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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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bleibend. Wenn ein endliches Wesen wirken soll, p1c_241.002
muß es sich anschaulich von der harmonischen Wirksamkeit p1c_241.003
aller Kräfte im Bewußtseyn überzeugen können. Hieraus p1c_241.004
entsteht die einzige reine Lust, welche a priori jedes p1c_241.005
moralische Wesen, frey von allem niedern Jnteresse empfinden p1c_241.006
kann. Und diese Seligkeit des Glaubens ist mit der p1c_241.007
Lust am Schönen, welche selbst Kant für a priori bestimmbar p1c_241.008
erkennt, der Gattung nach einerley, wenn gleich im p1c_241.009
Grade verschieden. Hieraus fließt die Nothwendigkeit einer p1c_241.010
ästhetischen Liturgie bey Religionsübungen als eines p1c_241.011
Bedürfnisses für Aufgeklärte und Unaufgeklärte.

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Anmerk. 3. Wie das Schöne seiner ästhetischen p1c_241.013
Form
nach in Verhältniß steht zu den a priori bestimmten p1c_241.014
Seelenkräften, eben so steht es auch in Ansehung p1c_241.015
seiner Materie, der bestimmbaren Gegenstände, an denen es p1c_241.016
gefunden wird, in Verhältniß zu den sinnlich erscheinenden p1c_241.017
Seelenkräften, wenn diese blos als Thatsachen des empirischen p1c_241.018
Bewußtseyns angesehen werden. Der sinnlich afficirte p1c_241.019
Wille oder das Begehrungsvermögen sucht im p1c_241.020
Schönen die Reitzmittel des Lebens, das Angenehme. p1c_241.021
Die sinnliche Vorstellkraft sucht das anschaulich p1c_241.022
Unterhaltende, Ueberraschende, den Jdeenwechsel, das p1c_241.023
Romantische. Der blos empirische Verstand sucht im p1c_241.024
Schönen das Räthselhafte, das er begreifen will, das Jnteressante p1c_241.025
und Wahrscheinliche. Die spekulirende p1c_241.026
aber sinnliche Vernunft sucht im Schönen das Wunderbare. p1c_241.027
Hieraus sind die Benennungen des Schönen erklärbar,

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/299>, abgerufen am 20.05.2024.