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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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versicherte ihn indeß, daß es auch ohne einen
letzten Willen seines unvergeßlichen Vaters bei
der jetzigen Anordnung der Dinge verbleiben
werde, und suchte mit dem Heiligthume unterm
Arme sein einsames Zimmer auf.

Gleich bei Eröffnung des Packets fielen ihm
einige Briefe von einer weiblichen Hand entgegen,
darauf folgten aber einige Bogen von der des
Generalmajors, welche wir dem freundlichen Leser
hier mittheilen.


"Mein theurer, geliebter Sohn!

Du bist noch immer nicht von Deiner Reise
zurückgekehrt, und doch hoffe ich so sehnsüchtig
auf Deine Ankunft. Ein Brief würde Dich nicht
treffen, und ich muß mich in Geduld fassen. Ist
mirs doch seit einiger Zeit, als ob ich bald am
Ziele meiner Tage sei; ich fühl' es, es wird mit
mir nicht lange dauren, der Todesengel naht,
ich reiche ihm meine Hand willig, und ver¬
zage nicht!

Du hast mir seit einigen Wochen keine Nach¬

verſicherte ihn indeß, daß es auch ohne einen
letzten Willen ſeines unvergeßlichen Vaters bei
der jetzigen Anordnung der Dinge verbleiben
werde, und ſuchte mit dem Heiligthume unterm
Arme ſein einſames Zimmer auf.

Gleich bei Eroͤffnung des Packets fielen ihm
einige Briefe von einer weiblichen Hand entgegen,
darauf folgten aber einige Bogen von der des
Generalmajors, welche wir dem freundlichen Leſer
hier mittheilen.


„Mein theurer, geliebter Sohn!

Du biſt noch immer nicht von Deiner Reiſe
zuruͤckgekehrt, und doch hoffe ich ſo ſehnſuͤchtig
auf Deine Ankunft. Ein Brief wuͤrde Dich nicht
treffen, und ich muß mich in Geduld faſſen. Iſt
mirs doch ſeit einiger Zeit, als ob ich bald am
Ziele meiner Tage ſei; ich fuͤhl' es, es wird mit
mir nicht lange dauren, der Todesengel naht,
ich reiche ihm meine Hand willig, und ver¬
zage nicht!

Du haſt mir ſeit einigen Wochen keine Nach¬

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[112/0118] verſicherte ihn indeß, daß es auch ohne einen letzten Willen ſeines unvergeßlichen Vaters bei der jetzigen Anordnung der Dinge verbleiben werde, und ſuchte mit dem Heiligthume unterm Arme ſein einſames Zimmer auf. Gleich bei Eroͤffnung des Packets fielen ihm einige Briefe von einer weiblichen Hand entgegen, darauf folgten aber einige Bogen von der des Generalmajors, welche wir dem freundlichen Leſer hier mittheilen. „Mein theurer, geliebter Sohn! Du biſt noch immer nicht von Deiner Reiſe zuruͤckgekehrt, und doch hoffe ich ſo ſehnſuͤchtig auf Deine Ankunft. Ein Brief wuͤrde Dich nicht treffen, und ich muß mich in Geduld faſſen. Iſt mirs doch ſeit einiger Zeit, als ob ich bald am Ziele meiner Tage ſei; ich fuͤhl' es, es wird mit mir nicht lange dauren, der Todesengel naht, ich reiche ihm meine Hand willig, und ver¬ zage nicht! Du haſt mir ſeit einigen Wochen keine Nach¬

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/118>, abgerufen am 25.05.2024.