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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Man stieg ein; Blauenstein, wurde er nicht
vom Grafen für einen Menschen aus einem
gewöhnlichen, wenn auch nicht niedern, Stande
gehalten, ließ dies vielleicht seine bestäubte Rei¬
sekleidung vermuthen? Blauenstein nahm gern
mit dem Rücksitze vorlieb; hier saß er der lieb¬
lichen Jungfrau gegenüber, hier konnte er ihr in
die reine Tiefe ihres Seelenauges blicken! --
Der alte Herr bat wegen seines Stillschweigens,
was ihm die gehabte heftige Erschütterung auf¬
erlege, um Entschuldigung, und beauftragte seine
Tochter, den Gast vor Langerweile zu schützen.
Aber die edlen Rosse griffen weit aus, als wollten
sie die Sonne einholen, die sich in purpurnes
Gewölk hüllte, und der schaukelnde Wagen flog
durch das geöffnete Gatter eines dichtlaubigen
Thiergartens. Solche Bestände gab es nicht
weiter im Lande; die Blumenauer Jagd war
weit und breit berühmt, und das scheu vorbeiei¬
lende, feiste Wildprett bestärkte diese gute
Meinung.

"Ich bewundere diese romantische Gegend, diese
trefflichen Waldungen," hob Blauenstein an, sich
an seine Nachbarin wendend, mit welcher er bei¬
nahe noch kein Wort geredet hatte; "eine passende
Einleitung zu dem Allen, was meiner noch 'wartet."

Man ſtieg ein; Blauenſtein, wurde er nicht
vom Grafen fuͤr einen Menſchen aus einem
gewoͤhnlichen, wenn auch nicht niedern, Stande
gehalten, ließ dies vielleicht ſeine beſtaͤubte Rei¬
ſekleidung vermuthen? Blauenſtein nahm gern
mit dem Ruͤckſitze vorlieb; hier ſaß er der lieb¬
lichen Jungfrau gegenuͤber, hier konnte er ihr in
die reine Tiefe ihres Seelenauges blicken! —
Der alte Herr bat wegen ſeines Stillſchweigens,
was ihm die gehabte heftige Erſchuͤtterung auf¬
erlege, um Entſchuldigung, und beauftragte ſeine
Tochter, den Gaſt vor Langerweile zu ſchuͤtzen.
Aber die edlen Roſſe griffen weit aus, als wollten
ſie die Sonne einholen, die ſich in purpurnes
Gewoͤlk huͤllte, und der ſchaukelnde Wagen flog
durch das geoͤffnete Gatter eines dichtlaubigen
Thiergartens. Solche Beſtaͤnde gab es nicht
weiter im Lande; die Blumenauer Jagd war
weit und breit beruͤhmt, und das ſcheu vorbeiei¬
lende, feiſte Wildprett beſtaͤrkte dieſe gute
Meinung.

„Ich bewundere dieſe romantiſche Gegend, dieſe
trefflichen Waldungen,“ hob Blauenſtein an, ſich
an ſeine Nachbarin wendend, mit welcher er bei¬
nahe noch kein Wort geredet hatte; „eine paſſende
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[14/0020] Man ſtieg ein; Blauenſtein, wurde er nicht vom Grafen fuͤr einen Menſchen aus einem gewoͤhnlichen, wenn auch nicht niedern, Stande gehalten, ließ dies vielleicht ſeine beſtaͤubte Rei¬ ſekleidung vermuthen? Blauenſtein nahm gern mit dem Ruͤckſitze vorlieb; hier ſaß er der lieb¬ lichen Jungfrau gegenuͤber, hier konnte er ihr in die reine Tiefe ihres Seelenauges blicken! — Der alte Herr bat wegen ſeines Stillſchweigens, was ihm die gehabte heftige Erſchuͤtterung auf¬ erlege, um Entſchuldigung, und beauftragte ſeine Tochter, den Gaſt vor Langerweile zu ſchuͤtzen. Aber die edlen Roſſe griffen weit aus, als wollten ſie die Sonne einholen, die ſich in purpurnes Gewoͤlk huͤllte, und der ſchaukelnde Wagen flog durch das geoͤffnete Gatter eines dichtlaubigen Thiergartens. Solche Beſtaͤnde gab es nicht weiter im Lande; die Blumenauer Jagd war weit und breit beruͤhmt, und das ſcheu vorbeiei¬ lende, feiſte Wildprett beſtaͤrkte dieſe gute Meinung. „Ich bewundere dieſe romantiſche Gegend, dieſe trefflichen Waldungen,“ hob Blauenſtein an, ſich an ſeine Nachbarin wendend, mit welcher er bei¬ nahe noch kein Wort geredet hatte; „eine paſſende Einleitung zu dem Allen, was meiner noch 'wartet.“

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/20>, abgerufen am 21.11.2024.