Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Eilfftes Capitel,
Zuschauer genug vorhanden waren (§. 1.), genau
hat erkundigen können. Man verlangt also auch
von alten Geschichten nicht sowohl Zuschauer, als
Scriptores coaeuos. Und dieses macht mithin
ein Stück des Ansehens bey einem Geschichtschrei-
ber aus (§. 11.): Weil man nehmlich daraus
abnehmen kan, wie er zu der Erkentniß der Ge-
schichte, die er beschreibt, gekommen ist; und daß
er sie entweder selbst müsse gesehen haben, oder
doch Personen gewust haben, die bey der Begeben-
heit gegenwärtig gewesen sind.

§. 14.
Haben ein grosses Ansehen.

Es wird aber das Ansehen eines Scriptoris
coaeui
nicht allein dadurch groß, daß wir versichert
sind, er habe die Geschichte von Zuschauern in Er-
fahrung bringen können, woferne er nicht selbst da-
bey gewesen ist; sondern auch dadurch, weil er
seine Erzehlung und Belehrung zu einer sol-
chen Zeit ans Licht treten lässet, da eine Menge
Personen vorhanden seyn müssen, welche durch
seine unwahre Erzehlung, falls er sich dergleichen
sollte gelüsten lassen, beleidiget würden: Die also
nicht ermangeln würden, dem Geschichtschreiber zu
widersprechen. Dieser Zustand eines Geschicht-
schreibers würckt nun 1. eines Theils soviel, daß
niemand leichte so unverschämt ist, daß er sich
getrauen sollte, zumahl von öffentlichen Sachen,
daran jedermann Theil nimmt, vorsetzliche Un-
wahrheiten hinzuschreiben. So wird sich kein
vernünftiger Mensch, und also auch kein Geschicht-

schreiber

Eilfftes Capitel,
Zuſchauer genug vorhanden waren (§. 1.), genau
hat erkundigen koͤnnen. Man verlangt alſo auch
von alten Geſchichten nicht ſowohl Zuſchauer, als
Scriptores coæuos. Und dieſes macht mithin
ein Stuͤck des Anſehens bey einem Geſchichtſchrei-
ber aus (§. 11.): Weil man nehmlich daraus
abnehmen kan, wie er zu der Erkentniß der Ge-
ſchichte, die er beſchreibt, gekommen iſt; und daß
er ſie entweder ſelbſt muͤſſe geſehen haben, oder
doch Perſonen gewuſt haben, die bey der Begeben-
heit gegenwaͤrtig geweſen ſind.

§. 14.
Haben ein groſſes Anſehen.

Es wird aber das Anſehen eines Scriptoris
coæui
nicht allein dadurch groß, daß wir verſichert
ſind, er habe die Geſchichte von Zuſchauern in Er-
fahrung bringen koͤnnen, woferne er nicht ſelbſt da-
bey geweſen iſt; ſondern auch dadurch, weil er
ſeine Erzehlung und Belehrung zu einer ſol-
chen Zeit ans Licht treten laͤſſet, da eine Menge
Perſonen vorhanden ſeyn muͤſſen, welche durch
ſeine unwahre Erzehlung, falls er ſich dergleichen
ſollte geluͤſten laſſen, beleidiget wuͤrden: Die alſo
nicht ermangeln wuͤrden, dem Geſchichtſchreiber zu
widerſprechen. Dieſer Zuſtand eines Geſchicht-
ſchreibers wuͤrckt nun 1. eines Theils ſoviel, daß
niemand leichte ſo unverſchaͤmt iſt, daß er ſich
getrauen ſollte, zumahl von oͤffentlichen Sachen,
daran jedermann Theil nimmt, vorſetzliche Un-
wahrheiten hinzuſchreiben. So wird ſich kein
vernuͤnftiger Menſch, und alſo auch kein Geſchicht-

