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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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v. d. historischen Wahrscheinlichkeit.
um nicht abgeholffen werden, weil durch noch so
sehr gehäuffte Aussagen die einmahl vorhandene wi-
dersprechende Aussage doch nicht weggeschafft wird:
aber die Menge der entgegen stehenden Aussagen
kan doch endlich den Lügner irre und schamroth ma-
chen, daß er mit der Wahrheit heraus rückt. So
lange aber noch eine Aussage übrig ist, die man
nicht heben kan, so lange ist auch der Zweiffel nicht
gäntzlich gehoben. Unsere Rechtslehrer gehen
schwehr daran, einen Jnquisiten zu verdammen,
so lange er läugnet; ohngeachtet seine Aussage we-
gen des darunter habenden grossen Vortheils sehr
verdächtig ist; worinnen sie sich genau nach dem
Grundsatz der Aussagen und Nachrichten (§. 16.
17. C. 9.) achten.

§. 9.
Zweyter Hauptgrund der Zweiffel.

Geschichte werden auch aus Folgen erkannt,
(§. 38. C. 7.) und diese geben starcke Gelegenheit
zum Nachforschen und Ausspühren. (§. 39. 40.
C. 7.) Nun sind zwar die meisten Folgen so be-
schaffen, daß sich die Geschichte bloß aus ihnen
nicht gewiß erkennen lässet, wie wir in der Abhand-
lung de Vestigiis gezeigt haben; doch findet sich
auch in diesen ein Unterscheid. Manche Folgen sind
so beschaffen, daß jeden nach der genauesten Ge-
denckart ein vorhergegangenes factum dabey ein-
fällt; ob sich gleich die Würcklichkeit desselben nicht
zuverläßig daraus beweisen lässet. Diese Folgen
wollen wir handgreiffliche Anzeichen nennen.
Andere Folgen aber geben nur diesen oder jenen

Gele-
X 5

v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit.
um nicht abgeholffen werden, weil durch noch ſo
ſehr gehaͤuffte Ausſagen die einmahl vorhandene wi-
derſprechende Ausſage doch nicht weggeſchafft wird:
aber die Menge der entgegen ſtehenden Ausſagen
kan doch endlich den Luͤgner irre und ſchamroth ma-
chen, daß er mit der Wahrheit heraus ruͤckt. So
lange aber noch eine Ausſage uͤbrig iſt, die man
nicht heben kan, ſo lange iſt auch der Zweiffel nicht
gaͤntzlich gehoben. Unſere Rechtslehrer gehen
ſchwehr daran, einen Jnquiſiten zu verdammen,
ſo lange er laͤugnet; ohngeachtet ſeine Ausſage we-
gen des darunter habenden groſſen Vortheils ſehr
verdaͤchtig iſt; worinnen ſie ſich genau nach dem
Grundſatz der Ausſagen und Nachrichten (§. 16.
17. C. 9.) achten.

§. 9.
Zweyter Hauptgrund der Zweiffel.

Geſchichte werden auch aus Folgen erkannt,
(§. 38. C. 7.) und dieſe geben ſtarcke Gelegenheit
zum Nachforſchen und Ausſpuͤhren. (§. 39. 40.
C. 7.) Nun ſind zwar die meiſten Folgen ſo be-
ſchaffen, daß ſich die Geſchichte bloß aus ihnen
nicht gewiß erkennen laͤſſet, wie wir in der Abhand-
lung de Veſtigiis gezeigt haben; doch findet ſich
auch in dieſen ein Unterſcheid. Manche Folgen ſind
ſo beſchaffen, daß jeden nach der genaueſten Ge-
denckart ein vorhergegangenes factum dabey ein-
faͤllt; ob ſich gleich die Wuͤrcklichkeit deſſelben nicht
zuverlaͤßig daraus beweiſen laͤſſet. Dieſe Folgen
wollen wir handgreiffliche Anzeichen nennen.
Andere Folgen aber geben nur dieſen oder jenen

Gele-
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[329/0365] v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit. um nicht abgeholffen werden, weil durch noch ſo ſehr gehaͤuffte Ausſagen die einmahl vorhandene wi- derſprechende Ausſage doch nicht weggeſchafft wird: aber die Menge der entgegen ſtehenden Ausſagen kan doch endlich den Luͤgner irre und ſchamroth ma- chen, daß er mit der Wahrheit heraus ruͤckt. So lange aber noch eine Ausſage uͤbrig iſt, die man nicht heben kan, ſo lange iſt auch der Zweiffel nicht gaͤntzlich gehoben. Unſere Rechtslehrer gehen ſchwehr daran, einen Jnquiſiten zu verdammen, ſo lange er laͤugnet; ohngeachtet ſeine Ausſage we- gen des darunter habenden groſſen Vortheils ſehr verdaͤchtig iſt; worinnen ſie ſich genau nach dem Grundſatz der Ausſagen und Nachrichten (§. 16. 17. C. 9.) achten. §. 9. Zweyter Hauptgrund der Zweiffel. Geſchichte werden auch aus Folgen erkannt, (§. 38. C. 7.) und dieſe geben ſtarcke Gelegenheit zum Nachforſchen und Ausſpuͤhren. (§. 39. 40. C. 7.) Nun ſind zwar die meiſten Folgen ſo be- ſchaffen, daß ſich die Geſchichte bloß aus ihnen nicht gewiß erkennen laͤſſet, wie wir in der Abhand- lung de Veſtigiis gezeigt haben; doch findet ſich auch in dieſen ein Unterſcheid. Manche Folgen ſind ſo beſchaffen, daß jeden nach der genaueſten Ge- denckart ein vorhergegangenes factum dabey ein- faͤllt; ob ſich gleich die Wuͤrcklichkeit deſſelben nicht zuverlaͤßig daraus beweiſen laͤſſet. Dieſe Folgen wollen wir handgreiffliche Anzeichen nennen. Andere Folgen aber geben nur dieſen oder jenen Gele- X 5

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/365>, abgerufen am 24.11.2024.