die Jugendgeliebte meines unvergeßlichen Vaters war, daß, als das harte Geschick der Liebenden Bund entzweit, Du mir zum Weibe bestimmt wurdest. Hast Du nie hiervon etwas erfahren?"
"Mein Mütterchen Deines Vaters Geliebte?" fragte Tina voller Verwunderung. Ja, jetzt geht mir ein Licht auf! Ich war noch ein Kind, da begleitete ich meine Mutter in's Bad, und es begegnete uns ein schöner Mann, der mir Blumen schenkte, und meine Mutter war betroffen bei seinem Anblick. Sie redeten viel mit einander, und der freundliche Mann nahm mich auf seinen Schooß, und hatte mich sehr lieb. Sollte das Dein Vater gewesen sein?"
"Er war es!" erwiederte Blauenstein voll Rührung.
"Aber," fuhr Tina fort, "er reis'te plötzlich ab, meine Mutter weinte viel, und schrieb immer in ein Buch ihre Gedanken nieder, das ich noch jetzt habe."
"Mein Vater hat mir die Geschichte seiner Jugendliebe schriftlich hinterlassen," nahm Blauen¬ stein das Wort; "ich habe sie mit mir genom¬
die Jugendgeliebte meines unvergeßlichen Vaters war, daß, als das harte Geſchick der Liebenden Bund entzweit, Du mir zum Weibe beſtimmt wurdeſt. Haſt Du nie hiervon etwas erfahren?“
„Mein Muͤtterchen Deines Vaters Geliebte?“ fragte Tina voller Verwunderung. Ja, jetzt geht mir ein Licht auf! Ich war noch ein Kind, da begleitete ich meine Mutter in's Bad, und es begegnete uns ein ſchoͤner Mann, der mir Blumen ſchenkte, und meine Mutter war betroffen bei ſeinem Anblick. Sie redeten viel mit einander, und der freundliche Mann nahm mich auf ſeinen Schooß, und hatte mich ſehr lieb. Sollte das Dein Vater geweſen ſein?“
„Er war es!“ erwiederte Blauenſtein voll Ruͤhrung.
„Aber,“ fuhr Tina fort, „er reiſ'te ploͤtzlich ab, meine Mutter weinte viel, und ſchrieb immer in ein Buch ihre Gedanken nieder, das ich noch jetzt habe.“
„Mein Vater hat mir die Geſchichte ſeiner Jugendliebe ſchriftlich hinterlaſſen,“ nahm Blauen¬ ſtein das Wort; „ich habe ſie mit mir genom¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0191"n="185"/>
die Jugendgeliebte meines unvergeßlichen Vaters<lb/>
war, daß, als das harte Geſchick der Liebenden<lb/>
Bund entzweit, Du mir zum Weibe beſtimmt<lb/>
wurdeſt. Haſt Du nie hiervon etwas erfahren?“</p><lb/><p>„Mein Muͤtterchen Deines Vaters Geliebte?“<lb/>
fragte Tina voller Verwunderung. Ja, jetzt geht<lb/>
mir ein Licht auf! Ich war noch ein Kind, da<lb/>
begleitete ich meine Mutter in's Bad, und es<lb/>
begegnete uns ein ſchoͤner Mann, der mir Blumen<lb/>ſchenkte, und meine Mutter war betroffen bei<lb/>ſeinem Anblick. Sie redeten viel mit einander,<lb/>
und der freundliche Mann nahm mich auf ſeinen<lb/>
Schooß, und hatte mich ſehr lieb. Sollte das<lb/>
Dein Vater geweſen ſein?“</p><lb/><p>„Er war es!“ erwiederte Blauenſtein voll<lb/>
Ruͤhrung.</p><lb/><p>„Aber,“ fuhr Tina fort, „er reiſ'te ploͤtzlich<lb/>
ab, meine Mutter weinte viel, und ſchrieb immer<lb/>
in ein Buch ihre Gedanken nieder, das ich noch<lb/>
jetzt habe.“</p><lb/><p>„Mein Vater hat mir die Geſchichte ſeiner<lb/>
Jugendliebe ſchriftlich hinterlaſſen,“ nahm Blauen¬<lb/>ſtein das Wort; „ich habe ſie mit mir genom¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[185/0191]
die Jugendgeliebte meines unvergeßlichen Vaters
war, daß, als das harte Geſchick der Liebenden
Bund entzweit, Du mir zum Weibe beſtimmt
wurdeſt. Haſt Du nie hiervon etwas erfahren?“
„Mein Muͤtterchen Deines Vaters Geliebte?“
fragte Tina voller Verwunderung. Ja, jetzt geht
mir ein Licht auf! Ich war noch ein Kind, da
begleitete ich meine Mutter in's Bad, und es
begegnete uns ein ſchoͤner Mann, der mir Blumen
ſchenkte, und meine Mutter war betroffen bei
ſeinem Anblick. Sie redeten viel mit einander,
und der freundliche Mann nahm mich auf ſeinen
Schooß, und hatte mich ſehr lieb. Sollte das
Dein Vater geweſen ſein?“
„Er war es!“ erwiederte Blauenſtein voll
Ruͤhrung.
„Aber,“ fuhr Tina fort, „er reiſ'te ploͤtzlich
ab, meine Mutter weinte viel, und ſchrieb immer
in ein Buch ihre Gedanken nieder, das ich noch
jetzt habe.“
„Mein Vater hat mir die Geſchichte ſeiner
Jugendliebe ſchriftlich hinterlaſſen,“ nahm Blauen¬
ſtein das Wort; „ich habe ſie mit mir genom¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/191>, abgerufen am 20.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.