſes einem Philoſophen anſtaͤndig, daß er die allgemeine Be- ſchaffenheit der Gewißheit unterſuche: Beſonders aber, wie ſolche bey denen allgemeinen oder philo- ſophiſchen Wahrheiten ins beſondere koͤnne erhal- ten werden. 3. Wenn man aber den allgemeinen Wahrheiten zu Gefallen, von dem gemeinen Be- griffe nicht abgehen darf, ſo werden wir uns in der Abhandlung von der hiſtoriſchen Eekentniß um ſo viel mehr an denſelben zu halten haben (§. 2.). Endlich muͤſſen wir noch hinzufuͤgen, daß man 4. auch nicht von allen gewiſſen Wahrheiten ver- langen muß, daß ſie zu jedermans Gewißheit koͤnnen gebracht werden; ob gleich ſolches mit mathematiſchen und philoſophiſchen Wahrheiten angehet. Denn obgleich dieſes eine ſehr gute Ei- genſchafft vieler Wahrheiten iſt, ſo gehoͤret ſie
doch
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von der Gewißheit der Geſchichte ꝛc.
§. 6.
Wie man ſich uͤber den Begriff der Gewißheit
zu vereinigen hat.
Um uns nun uͤber die Erklaͤrung der Gewiß-
heit zu vereinigen, muͤſſen wir folgendes voraus
ſetzen. 1. Weil der Begriff der Gewißheit aus
dem gemeinen Leben hergenommen iſt; (§. 1.) ſo
muͤſſen wir zufoͤrderſt uns an denſelben halten, und
ihn aufzuklaͤren ſuchen. 2. Sodann wird man
bald mercken, daß keine Urſach, oder Anleitung in
der Philoſophie vorhanden ſey; warum man da-
ſelbſt von dem urſpruͤnglichen und gemeinen Be-
griff abgehen ſollte. Wohl aber iſt dieſes einem
Philoſophen anſtaͤndig, daß er die allgemeine Be-
ſchaffenheit der Gewißheit unterſuche: Beſonders
aber, wie ſolche bey denen allgemeinen oder philo-
ſophiſchen Wahrheiten ins beſondere koͤnne erhal-
ten werden. 3. Wenn man aber den allgemeinen
Wahrheiten zu Gefallen, von dem gemeinen Be-
griffe nicht abgehen darf, ſo werden wir uns in der
Abhandlung von der hiſtoriſchen Eekentniß um
ſo viel mehr an denſelben zu halten haben (§. 2.).
Endlich muͤſſen wir noch hinzufuͤgen, daß man
4. auch nicht von allen gewiſſen Wahrheiten ver-
langen muß, daß ſie zu jedermans Gewißheit
koͤnnen gebracht werden; ob gleich ſolches mit
mathematiſchen und philoſophiſchen Wahrheiten
angehet. Denn obgleich dieſes eine ſehr gute Ei-
genſchafft vieler Wahrheiten iſt, ſo gehoͤret ſie
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/323>, abgerufen am 21.11.2024.
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