ſchreiber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0400" n="364"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Eilfftes Capitel,</hi></fw><lb/>
Zu&#x017F;chauer genug vorhanden waren (§. 1.), genau<lb/>
hat erkundigen ko&#x0364;nnen. Man verlangt al&#x017F;o auch<lb/>
von alten Ge&#x017F;chichten nicht &#x017F;owohl Zu&#x017F;chauer, als<lb/><hi rendition="#aq">Scriptores coæuos.</hi> Und die&#x017F;es macht mithin<lb/>
ein Stu&#x0364;ck des <hi rendition="#fr">An&#x017F;ehens</hi> bey einem Ge&#x017F;chicht&#x017F;chrei-<lb/>
ber aus (§. 11.): Weil man nehmlich daraus<lb/>
abnehmen kan, wie er zu der Erkentniß der Ge-<lb/>
&#x017F;chichte, die er be&#x017F;chreibt, gekommen i&#x017F;t; und daß<lb/>
er &#x017F;ie entweder &#x017F;elb&#x017F;t mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;ehen haben, oder<lb/>
doch Per&#x017F;onen gewu&#x017F;t haben, die bey der Begeben-<lb/>
heit gegenwa&#x0364;rtig gewe&#x017F;en &#x017F;ind.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 14.<lb/>
Haben ein gro&#x017F;&#x017F;es An&#x017F;ehen.</head><lb/>
          <p>Es wird aber das An&#x017F;ehen eines <hi rendition="#aq">Scriptoris<lb/>
coæui</hi> nicht allein dadurch groß, daß wir ver&#x017F;ichert<lb/>
&#x017F;ind, er habe die Ge&#x017F;chichte von Zu&#x017F;chauern in Er-<lb/>
fahrung bringen ko&#x0364;nnen, woferne er nicht &#x017F;elb&#x017F;t da-<lb/>
bey gewe&#x017F;en i&#x017F;t; &#x017F;ondern auch dadurch, weil er<lb/>
&#x017F;eine <hi rendition="#fr">Erzehlung</hi> und <hi rendition="#fr">Belehrung</hi> zu einer &#x017F;ol-<lb/>
chen Zeit ans Licht treten la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, da eine Menge<lb/>
Per&#x017F;onen vorhanden &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, welche durch<lb/>
&#x017F;eine unwahre Erzehlung, falls er &#x017F;ich dergleichen<lb/>
&#x017F;ollte gelu&#x0364;&#x017F;ten la&#x017F;&#x017F;en, beleidiget wu&#x0364;rden: Die al&#x017F;o<lb/>
nicht ermangeln wu&#x0364;rden, dem Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber zu<lb/>
wider&#x017F;prechen. Die&#x017F;er Zu&#x017F;tand eines Ge&#x017F;chicht-<lb/>
&#x017F;chreibers wu&#x0364;rckt nun 1. eines Theils &#x017F;oviel, daß<lb/>
niemand leichte &#x017F;o unver&#x017F;cha&#x0364;mt i&#x017F;t, daß er &#x017F;ich<lb/>
getrauen &#x017F;ollte, zumahl von o&#x0364;ffentlichen Sachen,<lb/>
daran jedermann Theil nimmt, vor&#x017F;etzliche Un-<lb/>
wahrheiten hinzu&#x017F;chreiben. So wird &#x017F;ich kein<lb/>
vernu&#x0364;nftiger Men&#x017F;ch, und al&#x017F;o auch kein Ge&#x017F;chicht-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chreiber</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[364/0400] Eilfftes Capitel, Zuſchauer genug vorhanden waren (§. 1.), genau hat erkundigen koͤnnen. Man verlangt alſo auch von alten Geſchichten nicht ſowohl Zuſchauer, als Scriptores coæuos. Und dieſes macht mithin ein Stuͤck des Anſehens bey einem Geſchichtſchrei- ber aus (§. 11.): Weil man nehmlich daraus abnehmen kan, wie er zu der Erkentniß der Ge- ſchichte, die er beſchreibt, gekommen iſt; und daß er ſie entweder ſelbſt muͤſſe geſehen haben, oder doch Perſonen gewuſt haben, die bey der Begeben- heit gegenwaͤrtig geweſen ſind. §. 14. Haben ein groſſes Anſehen. Es wird aber das Anſehen eines Scriptoris coæui nicht allein dadurch groß, daß wir verſichert ſind, er habe die Geſchichte von Zuſchauern in Er- fahrung bringen koͤnnen, woferne er nicht ſelbſt da- bey geweſen iſt; ſondern auch dadurch, weil er ſeine Erzehlung und Belehrung zu einer ſol- chen Zeit ans Licht treten laͤſſet, da eine Menge Perſonen vorhanden ſeyn muͤſſen, welche durch ſeine unwahre Erzehlung, falls er ſich dergleichen ſollte geluͤſten laſſen, beleidiget wuͤrden: Die alſo nicht ermangeln wuͤrden, dem Geſchichtſchreiber zu widerſprechen. Dieſer Zuſtand eines Geſchicht- ſchreibers wuͤrckt nun 1. eines Theils ſoviel, daß niemand leichte ſo unverſchaͤmt iſt, daß er ſich getrauen ſollte, zumahl von oͤffentlichen Sachen, daran jedermann Theil nimmt, vorſetzliche Un- wahrheiten hinzuſchreiben. So wird ſich kein vernuͤnftiger Menſch, und alſo auch kein Geſchicht- ſchreiber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/400
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/400>, abgerufen am 24.11.2024.