zu liefern die einen entscheidenden Sieg versprechen, muß die Tendenz der Feldherren sein; diesem Zweck müssen sie Alles aufopfern und sich übrigens in Belagerungen, Ein- schließungen, Besatzungen u. s. w. mit so Wenigem als möglich behelfen. Wenn sie, wie Schwarzenberg im Jahre 1814 that, sobald sie das feindliche Gebiet betreten in excentrischen Radien auseinandergehen, so ist Alles verloren, und die Verbündeten verdankten im Jahre 1814 es nur der Ohnmacht Frankreichs daß nicht in den ersten vierzehn Tagen wirklich Alles verloren ging. Der Angriff soll einem kräftig getriebenen Pfeil und nicht einer Seifenblase gleichen die sich bis zum Zerplatzen ausdehnt.
Zweitens: Die Schweiz muß man ihren eigenen Kräften überlassen. Bleibt sie neutral, so hat man am Oberrhein einen guten Anlehnungspunkt; wird sie von Frankreich angegriffen, so mag sie sich ihrer Haut wehren, wozu sie im mehr als einer Hinsicht sehr geeignet ist. Nichts wäre thörichter als der Schweiz, weil sie das höchste Land Europas ist, einen geographisch herrschenden Einfluß auf die Kriegsbegebenheiten einräumen zu wollen. Ein solcher Einfluß besteht nur unter gewissen sehr be- schränkten Bedingungen, die hier gar nicht vorhanden sind. Während die Franzosen im Herzen ihres Landes ange- griffen sind, können sie keine kräftige Offensive von der Schweiz aus weder nach Italien noch nach Schwaben hinein unternehmen, und am wenigsten kann dabei die hohe Lage dieses Landes als ein entscheidender Umstand in Be- trachtung kommen. Der Vortheil des strategischen Domi- nirens ist zuerst hauptsächlich bei der Vertheidigung wich- tig, und was für den Angriff von dieser Wichtigkeit übrig bleibt kann sich in einem einzelnen Stoß zeigen. Wer dies nicht weiß hat die Sache nicht bis zur Klarheit durchdacht, und wenn im künftigen Rath des Machthabers
zu liefern die einen entſcheidenden Sieg verſprechen, muß die Tendenz der Feldherren ſein; dieſem Zweck muͤſſen ſie Alles aufopfern und ſich uͤbrigens in Belagerungen, Ein- ſchließungen, Beſatzungen u. ſ. w. mit ſo Wenigem als moͤglich behelfen. Wenn ſie, wie Schwarzenberg im Jahre 1814 that, ſobald ſie das feindliche Gebiet betreten in excentriſchen Radien auseinandergehen, ſo iſt Alles verloren, und die Verbuͤndeten verdankten im Jahre 1814 es nur der Ohnmacht Frankreichs daß nicht in den erſten vierzehn Tagen wirklich Alles verloren ging. Der Angriff ſoll einem kraͤftig getriebenen Pfeil und nicht einer Seifenblaſe gleichen die ſich bis zum Zerplatzen ausdehnt.
Zweitens: Die Schweiz muß man ihren eigenen Kraͤften uͤberlaſſen. Bleibt ſie neutral, ſo hat man am Oberrhein einen guten Anlehnungspunkt; wird ſie von Frankreich angegriffen, ſo mag ſie ſich ihrer Haut wehren, wozu ſie im mehr als einer Hinſicht ſehr geeignet iſt. Nichts waͤre thoͤrichter als der Schweiz, weil ſie das hoͤchſte Land Europas iſt, einen geographiſch herrſchenden Einfluß auf die Kriegsbegebenheiten einraͤumen zu wollen. Ein ſolcher Einfluß beſteht nur unter gewiſſen ſehr be- ſchraͤnkten Bedingungen, die hier gar nicht vorhanden ſind. Waͤhrend die Franzoſen im Herzen ihres Landes ange- griffen ſind, koͤnnen ſie keine kraͤftige Offenſive von der Schweiz aus weder nach Italien noch nach Schwaben hinein unternehmen, und am wenigſten kann dabei die hohe Lage dieſes Landes als ein entſcheidender Umſtand in Be- trachtung kommen. Der Vortheil des ſtrategiſchen Domi- nirens iſt zuerſt hauptſaͤchlich bei der Vertheidigung wich- tig, und was fuͤr den Angriff von dieſer Wichtigkeit uͤbrig bleibt kann ſich in einem einzelnen Stoß zeigen. Wer dies nicht weiß hat die Sache nicht bis zur Klarheit durchdacht, und wenn im kuͤnftigen Rath des Machthabers
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zu liefern die einen entſcheidenden Sieg verſprechen, muß
die Tendenz der Feldherren ſein; dieſem Zweck muͤſſen ſie
Alles aufopfern und ſich uͤbrigens in Belagerungen, Ein-
ſchließungen, Beſatzungen u. ſ. w. mit ſo Wenigem als
moͤglich behelfen. Wenn ſie, wie Schwarzenberg im Jahre
1814 that, ſobald ſie das feindliche Gebiet betreten in
excentriſchen Radien auseinandergehen, ſo iſt Alles verloren,
und die Verbuͤndeten verdankten im Jahre 1814 es nur
der Ohnmacht Frankreichs daß nicht in den erſten vierzehn
Tagen wirklich Alles verloren ging. Der Angriff ſoll
einem kraͤftig getriebenen Pfeil und nicht einer Seifenblaſe
gleichen die ſich bis zum Zerplatzen ausdehnt.
Zweitens: Die Schweiz muß man ihren eigenen
Kraͤften uͤberlaſſen. Bleibt ſie neutral, ſo hat man am
Oberrhein einen guten Anlehnungspunkt; wird ſie von
Frankreich angegriffen, ſo mag ſie ſich ihrer Haut wehren,
wozu ſie im mehr als einer Hinſicht ſehr geeignet iſt.
Nichts waͤre thoͤrichter als der Schweiz, weil ſie das
hoͤchſte Land Europas iſt, einen geographiſch herrſchenden
Einfluß auf die Kriegsbegebenheiten einraͤumen zu wollen.
Ein ſolcher Einfluß beſteht nur unter gewiſſen ſehr be-
ſchraͤnkten Bedingungen, die hier gar nicht vorhanden ſind.
Waͤhrend die Franzoſen im Herzen ihres Landes ange-
griffen ſind, koͤnnen ſie keine kraͤftige Offenſive von der
Schweiz aus weder nach Italien noch nach Schwaben
hinein unternehmen, und am wenigſten kann dabei die hohe
Lage dieſes Landes als ein entſcheidender Umſtand in Be-
trachtung kommen. Der Vortheil des ſtrategiſchen Domi-
nirens iſt zuerſt hauptſaͤchlich bei der Vertheidigung wich-
tig, und was fuͤr den Angriff von dieſer Wichtigkeit uͤbrig
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/213>, abgerufen am 23.11.2024.
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