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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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zwey und zwanzigste Buch der Jliade, wo unsre Theilnahme p1c_132.002
bey Hektors Tod auf das äußerste gesteigert wird. Meisterhaft p1c_132.003
weiß der Dichter in demselben das Reizendschöne immer p1c_132.004
neben das Furchtbare und Grausame zu stellen. Wie Achill p1c_132.005
den Hektor um die Stadtmauer verfolgt, und wir den Tod p1c_132.006
des letztern, mit ihm den Untergang von Troja voraussehn, p1c_132.007
kommen sie an zwey Quellen warmen und kalten Wassers, p1c_132.008
in marmorne Becken eingefaßt, wo die Weiber und schönen p1c_132.009
Töchter der Trojaner ihre glänzenden Kleider zu waschen p1c_132.010
pflegten, vordem in den Zeiten des Friedens, eh die Söhne p1c_132.011
der Achäer kamen (155. vs.). - Wie sich Hektor entschließt, p1c_132.012
mit dem Achill zu fechten, den er nicht zu erbitten p1c_132.013
hofft, und er den furchtbaren Sohn der Göttin, hocherglänzend p1c_132.014
in seinen Waffen, gleich dem verderblichen Hundsgestirne p1c_132.015
herankommen sieht (vs. 30.), spricht er: "Wohl ists p1c_132.016
nun nicht Zeit vom Eichbaum oder vom Felsen ruhig mit p1c_132.017
diesem zu schwatzen, wie Mädchen traulich und Jüngling p1c_132.018
schwatzen, Mädchen und Jüngling einander im Felde begegnend, p1c_132.019
sondern es gilt den Kampf der Entscheidung." - p1c_132.020
(129.) - vs. 360. Als so Hektor noch sprach, bedeckte p1c_132.021
der endende Tod ihn, aber die Seele entfloh den Gliedern, p1c_132.022
und gieng in den Hades, traurend über ihr Loos, verlassend p1c_132.023
Mannheit und Jugend." - - Achill bindet den Leichnam p1c_132.024
an den Wagen, und schleppt ihn so mit fort. Die p1c_132.025
Pferde fliegen nach den Schiffen zurück, daß eine Staubwolke p1c_132.026
aufsteigt (vs. 400.) "Die dunkel geringelten Lokken p1c_132.027
hingen herab; es lag das ganze Haupt im Staube, ach! p1c_132.028
so reizend vordem, nun hatt' es den Feinden gegeben Zevs,

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zwey und zwanzigste Buch der Jliade, wo unsre Theilnahme p1c_132.002
bey Hektors Tod auf das äußerste gesteigert wird. Meisterhaft p1c_132.003
weiß der Dichter in demselben das Reizendschöne immer p1c_132.004
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pflegten, vordem in den Zeiten des Friedens, eh die Söhne p1c_132.011
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mit dem Achill zu fechten, den er nicht zu erbitten p1c_132.013
hofft, und er den furchtbaren Sohn der Göttin, hocherglänzend p1c_132.014
in seinen Waffen, gleich dem verderblichen Hundsgestirne p1c_132.015
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nun nicht Zeit vom Eichbaum oder vom Felsen ruhig mit p1c_132.017
diesem zu schwatzen, wie Mädchen traulich und Jüngling p1c_132.018
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Mannheit und Jugend.“ ─ ─ Achill bindet den Leichnam p1c_132.024
an den Wagen, und schleppt ihn so mit fort. Die p1c_132.025
Pferde fliegen nach den Schiffen zurück, daß eine Staubwolke p1c_132.026
aufsteigt (vs. 400.) „Die dunkel geringelten Lokken p1c_132.027
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/190>, abgerufen am 11.05.2024.