mir Maiberg, meine Vermuthung sei eingetroffen, und auch dieser Plan fehlgeschlagen. Der Lega¬ tionsrath war durch den Probst, seinen Oheim, von meiner Angelegenheit unterrichtet worden; er eilte zu mir mit der Nachricht, daß Marie wahrscheinlich einem Grafen die Hand reichen werde, der schon früher um sie geworben, der aber die Residenz noch nicht wieder betreten. Seinen Namen wisse er nicht, doch müsse er wahrscheinlich Marien bereits im Hause ihres mütterlichen Großvaters in N. kennen gelernt haben.
Die Residenz ekelte mich an; Maibergs freundschaftliches Anerbieten, zu ihm zu ziehn auf sein freundliches Landgut, schlug ich nicht aus, und nahm mit warmen Thränen von An¬ tonien und ihrer Mutter auf eine lange Zeit Ab¬ schied. Nach einem halben Jahre hörte ich, daß der stolze Freiherr, der allenthalben durch sein anmaßendes Wesen angestoßen, die Residenz ver¬ lassen habe, weil er bei Hofe in Ungnade gefallen sei. Sechs Monat später erschallte die Nachricht, Marie sei vermählt, doch herrschten verschiedene Ansichten darüber, wer ihr Gemahl sei. Daß die Arme gezwungen war, bezweifelte ich nicht, und suchte ein thätiges Leben auf. Mein Prozeß war nach Jahresfrist gewonnen; aber ich konnte
mir Maiberg, meine Vermuthung ſei eingetroffen, und auch dieſer Plan fehlgeſchlagen. Der Lega¬ tionsrath war durch den Probſt, ſeinen Oheim, von meiner Angelegenheit unterrichtet worden; er eilte zu mir mit der Nachricht, daß Marie wahrſcheinlich einem Grafen die Hand reichen werde, der ſchon fruͤher um ſie geworben, der aber die Reſidenz noch nicht wieder betreten. Seinen Namen wiſſe er nicht, doch muͤſſe er wahrſcheinlich Marien bereits im Hauſe ihres muͤtterlichen Großvaters in N. kennen gelernt haben.
Die Reſidenz ekelte mich an; Maibergs freundſchaftliches Anerbieten, zu ihm zu ziehn auf ſein freundliches Landgut, ſchlug ich nicht aus, und nahm mit warmen Thraͤnen von An¬ tonien und ihrer Mutter auf eine lange Zeit Ab¬ ſchied. Nach einem halben Jahre hoͤrte ich, daß der ſtolze Freiherr, der allenthalben durch ſein anmaßendes Weſen angeſtoßen, die Reſidenz ver¬ laſſen habe, weil er bei Hofe in Ungnade gefallen ſei. Sechs Monat ſpaͤter erſchallte die Nachricht, Marie ſei vermaͤhlt, doch herrſchten verſchiedene Anſichten daruͤber, wer ihr Gemahl ſei. Daß die Arme gezwungen war, bezweifelte ich nicht, und ſuchte ein thaͤtiges Leben auf. Mein Prozeß war nach Jahresfriſt gewonnen; aber ich konnte
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mir Maiberg, meine Vermuthung ſei eingetroffen,
und auch dieſer Plan fehlgeſchlagen. Der Lega¬
tionsrath war durch den Probſt, ſeinen Oheim,
von meiner Angelegenheit unterrichtet worden;
er eilte zu mir mit der Nachricht, daß Marie
wahrſcheinlich einem Grafen die Hand reichen
werde, der ſchon fruͤher um ſie geworben, der
aber die Reſidenz noch nicht wieder betreten.
Seinen Namen wiſſe er nicht, doch muͤſſe er
wahrſcheinlich Marien bereits im Hauſe ihres
muͤtterlichen Großvaters in N. kennen gelernt haben.
Die Reſidenz ekelte mich an; Maibergs
freundſchaftliches Anerbieten, zu ihm zu ziehn
auf ſein freundliches Landgut, ſchlug ich nicht
aus, und nahm mit warmen Thraͤnen von An¬
tonien und ihrer Mutter auf eine lange Zeit Ab¬
ſchied. Nach einem halben Jahre hoͤrte ich, daß
der ſtolze Freiherr, der allenthalben durch ſein
anmaßendes Weſen angeſtoßen, die Reſidenz ver¬
laſſen habe, weil er bei Hofe in Ungnade gefallen
ſei. Sechs Monat ſpaͤter erſchallte die Nachricht,
Marie ſei vermaͤhlt, doch herrſchten verſchiedene
Anſichten daruͤber, wer ihr Gemahl ſei. Daß
die Arme gezwungen war, bezweifelte ich nicht,
und ſuchte ein thaͤtiges Leben auf. Mein Prozeß
war nach Jahresfriſt gewonnen; aber ich konnte
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/161>, abgerufen am 20.02.2025.
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