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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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v. d. historischen Wahrscheinlichkeit.
nen Zweifels, da man im Stande ist, Untersu-
chungen anzustellen; und alle darzu dienliche Mit-
tel würcklich anzuwenden; als in welchen Umstän-
den sich alle Richter, die gnugsam authorißrt sind,
befinden müssen. Wir müssen hier nicht gleich
an alte Geschichte dencken; bey welchen frey-
lich Zweifel in Menge vorkommen; und wo man
nicht fragen kan, wen man will; sondern alte und
neue Geschichte müssen hier promiscue supponirt
werden. Ein Mittel hinter die Wahrheit zu kom-
men ist hauptsächlich bey den alten Geschichten,
ein anders aber hauptsächlich bey neuen Geschich-
ten dienlich.

§. 3.
Erste Pflicht bey vorhandenen und wider-
sprechenden Aussagen.

Wenn die Ungewißheit, aus widersprechenden
Aussagen entstehet (denn es ist noch ein anderer
Fall möglich, von welchem hernach) so siehet man
daß eine von beyden unrichtig seyn muß. Da-
her muß untersuchet werden, wo der Fehler stecke?
und wie diese widrigen Aussagen entsprungen seyn
mögen? Hierbey müssen wir nun 1. in Betrach-
tung ziehen, daß wir uns in Ansehung einer erhal-
tenen Nachricht, entweder als Zuhörer oder als
Leser verhalten: Die die Beschaffenheit der zwei-
felhafften Geschichte, nicht durchs Anschauen,
sondern aus Worten erkennen: Wobey also
Zweydeutigkeit, Dunckelheit, Mißver-
stand,
und Mißdeutung vorkommen kan (§. 16.
C. 7.). Dergleichen nun hat man bey widerspre-

chenden
X

v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit.
nen Zweifels, da man im Stande iſt, Unterſu-
chungen anzuſtellen; und alle darzu dienliche Mit-
tel wuͤrcklich anzuwenden; als in welchen Umſtaͤn-
den ſich alle Richter, die gnugſam authorißrt ſind,
befinden muͤſſen. Wir muͤſſen hier nicht gleich
an alte Geſchichte dencken; bey welchen frey-
lich Zweifel in Menge vorkommen; und wo man
nicht fragen kan, wen man will; ſondern alte und
neue Geſchichte muͤſſen hier promiſcue ſupponirt
werden. Ein Mittel hinter die Wahrheit zu kom-
men iſt hauptſaͤchlich bey den alten Geſchichten,
ein anders aber hauptſaͤchlich bey neuen Geſchich-
ten dienlich.

§. 3.
Erſte Pflicht bey vorhandenen und wider-
ſprechenden Ausſagen.

Wenn die Ungewißheit, aus widerſprechenden
Ausſagen entſtehet (denn es iſt noch ein anderer
Fall moͤglich, von welchem hernach) ſo ſiehet man
daß eine von beyden unrichtig ſeyn muß. Da-
her muß unterſuchet werden, wo der Fehler ſtecke?
und wie dieſe widrigen Ausſagen entſprungen ſeyn
moͤgen? Hierbey muͤſſen wir nun 1. in Betrach-
tung ziehen, daß wir uns in Anſehung einer erhal-
tenen Nachricht, entweder als Zuhoͤrer oder als
Leſer verhalten: Die die Beſchaffenheit der zwei-
felhafften Geſchichte, nicht durchs Anſchauen,
ſondern aus Worten erkennen: Wobey alſo
Zweydeutigkeit, Dunckelheit, Mißver-
ſtand,
und Mißdeutung vorkommen kan (§. 16.
C. 7.). Dergleichen nun hat man bey widerſpre-

chenden
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[321/0357] v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit. nen Zweifels, da man im Stande iſt, Unterſu- chungen anzuſtellen; und alle darzu dienliche Mit- tel wuͤrcklich anzuwenden; als in welchen Umſtaͤn- den ſich alle Richter, die gnugſam authorißrt ſind, befinden muͤſſen. Wir muͤſſen hier nicht gleich an alte Geſchichte dencken; bey welchen frey- lich Zweifel in Menge vorkommen; und wo man nicht fragen kan, wen man will; ſondern alte und neue Geſchichte muͤſſen hier promiſcue ſupponirt werden. Ein Mittel hinter die Wahrheit zu kom- men iſt hauptſaͤchlich bey den alten Geſchichten, ein anders aber hauptſaͤchlich bey neuen Geſchich- ten dienlich. §. 3. Erſte Pflicht bey vorhandenen und wider- ſprechenden Ausſagen. Wenn die Ungewißheit, aus widerſprechenden Ausſagen entſtehet (denn es iſt noch ein anderer Fall moͤglich, von welchem hernach) ſo ſiehet man daß eine von beyden unrichtig ſeyn muß. Da- her muß unterſuchet werden, wo der Fehler ſtecke? und wie dieſe widrigen Ausſagen entſprungen ſeyn moͤgen? Hierbey muͤſſen wir nun 1. in Betrach- tung ziehen, daß wir uns in Anſehung einer erhal- tenen Nachricht, entweder als Zuhoͤrer oder als Leſer verhalten: Die die Beſchaffenheit der zwei- felhafften Geſchichte, nicht durchs Anſchauen, ſondern aus Worten erkennen: Wobey alſo Zweydeutigkeit, Dunckelheit, Mißver- ſtand, und Mißdeutung vorkommen kan (§. 16. C. 7.). Dergleichen nun hat man bey widerſpre- chenden X

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/357>, abgerufen am 23.11.2024.