Hauptpunkt mit dem Vorschreiten auf Nebenpunkten genau Schritt halte, und daß folglich jedesmal mit dem Haupt- unternehmen innegehalten werde wenn die Nebenpunkte des Feindes nicht weichen wollen.
Dieser Grundsatz würde dem unsrigen, Alles in eine Haupthandlung so viel als möglich zu vereinigen, zwar nicht geradezu widersprechen, allein der Geist, aus welchem er entspringt, ist dem Geist, in welchem der unsrige ge- dacht ist, vollkommen entgegen. Aus diesem Grundsatz würde ein solches Abmessen der Bewegung, ein solches Lähmen der Stoßkraft, ein solches Spiel von Zufällen, ein solcher Zeitverlust entstehen, daß er sich mit einer Of- fensive, die auf die Niederwerfung des Gegners gerichtet ist, praktisch durchaus nicht verträgt.
Die Schwierigkeit wird noch größer wenn die Kräfte dieser Nebenpunkte sich excentrisch zurückziehen können -- was würde da aus der Einheit unseres Stoßes werden?
Wir müssen uns also gegen die Abhängigkeit des Hauptangriffs von den Nebenpunkten als Grundsatz durch- aus erklären, und behaupten: daß ein auf das Niederwerfen des Gegners gerichteter Angriff, der nicht die Kühnheit hat wie eine Pfeilspitze gegen das Herz des feindlichen Staates hinzuschießen, sein Ziel nicht erreichen kann.
4. Endlich liegt noch in der Erleichterung des Un- terhaltes ein vierter Grund zum getrennten Vorgehen.
Es ist freilich viel angenehmer mit einer kleinen Armee durch eine wohlhabende Provinz zu ziehen, als mit einer großen durch eine arme; aber bei zweckmäßigen Maaßregeln und einem an Entbehrung gewöhnten Heere ist das Letztere nicht unmöglich, und es sollte also das Erstere niemals so viel Einfluß auf unsere Entschlüsse haben um uns einer großen Gefahr auszusetzen.
Hauptpunkt mit dem Vorſchreiten auf Nebenpunkten genau Schritt halte, und daß folglich jedesmal mit dem Haupt- unternehmen innegehalten werde wenn die Nebenpunkte des Feindes nicht weichen wollen.
Dieſer Grundſatz wuͤrde dem unſrigen, Alles in eine Haupthandlung ſo viel als moͤglich zu vereinigen, zwar nicht geradezu widerſprechen, allein der Geiſt, aus welchem er entſpringt, iſt dem Geiſt, in welchem der unſrige ge- dacht iſt, vollkommen entgegen. Aus dieſem Grundſatz wuͤrde ein ſolches Abmeſſen der Bewegung, ein ſolches Laͤhmen der Stoßkraft, ein ſolches Spiel von Zufaͤllen, ein ſolcher Zeitverluſt entſtehen, daß er ſich mit einer Of- fenſive, die auf die Niederwerfung des Gegners gerichtet iſt, praktiſch durchaus nicht vertraͤgt.
Die Schwierigkeit wird noch groͤßer wenn die Kraͤfte dieſer Nebenpunkte ſich excentriſch zuruͤckziehen koͤnnen — was wuͤrde da aus der Einheit unſeres Stoßes werden?
Wir muͤſſen uns alſo gegen die Abhaͤngigkeit des Hauptangriffs von den Nebenpunkten als Grundſatz durch- aus erklaͤren, und behaupten: daß ein auf das Niederwerfen des Gegners gerichteter Angriff, der nicht die Kuͤhnheit hat wie eine Pfeilſpitze gegen das Herz des feindlichen Staates hinzuſchießen, ſein Ziel nicht erreichen kann.
4. Endlich liegt noch in der Erleichterung des Un- terhaltes ein vierter Grund zum getrennten Vorgehen.
Es iſt freilich viel angenehmer mit einer kleinen Armee durch eine wohlhabende Provinz zu ziehen, als mit einer großen durch eine arme; aber bei zweckmaͤßigen Maaßregeln und einem an Entbehrung gewoͤhnten Heere iſt das Letztere nicht unmoͤglich, und es ſollte alſo das Erſtere niemals ſo viel Einfluß auf unſere Entſchluͤſſe haben um uns einer großen Gefahr auszuſetzen.
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Hauptpunkt mit dem Vorſchreiten auf Nebenpunkten genau
Schritt halte, und daß folglich jedesmal mit dem Haupt-
unternehmen innegehalten werde wenn die Nebenpunkte des
Feindes nicht weichen wollen.
Dieſer Grundſatz wuͤrde dem unſrigen, Alles in eine
Haupthandlung ſo viel als moͤglich zu vereinigen, zwar
nicht geradezu widerſprechen, allein der Geiſt, aus welchem
er entſpringt, iſt dem Geiſt, in welchem der unſrige ge-
dacht iſt, vollkommen entgegen. Aus dieſem Grundſatz
wuͤrde ein ſolches Abmeſſen der Bewegung, ein ſolches
Laͤhmen der Stoßkraft, ein ſolches Spiel von Zufaͤllen,
ein ſolcher Zeitverluſt entſtehen, daß er ſich mit einer Of-
fenſive, die auf die Niederwerfung des Gegners gerichtet
iſt, praktiſch durchaus nicht vertraͤgt.
Die Schwierigkeit wird noch groͤßer wenn die Kraͤfte
dieſer Nebenpunkte ſich excentriſch zuruͤckziehen koͤnnen —
was wuͤrde da aus der Einheit unſeres Stoßes werden?
Wir muͤſſen uns alſo gegen die Abhaͤngigkeit des
Hauptangriffs von den Nebenpunkten als Grundſatz durch-
aus erklaͤren, und behaupten: daß ein auf das Niederwerfen
des Gegners gerichteter Angriff, der nicht die Kuͤhnheit
hat wie eine Pfeilſpitze gegen das Herz des feindlichen
Staates hinzuſchießen, ſein Ziel nicht erreichen kann.
4. Endlich liegt noch in der Erleichterung des Un-
terhaltes ein vierter Grund zum getrennten Vorgehen.
Es iſt freilich viel angenehmer mit einer kleinen
Armee durch eine wohlhabende Provinz zu ziehen, als mit
einer großen durch eine arme; aber bei zweckmaͤßigen
Maaßregeln und einem an Entbehrung gewoͤhnten Heere
iſt das Letztere nicht unmoͤglich, und es ſollte alſo das
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/186>, abgerufen am 27.11.2024.
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