Nach diesen beyden Regeln würde nun zur Ge- wißheit weiter nichts nöthig seyn, als daß der, der uns von einer Sache Nachricht giebt, ein Mensch sey: denn daraus würden wir erkennen, daß er die Sache, die er erzehlet, auf den Hertzen liegen, nicht aber erdichtet habe: daß er sie also entweder selbst gesehen, oder von andern gleichfalls so glaub- würdigen Menschen erkundigt habe: daß also die Sache, weil sie Zuschauer gehabt, würcklich ge- schehen seyn müsse: oder da dieses alles Sätze sind, die sich von selbst verstehen, so würden wir, ohne Umstände uns an die Sache halten, so gut, als wenn wir dabey gewesen wären. Wovon wir ietzo noch die Exempel an guten Freunden, an Ehe- gatten, die einander hertzlich lieben, und an Zu- hörern sehen, die vor ihre Lehrer Liebe und Hoch- achtung hegen: hören, glauben und gewiß seyn, sind bey ihnen unzertrennte Dinge, und man wird ausgelacht, wenn man ihnen etwas anders bereden zu wollen sich erkühnet. Und dies ist der natürliche Weg, wie die historische Erkentniß fort- geflantzt, und von dem Zuschauer auf die entfernsten Personen kan gebracht werden, ohne daß die Wahr- heit dabey Schaden leidet; nehmlich daß sie durch den Mund lauter solcher Personen gehet, die der Lügen nicht verdächtig sind.
§. 19. 1. Wie dieselbe auf Seiten des Aussagers zer- rüttet wird.
Dieses ist aber freylich der Zustand nicht, wor-
innen
Neuntes Capitel,
§. 18. Gewißheit der menſchlichen Ausſagen.
Nach dieſen beyden Regeln wuͤrde nun zur Ge- wißheit weiter nichts noͤthig ſeyn, als daß der, der uns von einer Sache Nachricht giebt, ein Menſch ſey: denn daraus wuͤrden wir erkennen, daß er die Sache, die er erzehlet, auf den Hertzen liegen, nicht aber erdichtet habe: daß er ſie alſo entweder ſelbſt geſehen, oder von andern gleichfalls ſo glaub- wuͤrdigen Menſchen erkundigt habe: daß alſo die Sache, weil ſie Zuſchauer gehabt, wuͤrcklich ge- ſchehen ſeyn muͤſſe: oder da dieſes alles Saͤtze ſind, die ſich von ſelbſt verſtehen, ſo wuͤrden wir, ohne Umſtaͤnde uns an die Sache halten, ſo gut, als wenn wir dabey geweſen waͤren. Wovon wir ietzo noch die Exempel an guten Freunden, an Ehe- gatten, die einander hertzlich lieben, und an Zu- hoͤrern ſehen, die vor ihre Lehrer Liebe und Hoch- achtung hegen: hoͤren, glauben und gewiß ſeyn, ſind bey ihnen unzertrennte Dinge, und man wird ausgelacht, wenn man ihnen etwas anders bereden zu wollen ſich erkuͤhnet. Und dies iſt der natuͤrliche Weg, wie die hiſtoriſche Erkentniß fort- geflantzt, und von dem Zuſchauer auf die entfernſten Perſonen kan gebracht werden, ohne daß die Wahr- heit dabey Schaden leidet; nehmlich daß ſie durch den Mund lauter ſolcher Perſonen gehet, die der Luͤgen nicht verdaͤchtig ſind.
§. 19. 1. Wie dieſelbe auf Seiten des Ausſagers zer- ruͤttet wird.
Dieſes iſt aber freylich der Zuſtand nicht, wor-
innen
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Neuntes Capitel,
§. 18.
Gewißheit der menſchlichen Ausſagen.
Nach dieſen beyden Regeln wuͤrde nun zur Ge-
wißheit weiter nichts noͤthig ſeyn, als daß der, der
uns von einer Sache Nachricht giebt, ein Menſch
ſey: denn daraus wuͤrden wir erkennen, daß er
die Sache, die er erzehlet, auf den Hertzen liegen,
nicht aber erdichtet habe: daß er ſie alſo entweder
ſelbſt geſehen, oder von andern gleichfalls ſo glaub-
wuͤrdigen Menſchen erkundigt habe: daß alſo die
Sache, weil ſie Zuſchauer gehabt, wuͤrcklich ge-
ſchehen ſeyn muͤſſe: oder da dieſes alles Saͤtze ſind,
die ſich von ſelbſt verſtehen, ſo wuͤrden wir, ohne
Umſtaͤnde uns an die Sache halten, ſo gut, als
wenn wir dabey geweſen waͤren. Wovon wir ietzo
noch die Exempel an guten Freunden, an Ehe-
gatten, die einander hertzlich lieben, und an Zu-
hoͤrern ſehen, die vor ihre Lehrer Liebe und Hoch-
achtung hegen: hoͤren, glauben und gewiß
ſeyn, ſind bey ihnen unzertrennte Dinge, und man
wird ausgelacht, wenn man ihnen etwas anders
bereden zu wollen ſich erkuͤhnet. Und dies iſt der
natuͤrliche Weg, wie die hiſtoriſche Erkentniß fort-
geflantzt, und von dem Zuſchauer auf die entfernſten
Perſonen kan gebracht werden, ohne daß die Wahr-
heit dabey Schaden leidet; nehmlich daß ſie durch
den Mund lauter ſolcher Perſonen gehet, die der
Luͤgen nicht verdaͤchtig ſind.
§. 19.
1. Wie dieſelbe auf Seiten des Ausſagers zer-
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/334>, abgerufen am 21.11.2024.
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