schreiber unterstehen, dem Landesherrn eine Ge- mahlin beyzulegen, mit der er nicht würcklich ver- mählt ist: Eine Stadt in der Nähe zu dichten, die nicht vorhanden ist: Ein Erdbeben zu erzeh- len, davon niemand im Lande etwas weiß. 2. An- dern Theils aber bringt die Beschaffenheit eines Scriptoris coaeui mit sich, daß das Stillschweigen anderer Geschichtschreiber, ohngefehr von gleichem Alter, und die bald darauf folgen, und daß sich niemand darwider gereget, vor eine Bestätigung zu achten ist (§. 32. C. 9.).
§. 15. Warum die Geschichtschreiber die Nahmen der Zuschauer weglassen:
Ein Geschichtschreiber, wenn er sich nicht auf sein eigen Wissen, sondern auf Nachrichten, von gewesenen Zuschauern gründet; sollte dieselben lie- ber nahmentlich anführen; weil auf den Zu- schauer bey jeder Geschichte gar zu viel ankommt (§. 1. C. 5.). Allein da doch die meisten Leser, ja alle, die Personen meistens nicht kennen wür- den, folglich auch, das Ansehen derselben bey de- nen Lesern geringe seyn würde, ob es gleich bey dem Geschichtschreiber starck, ja völlig gewesen: So verliert man nicht viel dabey, wenn der Ge- schichtschreiber sie nicht anführet. Denn wenn wir ihn einmahl vor einen Lehrer der Geschichte gelten lassen (§. 11.) so verstehets sich, daß wir ihm zutrauen, er werde die Sache von solchen Per- sonen, mittelbar oder unmittelbar in Erfahrung gebracht haben, welche würcklich Zuschauer gewe-
sen
von alten u. auslaͤndiſch. Geſchichten.
ſchreiber unterſtehen, dem Landesherrn eine Ge- mahlin beyzulegen, mit der er nicht wuͤrcklich ver- maͤhlt iſt: Eine Stadt in der Naͤhe zu dichten, die nicht vorhanden iſt: Ein Erdbeben zu erzeh- len, davon niemand im Lande etwas weiß. 2. An- dern Theils aber bringt die Beſchaffenheit eines Scriptoris coæui mit ſich, daß das Stillſchweigen anderer Geſchichtſchreiber, ohngefehr von gleichem Alter, und die bald darauf folgen, und daß ſich niemand darwider gereget, vor eine Beſtaͤtigung zu achten iſt (§. 32. C. 9.).
§. 15. Warum die Geſchichtſchreiber die Nahmen der Zuſchauer weglaſſen:
Ein Geſchichtſchreiber, wenn er ſich nicht auf ſein eigen Wiſſen, ſondern auf Nachrichten, von geweſenen Zuſchauern gruͤndet; ſollte dieſelben lie- ber nahmentlich anfuͤhren; weil auf den Zu- ſchauer bey jeder Geſchichte gar zu viel ankommt (§. 1. C. 5.). Allein da doch die meiſten Leſer, ja alle, die Perſonen meiſtens nicht kennen wuͤr- den, folglich auch, das Anſehen derſelben bey de- nen Leſern geringe ſeyn wuͤrde, ob es gleich bey dem Geſchichtſchreiber ſtarck, ja voͤllig geweſen: So verliert man nicht viel dabey, wenn der Ge- ſchichtſchreiber ſie nicht anfuͤhret. Denn wenn wir ihn einmahl vor einen Lehrer der Geſchichte gelten laſſen (§. 11.) ſo verſtehets ſich, daß wir ihm zutrauen, er werde die Sache von ſolchen Per- ſonen, mittelbar oder unmittelbar in Erfahrung gebracht haben, welche wuͤrcklich Zuſchauer gewe-
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von alten u. auslaͤndiſch. Geſchichten.
ſchreiber unterſtehen, dem Landesherrn eine Ge-
mahlin beyzulegen, mit der er nicht wuͤrcklich ver-
maͤhlt iſt: Eine Stadt in der Naͤhe zu dichten,
die nicht vorhanden iſt: Ein Erdbeben zu erzeh-
len, davon niemand im Lande etwas weiß. 2. An-
dern Theils aber bringt die Beſchaffenheit eines
Scriptoris coæui mit ſich, daß das Stillſchweigen
anderer Geſchichtſchreiber, ohngefehr von gleichem
Alter, und die bald darauf folgen, und daß ſich
niemand darwider gereget, vor eine Beſtaͤtigung
zu achten iſt (§. 32. C. 9.).
§. 15.
Warum die Geſchichtſchreiber die Nahmen
der Zuſchauer weglaſſen:
Ein Geſchichtſchreiber, wenn er ſich nicht auf
ſein eigen Wiſſen, ſondern auf Nachrichten, von
geweſenen Zuſchauern gruͤndet; ſollte dieſelben lie-
ber nahmentlich anfuͤhren; weil auf den Zu-
ſchauer bey jeder Geſchichte gar zu viel ankommt
(§. 1. C. 5.). Allein da doch die meiſten Leſer,
ja alle, die Perſonen meiſtens nicht kennen wuͤr-
den, folglich auch, das Anſehen derſelben bey de-
nen Leſern geringe ſeyn wuͤrde, ob es gleich bey
dem Geſchichtſchreiber ſtarck, ja voͤllig geweſen:
So verliert man nicht viel dabey, wenn der Ge-
ſchichtſchreiber ſie nicht anfuͤhret. Denn wenn
wir ihn einmahl vor einen Lehrer der Geſchichte
gelten laſſen (§. 11.) ſo verſtehets ſich, daß wir
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/401>, abgerufen am 19.06.2024.
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