men, und Du magst sie selbst lesen, meine Tina. Jetzt sage mir, mein heilig geliebtes Mädchen, wo liegt die Hülle Deiner Mutter begraben? Ich mögte an ihrem Grabe sie um ihren Segen bitten, sie soll unserm Bunde die Weihe geben!"
"Hast Du am See die Rosenlaube noch nicht bemerkt?" fragte Tina, und eine Thräne drängte sich unter den seidenen Wimpern hervor. "Da ist ihre Ruhestätte. Sie mogte nicht in unser Erbbegräbniß, und noch gestern habe ich einen Rosenstock selbst dorthin gepflanzt, wo mein Mütterchen schlummert."
Oncle Heinrich klopfte jetzt an die Thüre, steckte den Kopf neugierig herein, und fragte mit so drolliger Betonung, ob Alles richtig und abge¬ macht sei, daß das ernste Paar in lautes Lachen ausbrach, und Blauenstein auf Tinas Bitten unter feurigen Küssen Abschied auf einige Stun¬ den von ihr nahm.
Heinrich zog ihn hinaus in's Freie, jauchzte vor innerer Freude laut auf und sagte: "Lieber, englischer Freund, Dir vor allen gönne ich unser Tinchen von ganzer Seele, und eine Hochzeit wollen wir feiern, die sich gewaschen
men, und Du magſt ſie ſelbſt leſen, meine Tina. Jetzt ſage mir, mein heilig geliebtes Maͤdchen, wo liegt die Huͤlle Deiner Mutter begraben? Ich moͤgte an ihrem Grabe ſie um ihren Segen bitten, ſie ſoll unſerm Bunde die Weihe geben!“
„Haſt Du am See die Roſenlaube noch nicht bemerkt?“ fragte Tina, und eine Thraͤne draͤngte ſich unter den ſeidenen Wimpern hervor. „Da iſt ihre Ruheſtaͤtte. Sie mogte nicht in unſer Erbbegraͤbniß, und noch geſtern habe ich einen Roſenſtock ſelbſt dorthin gepflanzt, wo mein Muͤtterchen ſchlummert.“
Oncle Heinrich klopfte jetzt an die Thuͤre, ſteckte den Kopf neugierig herein, und fragte mit ſo drolliger Betonung, ob Alles richtig und abge¬ macht ſei, daß das ernſte Paar in lautes Lachen ausbrach, und Blauenſtein auf Tinas Bitten unter feurigen Kuͤſſen Abſchied auf einige Stun¬ den von ihr nahm.
Heinrich zog ihn hinaus in's Freie, jauchzte vor innerer Freude laut auf und ſagte: „Lieber, engliſcher Freund, Dir vor allen goͤnne ich unſer Tinchen von ganzer Seele, und eine Hochzeit wollen wir feiern, die ſich gewaſchen
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men, und Du magſt ſie ſelbſt leſen, meine Tina.
Jetzt ſage mir, mein heilig geliebtes Maͤdchen,
wo liegt die Huͤlle Deiner Mutter begraben?
Ich moͤgte an ihrem Grabe ſie um ihren Segen
bitten, ſie ſoll unſerm Bunde die Weihe geben!“
„Haſt Du am See die Roſenlaube noch nicht
bemerkt?“ fragte Tina, und eine Thraͤne draͤngte
ſich unter den ſeidenen Wimpern hervor. „Da
iſt ihre Ruheſtaͤtte. Sie mogte nicht in unſer
Erbbegraͤbniß, und noch geſtern habe ich einen
Roſenſtock ſelbſt dorthin gepflanzt, wo mein
Muͤtterchen ſchlummert.“
Oncle Heinrich klopfte jetzt an die Thuͤre,
ſteckte den Kopf neugierig herein, und fragte mit
ſo drolliger Betonung, ob Alles richtig und abge¬
macht ſei, daß das ernſte Paar in lautes Lachen
ausbrach, und Blauenſtein auf Tinas Bitten
unter feurigen Kuͤſſen Abſchied auf einige Stun¬
den von ihr nahm.
Heinrich zog ihn hinaus in's Freie, jauchzte
vor innerer Freude laut auf und ſagte:
„Lieber, engliſcher Freund, Dir vor allen goͤnne
ich unſer Tinchen von ganzer Seele, und eine
Hochzeit wollen wir feiern, die ſich gewaſchen
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/192>, abgerufen am 20.02.2025.
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