als ein einziger betrachten, um so eher können wir unsere Hauptunternehmung zu einem Hauptstoß vereinfachen; und so lange dies irgend möglich ist, bleibt es das durchgrei- fendste Mittel zum Erfolg.
Wir würden also den Grundsatz aufstellen, daß, so lange wir im Stande sind die übrigen Gegner in einem zu besiegen, die Niederwerfung dieses einen das Ziel des Krieges sein muß, weil wir in diesem einen den gemein- schaftlichen Schwerpunkt des ganzen Krieges treffen.
Es giebt sehr wenig Fälle wo diese Vorstellungsart nicht zulässig, wo diese Reduction mehrerer Schwerpunkte auf einen ohne Realität wäre. Wo dies aber nicht ist, bleibt freilich Nichts übrig als den Krieg wie zwei oder mehrere zu betrachten, wovon jeder sein eigenes Ziel hat. Da dieser Fall die Selbstständigkeit mehrerer Feinde, folg- lich die große Überlegenheit aller voraussetzt, so wird darin von Niederwerfung des Gegners überhaupt nicht die Rede sein können.
Wir wenden uns nun bestimmter zu der Frage, wann ein solches Ziel möglich und rathsam ist.
Zuerst muß unsere Streitkraft hinreichend sein:
1. einen entscheidenden Sieg über die feindliche zu er- halten;
2. den Kraftaufwand zu machen welcher nöthig ist wenn wir den Sieg bis auf den Punkt verfolgen wo die Herstellung des Gleichgewichts nicht mehr denkbar ist.
Sodann müssen wir nach unserer politischen Lage sicher sein durch einen solchen Erfolg nicht Feinde zu erwecken, die uns auf der Stelle zwingen können von dem ersten Gegner abzulassen.
Frankreich konnte im Jahr 1806 Preußen völlig niederwerfen, wenn es sich auch dadurch die ganze russische
als ein einziger betrachten, um ſo eher koͤnnen wir unſere Hauptunternehmung zu einem Hauptſtoß vereinfachen; und ſo lange dies irgend moͤglich iſt, bleibt es das durchgrei- fendſte Mittel zum Erfolg.
Wir wuͤrden alſo den Grundſatz aufſtellen, daß, ſo lange wir im Stande ſind die uͤbrigen Gegner in einem zu beſiegen, die Niederwerfung dieſes einen das Ziel des Krieges ſein muß, weil wir in dieſem einen den gemein- ſchaftlichen Schwerpunkt des ganzen Krieges treffen.
Es giebt ſehr wenig Faͤlle wo dieſe Vorſtellungsart nicht zulaͤſſig, wo dieſe Reduction mehrerer Schwerpunkte auf einen ohne Realitaͤt waͤre. Wo dies aber nicht iſt, bleibt freilich Nichts uͤbrig als den Krieg wie zwei oder mehrere zu betrachten, wovon jeder ſein eigenes Ziel hat. Da dieſer Fall die Selbſtſtaͤndigkeit mehrerer Feinde, folg- lich die große Überlegenheit aller vorausſetzt, ſo wird darin von Niederwerfung des Gegners uͤberhaupt nicht die Rede ſein koͤnnen.
Wir wenden uns nun beſtimmter zu der Frage, wann ein ſolches Ziel moͤglich und rathſam iſt.
Zuerſt muß unſere Streitkraft hinreichend ſein:
1. einen entſcheidenden Sieg uͤber die feindliche zu er- halten;
2. den Kraftaufwand zu machen welcher noͤthig iſt wenn wir den Sieg bis auf den Punkt verfolgen wo die Herſtellung des Gleichgewichts nicht mehr denkbar iſt.
Sodann muͤſſen wir nach unſerer politiſchen Lage ſicher ſein durch einen ſolchen Erfolg nicht Feinde zu erwecken, die uns auf der Stelle zwingen koͤnnen von dem erſten Gegner abzulaſſen.
Frankreich konnte im Jahr 1806 Preußen voͤllig niederwerfen, wenn es ſich auch dadurch die ganze ruſſiſche
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als ein einziger betrachten, um ſo eher koͤnnen wir unſere
Hauptunternehmung zu einem Hauptſtoß vereinfachen; und
ſo lange dies irgend moͤglich iſt, bleibt es das durchgrei-
fendſte Mittel zum Erfolg.
Wir wuͤrden alſo den Grundſatz aufſtellen, daß, ſo
lange wir im Stande ſind die uͤbrigen Gegner in einem
zu beſiegen, die Niederwerfung dieſes einen das Ziel des
Krieges ſein muß, weil wir in dieſem einen den gemein-
ſchaftlichen Schwerpunkt des ganzen Krieges treffen.
Es giebt ſehr wenig Faͤlle wo dieſe Vorſtellungsart
nicht zulaͤſſig, wo dieſe Reduction mehrerer Schwerpunkte
auf einen ohne Realitaͤt waͤre. Wo dies aber nicht iſt,
bleibt freilich Nichts uͤbrig als den Krieg wie zwei oder
mehrere zu betrachten, wovon jeder ſein eigenes Ziel hat.
Da dieſer Fall die Selbſtſtaͤndigkeit mehrerer Feinde, folg-
lich die große Überlegenheit aller vorausſetzt, ſo wird darin
von Niederwerfung des Gegners uͤberhaupt nicht die Rede
ſein koͤnnen.
Wir wenden uns nun beſtimmter zu der Frage, wann
ein ſolches Ziel moͤglich und rathſam iſt.
Zuerſt muß unſere Streitkraft hinreichend ſein:
1. einen entſcheidenden Sieg uͤber die feindliche zu er-
halten;
2. den Kraftaufwand zu machen welcher noͤthig iſt wenn
wir den Sieg bis auf den Punkt verfolgen wo die
Herſtellung des Gleichgewichts nicht mehr denkbar iſt.
Sodann muͤſſen wir nach unſerer politiſchen Lage ſicher
ſein durch einen ſolchen Erfolg nicht Feinde zu erwecken,
die uns auf der Stelle zwingen koͤnnen von dem erſten
Gegner abzulaſſen.
Frankreich konnte im Jahr 1806 Preußen voͤllig
niederwerfen, wenn es ſich auch dadurch die ganze ruſſiſche
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/139>, abgerufen am 16.02.2025.
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