Freundschaft, keine Hülfe mogte ich mehr glauben, und gab mich der finstersten Wehmuth hin. Da fielen mir wieder die alten Prozeßacten ein, der Gedanke, daß der Streit für mich noch zu gewinnen sei, gab mir neue Spannkraft, und ich sammelte Alles, was auf die Sache Bezug hatte. Eine Meile von der Residenz lebte ein ausgezeichneter Rechtsgelehrter aus seinen weitläufigen Besitzungen; er hatte seine Geschäfte aber längst niedergelegt, und gab nur zuweilen einem Freunde guten Rath. An ihn beschloß ich mich zu wenden; ich verfertigte mit unsäglicher Mühe einen gedrängten Auszug aus den Acten, und machte mich damit eines Tags nach dem ehemaligen Notar auf den Weg. Ich hatte eine Menge Sonderbarkeiten von dem Manne erfahren, aber keine derselben konnte meinen Entschluß wankend machen, weil man durchgängig darin übereinstimmte, daß Herr Maiberg, dies war der Name des Mannes, un¬ streitig der erste Jurist des Landes sei, und daß man seinen Verlust als wirkender Staatsbürger nie zu hoch anschlagen könne. Aber er hatte ein großes Vermögen, und der Juristenkram schien ihm zuwider zu sein. Verdenken konnte ich es dem Manne nicht, daß er jetzt nur sich selbst lebte, wenn gleich hiermit meine Hoffnung, er werde mir helfen können, merklich sinken mußte.
Freundſchaft, keine Huͤlfe mogte ich mehr glauben, und gab mich der finſterſten Wehmuth hin. Da fielen mir wieder die alten Prozeßacten ein, der Gedanke, daß der Streit fuͤr mich noch zu gewinnen ſei, gab mir neue Spannkraft, und ich ſammelte Alles, was auf die Sache Bezug hatte. Eine Meile von der Reſidenz lebte ein ausgezeichneter Rechtsgelehrter aus ſeinen weitlaͤufigen Beſitzungen; er hatte ſeine Geſchaͤfte aber laͤngſt niedergelegt, und gab nur zuweilen einem Freunde guten Rath. An ihn beſchloß ich mich zu wenden; ich verfertigte mit unſaͤglicher Muͤhe einen gedraͤngten Auszug aus den Acten, und machte mich damit eines Tags nach dem ehemaligen Notar auf den Weg. Ich hatte eine Menge Sonderbarkeiten von dem Manne erfahren, aber keine derſelben konnte meinen Entſchluß wankend machen, weil man durchgaͤngig darin uͤbereinſtimmte, daß Herr Maiberg, dies war der Name des Mannes, un¬ ſtreitig der erſte Juriſt des Landes ſei, und daß man ſeinen Verluſt als wirkender Staatsbuͤrger nie zu hoch anſchlagen koͤnne. Aber er hatte ein großes Vermoͤgen, und der Juriſtenkram ſchien ihm zuwider zu ſein. Verdenken konnte ich es dem Manne nicht, daß er jetzt nur ſich ſelbſt lebte, wenn gleich hiermit meine Hoffnung, er werde mir helfen koͤnnen, merklich ſinken mußte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0122"n="116"/>
Freundſchaft, keine Huͤlfe mogte ich mehr glauben,<lb/>
und gab mich der finſterſten Wehmuth hin. Da<lb/>
fielen mir wieder die alten Prozeßacten ein, der<lb/>
Gedanke, daß der Streit fuͤr mich noch zu gewinnen<lb/>ſei, gab mir neue Spannkraft, und ich ſammelte<lb/>
Alles, was auf die Sache Bezug hatte. Eine<lb/>
Meile von der Reſidenz lebte ein ausgezeichneter<lb/>
Rechtsgelehrter aus ſeinen weitlaͤufigen Beſitzungen;<lb/>
er hatte ſeine Geſchaͤfte aber laͤngſt niedergelegt,<lb/>
und gab nur zuweilen einem Freunde guten<lb/>
Rath. An ihn beſchloß ich mich zu wenden; ich<lb/>
verfertigte mit unſaͤglicher Muͤhe einen gedraͤngten<lb/>
Auszug aus den Acten, und machte mich damit<lb/>
eines Tags nach dem ehemaligen Notar auf den<lb/>
Weg. Ich hatte eine Menge Sonderbarkeiten<lb/>
von dem Manne erfahren, aber keine derſelben<lb/>
konnte meinen Entſchluß wankend machen, weil<lb/>
man durchgaͤngig darin uͤbereinſtimmte, daß Herr<lb/>
Maiberg, dies war der Name des Mannes, un¬<lb/>ſtreitig der erſte Juriſt des Landes ſei, und daß<lb/>
man ſeinen Verluſt als wirkender Staatsbuͤrger<lb/>
nie zu hoch anſchlagen koͤnne. Aber er hatte ein<lb/>
großes Vermoͤgen, und der Juriſtenkram ſchien<lb/>
ihm zuwider zu ſein. Verdenken konnte ich es<lb/>
dem Manne nicht, daß er jetzt nur ſich ſelbſt<lb/>
lebte, wenn gleich hiermit meine Hoffnung, er<lb/>
werde mir helfen koͤnnen, merklich ſinken mußte.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[116/0122]
Freundſchaft, keine Huͤlfe mogte ich mehr glauben,
und gab mich der finſterſten Wehmuth hin. Da
fielen mir wieder die alten Prozeßacten ein, der
Gedanke, daß der Streit fuͤr mich noch zu gewinnen
ſei, gab mir neue Spannkraft, und ich ſammelte
Alles, was auf die Sache Bezug hatte. Eine
Meile von der Reſidenz lebte ein ausgezeichneter
Rechtsgelehrter aus ſeinen weitlaͤufigen Beſitzungen;
er hatte ſeine Geſchaͤfte aber laͤngſt niedergelegt,
und gab nur zuweilen einem Freunde guten
Rath. An ihn beſchloß ich mich zu wenden; ich
verfertigte mit unſaͤglicher Muͤhe einen gedraͤngten
Auszug aus den Acten, und machte mich damit
eines Tags nach dem ehemaligen Notar auf den
Weg. Ich hatte eine Menge Sonderbarkeiten
von dem Manne erfahren, aber keine derſelben
konnte meinen Entſchluß wankend machen, weil
man durchgaͤngig darin uͤbereinſtimmte, daß Herr
Maiberg, dies war der Name des Mannes, un¬
ſtreitig der erſte Juriſt des Landes ſei, und daß
man ſeinen Verluſt als wirkender Staatsbuͤrger
nie zu hoch anſchlagen koͤnne. Aber er hatte ein
großes Vermoͤgen, und der Juriſtenkram ſchien
ihm zuwider zu ſein. Verdenken konnte ich es
dem Manne nicht, daß er jetzt nur ſich ſelbſt
lebte, wenn gleich hiermit meine Hoffnung, er
werde mir helfen koͤnnen, merklich ſinken mußte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/122>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.