Martin berichtete, der junge Herr sei auf der Jagd. Der Oncle murmelte Einiges, was wie ein Fluch klang, und machte sich ebenfalls zur Jagd zurecht. Aber er hatte den Forst beinahe nach allen Richtungen durchstreift, und Staunitz war nicht zu finden; mit Anstrengung stieg er in das Wolfsthal hinab, wo manche unheimlichen Erinnerungen der Vorzeit schauerlich geweckt wurden, aber er mußte unverrichteter Sache auf der andern Seite des Klippenthales wieder hinauf klimmen. Eine halbe Stunde von da wohnte der Forstinspector Kluge in einem einsamen Hause, aber freundlich und anlockend; Staunitz pflegte den biedern Mann sonst wohl zu besuchen; viel¬ leicht war er auch heute dort, und es blieb das Räth¬ lichste, nun auf das Forsthaus loszusteuern. Das letztere lag etwas versteckt von der einen Seite, so daß man aus der Ferne nicht leicht bemerkt weiden konnte Heinrich kam immer näher, und blieb zuletzt voll unangenehmer Überraschung stehn. Hatte er sich nicht ganz und gar geirrt, so stand Vetter Staunitz oben im Eckzimmer des Hauses, und hatte seinen Arm um eine junge, schöne Dame geschlungen. Er sah noch einmal hin, und zwar mit einem guten Dollond bewaffnet, den er aus Vorliebe für Aussichten in die Ferne gern bei sich führte. Richtig, es war Staunitz; aber er
Martin berichtete, der junge Herr ſei auf der Jagd. Der Oncle murmelte Einiges, was wie ein Fluch klang, und machte ſich ebenfalls zur Jagd zurecht. Aber er hatte den Forſt beinahe nach allen Richtungen durchſtreift, und Staunitz war nicht zu finden; mit Anſtrengung ſtieg er in das Wolfsthal hinab, wo manche unheimlichen Erinnerungen der Vorzeit ſchauerlich geweckt wurden, aber er mußte unverrichteter Sache auf der andern Seite des Klippenthales wieder hinauf klimmen. Eine halbe Stunde von da wohnte der Forſtinſpector Kluge in einem einſamen Hauſe, aber freundlich und anlockend; Staunitz pflegte den biedern Mann ſonſt wohl zu beſuchen; viel¬ leicht war er auch heute dort, und es blieb das Raͤth¬ lichſte, nun auf das Forſthaus loszuſteuern. Das letztere lag etwas verſteckt von der einen Seite, ſo daß man aus der Ferne nicht leicht bemerkt weiden konnte Heinrich kam immer naͤher, und blieb zuletzt voll unangenehmer Überraſchung ſtehn. Hatte er ſich nicht ganz und gar geirrt, ſo ſtand Vetter Staunitz oben im Eckzimmer des Hauſes, und hatte ſeinen Arm um eine junge, ſchoͤne Dame geſchlungen. Er ſah noch einmal hin, und zwar mit einem guten Dollond bewaffnet, den er aus Vorliebe fuͤr Ausſichten in die Ferne gern bei ſich fuͤhrte. Richtig, es war Staunitz; aber er
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0104"n="98"/>
Martin berichtete, der junge Herr ſei auf der<lb/>
Jagd. Der Oncle murmelte Einiges, was wie<lb/>
ein Fluch klang, und machte ſich ebenfalls zur<lb/>
Jagd zurecht. Aber er hatte den Forſt beinahe<lb/>
nach allen Richtungen durchſtreift, und Staunitz<lb/>
war nicht zu finden; mit Anſtrengung ſtieg er<lb/>
in das Wolfsthal hinab, wo manche unheimlichen<lb/>
Erinnerungen der Vorzeit ſchauerlich geweckt<lb/>
wurden, aber er mußte unverrichteter Sache auf<lb/>
der andern Seite des Klippenthales wieder hinauf<lb/>
klimmen. Eine halbe Stunde von da wohnte<lb/>
der Forſtinſpector Kluge in einem einſamen Hauſe,<lb/>
aber freundlich und anlockend; Staunitz pflegte<lb/>
den biedern Mann ſonſt wohl zu beſuchen; viel¬<lb/>
leicht war er auch heute dort, und es blieb das Raͤth¬<lb/>
lichſte, nun auf das Forſthaus loszuſteuern. Das<lb/>
letztere lag etwas verſteckt von der einen Seite,<lb/>ſo daß man aus der Ferne nicht leicht bemerkt<lb/>
weiden konnte Heinrich kam immer naͤher, und<lb/>
blieb zuletzt voll unangenehmer Überraſchung ſtehn.<lb/>
Hatte er ſich nicht ganz und gar geirrt, ſo ſtand<lb/>
Vetter Staunitz oben im Eckzimmer des Hauſes,<lb/>
und hatte ſeinen Arm um eine junge, ſchoͤne Dame<lb/>
geſchlungen. Er ſah noch einmal hin, und zwar<lb/>
mit einem guten <hirendition="#aq">Dollond</hi> bewaffnet, den er aus<lb/>
Vorliebe fuͤr Ausſichten in die Ferne gern bei<lb/>ſich fuͤhrte. Richtig, es war Staunitz; aber er<lb/></p></div></body></text></TEI>
[98/0104]
Martin berichtete, der junge Herr ſei auf der
Jagd. Der Oncle murmelte Einiges, was wie
ein Fluch klang, und machte ſich ebenfalls zur
Jagd zurecht. Aber er hatte den Forſt beinahe
nach allen Richtungen durchſtreift, und Staunitz
war nicht zu finden; mit Anſtrengung ſtieg er
in das Wolfsthal hinab, wo manche unheimlichen
Erinnerungen der Vorzeit ſchauerlich geweckt
wurden, aber er mußte unverrichteter Sache auf
der andern Seite des Klippenthales wieder hinauf
klimmen. Eine halbe Stunde von da wohnte
der Forſtinſpector Kluge in einem einſamen Hauſe,
aber freundlich und anlockend; Staunitz pflegte
den biedern Mann ſonſt wohl zu beſuchen; viel¬
leicht war er auch heute dort, und es blieb das Raͤth¬
lichſte, nun auf das Forſthaus loszuſteuern. Das
letztere lag etwas verſteckt von der einen Seite,
ſo daß man aus der Ferne nicht leicht bemerkt
weiden konnte Heinrich kam immer naͤher, und
blieb zuletzt voll unangenehmer Überraſchung ſtehn.
Hatte er ſich nicht ganz und gar geirrt, ſo ſtand
Vetter Staunitz oben im Eckzimmer des Hauſes,
und hatte ſeinen Arm um eine junge, ſchoͤne Dame
geſchlungen. Er ſah noch einmal hin, und zwar
mit einem guten Dollond bewaffnet, den er aus
Vorliebe fuͤr Ausſichten in die Ferne gern bei
ſich fuͤhrte. Richtig, es war Staunitz; aber er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/104>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.