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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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from her hand, like a poor prisoner in his twisted p1c_203.004
gyves, and with a silk thread placks in back again, p1c_203.005
so loving - jealous of his liberty. Rom. I would, p1c_203.006
i were thy bird. Jul. Sweet, so would i, get i p1c_203.007
should kill thee with much cherishing. Good night, p1c_203.008
good night! parting is such sweet sorrow, that i p1c_203.009
shall say good night, till it be morrow
. s. auch p1c_203.010
III. Act. Scen. II. - wo Naivität, Grazie, Erhabenheit p1c_203.011
mit einander abwechseln. - Die Franzosen haben zu p1c_203.012
viel Cultur, um rein naiv seyn zu können; doch verdient p1c_203.013
Racine, Florian, und besonders Lafontaine wegen seiner Fabeln p1c_203.014
eine Ausnahme. Chateaubriands Atala hat naive Stellen, p1c_203.015
z. B. das Lied des Kriegers S. 39, im Ganzen genommen p1c_203.016
sprechen aber seine Wilden viel zu kultivirt, und p1c_203.017
Paul et Virginie ist (etwa den Schluß ausgenommen) p1c_203.018
weit naiver. Gewöhnlich ist die französische Naivität witzig p1c_203.019
und nähert sich dem Scherzhaften. Wenn z. B. ein Mädchen, p1c_203.020
das man vor dem Amor gewarnt hat, ihn in Gesellschaft p1c_203.021
ihres Geliebten suchen will: et supposez qu'il soit p1c_203.022
mechant, nous serions deux contre un enfant, quel p1c_203.023
mal pourroit il faire
? so leuchtet offenbar hier das p1c_203.024
Schalkhafte durch. - Was die Deutschen betrifft, so war p1c_203.025
das Naivschöne vorzüglich in den Zeiten des Minnegesangs p1c_203.026
zu finden, und hatte da etwas Heiliges und p1c_203.027
Keusches. Die treuherzige Sprache jener Zeiten trägt viel p1c_203.028
dazu bey. Wir zway bliben aine: nun verstund sich

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/261>, abgerufen am 20.05.2024.