Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Capitel,
Empfindung von der Empfindung gemeiner Din-
ge nicht weiter unterschieden. Beyde können nur
obenhin, oder auch im Gegentheil mit vieler Auf-
mercksamkeit
und gelehrt angesehen werden.

§. 39.
Viele Geschichte betreffen nicht eintzelne, son-
dern gantze Hauffen Cörper.

Wenn man mit einem eintzeln Cörper zu
thun hat, so wird sich bey Beobachtung seiner
Veränderungen und Begebenheiten, und mithin
auch bey denen daraus fliessenden Erzehlungen
fast gar keine Schwierigkeit finden. Sind ja
welche, so entstehen sie aus der Beschaffenheit
und dem Zustande des Zuschauers; welche am
gehörigen Orte genau sollen bemercket werden.
Allein diese Begebenheiten eintzelner Cörper ma-
chen nur einen Theil der Begebenheiten der cör-
perlichen Dinge aus. Denn ein nicht geringer
Theil derselben betreffen nicht eintzelne Cörper,
sondern einen gantzen Hauffen: als, daß die Bäu-
me in einem gewissen Striche von Raupen abge-
fressen werden: daß die Flüsse eines Landes zu ei-
ner gewissen Zeit hoch angelauffen sind. Die
Vorstellung eines Hauffens, das ist, einer un-
gezehlten Menge ähnlicher Dinge, ist im gemei-
nen Leben eine alltäglich und stündlich vorkommen-
de, auch gantz bekannte Sache: die aber in der
Philosophie und Vernunfftlehre gar nicht bemerckt
zu werden pfleget: weil man da gemeiniglich sein
Absehen nur auf abstracte Wissenschafften gerich-
tet hat; welche nicht mit Hauffen, sondern mit

Arten

Zweytes Capitel,
Empfindung von der Empfindung gemeiner Din-
ge nicht weiter unterſchieden. Beyde koͤnnen nur
obenhin, oder auch im Gegentheil mit vieler Auf-
merckſamkeit
und gelehrt angeſehen werden.

§. 39.
Viele Geſchichte betreffen nicht eintzelne, ſon-
dern gantze Hauffen Coͤrper.

Wenn man mit einem eintzeln Coͤrper zu
thun hat, ſo wird ſich bey Beobachtung ſeiner
Veraͤnderungen und Begebenheiten, und mithin
auch bey denen daraus flieſſenden Erzehlungen
faſt gar keine Schwierigkeit finden. Sind ja
welche, ſo entſtehen ſie aus der Beſchaffenheit
und dem Zuſtande des Zuſchauers; welche am
gehoͤrigen Orte genau ſollen bemercket werden.
Allein dieſe Begebenheiten eintzelner Coͤrper ma-
chen nur einen Theil der Begebenheiten der coͤr-
perlichen Dinge aus. Denn ein nicht geringer
Theil derſelben betreffen nicht eintzelne Coͤrper,
ſondern einen gantzen Hauffen: als, daß die Baͤu-
me in einem gewiſſen Striche von Raupen abge-
freſſen werden: daß die Fluͤſſe eines Landes zu ei-
ner gewiſſen Zeit hoch angelauffen ſind. Die
Vorſtellung eines Hauffens, das iſt, einer un-
gezehlten Menge aͤhnlicher Dinge, iſt im gemei-
nen Leben eine alltaͤglich und ſtuͤndlich vorkommen-
de, auch gantz bekannte Sache: die aber in der
Philoſophie und Vernunfftlehre gar nicht bemerckt
zu werden pfleget: weil man da gemeiniglich ſein
Abſehen nur auf abſtracte Wiſſenſchafften gerich-
tet hat; welche nicht mit Hauffen, ſondern mit

