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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Freiherr sagte ja. An einem Herbsttage, es war
am 23sten October, erschien die ersehnte Stunde,
wo ich zu Antonie ging, um mich an Mariens
Trost und Liebe zu erholen, denn Maibergs
Nachrichten hatten mich traurig gemacht, aber
mein Glück sollte gebrochen werden. Ich fand meine
Marie bereits im Garten; wir gingen Arm in
Arm durch die lauschigen Gänge, und ich theilte
ihr meine Aussicht mit, vielleicht in ein Regiment
eintreten zu können, das in dieser Zeit organisirt
wurde. Sie sprach ihre Zufriedenheit darüber
aus, und war eben im Begriff nach meiner
Rechtsangelegenheit zu fragen, als Antonie ganz
erschrocken und bleich heraneilte, und uns zuwinkte;
ich wollte fragen, was ihr zugestoßen sei, da
vertrat mir plötzlich der alte Freiherr v. Struen,
Mariens Vater, mit höhnischer und halb zorniger
Miene den Weg. Ich faßte mich schnell, und
wollte reden, allein er wendete mir den Rücken, und
sagte zu der beinahe ohnmächtigen Marie, indem
er sie ungestüm bei der Hand ergriff: "Ungera¬
thenes, entartetes Kind, muß ich Dich hier in
solch sauberer Gesellschaft, in den Armen eines
ehrvergessenen Verführers aufsuchen?!" "Herr!"
begann ich im höchsten Grade beleidigt, "nur
der Zorn giebt Ihnen dies übereilte Wort ein!
Wüßten Sie, wie treu ich Marien liebe, wie --"

Freiherr ſagte ja. An einem Herbſttage, es war
am 23ſten October, erſchien die erſehnte Stunde,
wo ich zu Antonie ging, um mich an Mariens
Troſt und Liebe zu erholen, denn Maibergs
Nachrichten hatten mich traurig gemacht, aber
mein Gluͤck ſollte gebrochen werden. Ich fand meine
Marie bereits im Garten; wir gingen Arm in
Arm durch die lauſchigen Gaͤnge, und ich theilte
ihr meine Ausſicht mit, vielleicht in ein Regiment
eintreten zu koͤnnen, das in dieſer Zeit organiſirt
wurde. Sie ſprach ihre Zufriedenheit daruͤber
aus, und war eben im Begriff nach meiner
Rechtsangelegenheit zu fragen, als Antonie ganz
erſchrocken und bleich heraneilte, und uns zuwinkte;
ich wollte fragen, was ihr zugeſtoßen ſei, da
vertrat mir ploͤtzlich der alte Freiherr v. Struen,
Mariens Vater, mit hoͤhniſcher und halb zorniger
Miene den Weg. Ich faßte mich ſchnell, und
wollte reden, allein er wendete mir den Ruͤcken, und
ſagte zu der beinahe ohnmaͤchtigen Marie, indem
er ſie ungeſtuͤm bei der Hand ergriff: „Ungera¬
thenes, entartetes Kind, muß ich Dich hier in
ſolch ſauberer Geſellſchaft, in den Armen eines
ehrvergeſſenen Verfuͤhrers aufſuchen?!“ „Herr!“
begann ich im hoͤchſten Grade beleidigt, „nur
der Zorn giebt Ihnen dies uͤbereilte Wort ein!
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[150/0156] Freiherr ſagte ja. An einem Herbſttage, es war am 23ſten October, erſchien die erſehnte Stunde, wo ich zu Antonie ging, um mich an Mariens Troſt und Liebe zu erholen, denn Maibergs Nachrichten hatten mich traurig gemacht, aber mein Gluͤck ſollte gebrochen werden. Ich fand meine Marie bereits im Garten; wir gingen Arm in Arm durch die lauſchigen Gaͤnge, und ich theilte ihr meine Ausſicht mit, vielleicht in ein Regiment eintreten zu koͤnnen, das in dieſer Zeit organiſirt wurde. Sie ſprach ihre Zufriedenheit daruͤber aus, und war eben im Begriff nach meiner Rechtsangelegenheit zu fragen, als Antonie ganz erſchrocken und bleich heraneilte, und uns zuwinkte; ich wollte fragen, was ihr zugeſtoßen ſei, da vertrat mir ploͤtzlich der alte Freiherr v. Struen, Mariens Vater, mit hoͤhniſcher und halb zorniger Miene den Weg. Ich faßte mich ſchnell, und wollte reden, allein er wendete mir den Ruͤcken, und ſagte zu der beinahe ohnmaͤchtigen Marie, indem er ſie ungeſtuͤm bei der Hand ergriff: „Ungera¬ thenes, entartetes Kind, muß ich Dich hier in ſolch ſauberer Geſellſchaft, in den Armen eines ehrvergeſſenen Verfuͤhrers aufſuchen?!“ „Herr!“ begann ich im hoͤchſten Grade beleidigt, „nur der Zorn giebt Ihnen dies uͤbereilte Wort ein! Wuͤßten Sie, wie treu ich Marien liebe, wie —“

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/156>, abgerufen am 25.05.2024.