Arten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0088" n="52"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Capitel,</hi></fw><lb/>
Empfindung von der Empfindung gemeiner Din-<lb/>
ge nicht weiter unter&#x017F;chieden. Beyde ko&#x0364;nnen nur<lb/>
obenhin, oder auch im Gegentheil mit vieler <hi rendition="#fr">Auf-<lb/>
merck&#x017F;amkeit</hi> und <hi rendition="#fr">gelehrt</hi> ange&#x017F;ehen werden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 39.<lb/>
Viele Ge&#x017F;chichte betreffen nicht eintzelne, &#x017F;on-<lb/>
dern gantze Hauffen Co&#x0364;rper.</head><lb/>
          <p>Wenn man mit einem eintzeln Co&#x0364;rper zu<lb/>
thun hat, &#x017F;o wird &#x017F;ich bey Beobachtung &#x017F;einer<lb/>
Vera&#x0364;nderungen und Begebenheiten, und mithin<lb/>
auch bey denen daraus flie&#x017F;&#x017F;enden Erzehlungen<lb/>
fa&#x017F;t gar keine Schwierigkeit finden. Sind ja<lb/>
welche, &#x017F;o ent&#x017F;tehen &#x017F;ie aus der Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
und dem Zu&#x017F;tande des Zu&#x017F;chauers; welche am<lb/>
geho&#x0364;rigen Orte genau &#x017F;ollen bemercket werden.<lb/>
Allein die&#x017F;e Begebenheiten eintzelner Co&#x0364;rper ma-<lb/>
chen nur einen Theil der Begebenheiten der co&#x0364;r-<lb/>
perlichen Dinge aus. Denn ein nicht geringer<lb/>
Theil der&#x017F;elben betreffen nicht eintzelne Co&#x0364;rper,<lb/>
&#x017F;ondern einen gantzen <hi rendition="#fr">Hauffen:</hi> als, daß die Ba&#x0364;u-<lb/>
me in einem gewi&#x017F;&#x017F;en Striche von Raupen abge-<lb/>
fre&#x017F;&#x017F;en werden: daß die Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e eines Landes zu ei-<lb/>
ner gewi&#x017F;&#x017F;en Zeit hoch angelauffen &#x017F;ind. Die<lb/>
Vor&#x017F;tellung eines <hi rendition="#fr">Hauffens,</hi> das i&#x017F;t, einer un-<lb/>
gezehlten Menge a&#x0364;hnlicher Dinge, i&#x017F;t im gemei-<lb/>
nen Leben eine allta&#x0364;glich und &#x017F;tu&#x0364;ndlich vorkommen-<lb/>
de, auch gantz bekannte Sache: die aber in der<lb/>
Philo&#x017F;ophie und Vernunfftlehre gar nicht bemerckt<lb/>
zu werden pfleget: weil man da gemeiniglich &#x017F;ein<lb/>
Ab&#x017F;ehen nur auf ab&#x017F;tracte Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften gerich-<lb/>
tet hat; welche nicht mit <hi rendition="#fr">Hauffen,</hi> &#x017F;ondern mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Arten</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0088] Zweytes Capitel, Empfindung von der Empfindung gemeiner Din- ge nicht weiter unterſchieden. Beyde koͤnnen nur obenhin, oder auch im Gegentheil mit vieler Auf- merckſamkeit und gelehrt angeſehen werden. §. 39. Viele Geſchichte betreffen nicht eintzelne, ſon- dern gantze Hauffen Coͤrper. Wenn man mit einem eintzeln Coͤrper zu thun hat, ſo wird ſich bey Beobachtung ſeiner Veraͤnderungen und Begebenheiten, und mithin auch bey denen daraus flieſſenden Erzehlungen faſt gar keine Schwierigkeit finden. Sind ja welche, ſo entſtehen ſie aus der Beſchaffenheit und dem Zuſtande des Zuſchauers; welche am gehoͤrigen Orte genau ſollen bemercket werden. Allein dieſe Begebenheiten eintzelner Coͤrper ma- chen nur einen Theil der Begebenheiten der coͤr- perlichen Dinge aus. Denn ein nicht geringer Theil derſelben betreffen nicht eintzelne Coͤrper, ſondern einen gantzen Hauffen: als, daß die Baͤu- me in einem gewiſſen Striche von Raupen abge- freſſen werden: daß die Fluͤſſe eines Landes zu ei- ner gewiſſen Zeit hoch angelauffen ſind. Die Vorſtellung eines Hauffens, das iſt, einer un- gezehlten Menge aͤhnlicher Dinge, iſt im gemei- nen Leben eine alltaͤglich und ſtuͤndlich vorkommen- de, auch gantz bekannte Sache: die aber in der Philoſophie und Vernunfftlehre gar nicht bemerckt zu werden pfleget: weil man da gemeiniglich ſein Abſehen nur auf abſtracte Wiſſenſchafften gerich- tet hat; welche nicht mit Hauffen, ſondern mit Arten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/88
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/88>, abgerufen am 23.11.2024.