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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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in so fern ist es höchst zufällig, aber es hat von allen Jndividuen p1c_005.002
etwas, nämlich das Wesentliche, in so fern ist es p1c_005.003
höchst nothwendig, z. B. die Venus des Apelles. Man p1c_005.004
sagt in diesem Falle, der Künstler verfährt nach Jdealen. p1c_005.005
Kunst
läßt sich demnach definiren, als das vom Jnstinkt p1c_005.006
unabhängige Vermögen des Menschen, Erscheinungen hervorzubringen, p1c_005.007
entweder nach Verstandesmustern, zu bestimmbaren p1c_005.008
Zwecken, oder zu einer unbestimmbaren nur fühlbaren p1c_005.009
Zweckmäßigkeit nach Jdealen.

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§. 2.

p1c_005.011
Poesie ist eine freye Kunst.

p1c_005.012
Anmerk. 1. Eigentlich ist alle Kunst, wie wir gesehen p1c_005.013
haben, frey vom Naturinstinkt. Wenn der Künstler p1c_005.014
aber nach Begriffen und bestimmten Zwecken verfährt, so p1c_005.015
wird er durch dieselben wieder bedingt. Er kann sich nun p1c_005.016
technische Regeln vorschreiben lassen, wie sein Begriff p1c_005.017
nothwendig zu realisiren sey. Daher giebt es eine doppelte p1c_005.018
Kunst, eine bedingte Kunst, hierhin gehören alle p1c_005.019
gelehrte und ungelehrte Künste, eine unbedingte p1c_005.020
Kunst. Letztere nennt man freye Kunst im p1c_005.021
höhern Sinne dieses Worts. Durch sie erhebt sich der p1c_005.022
Künstler über die Schranken der individuellen Natur, und p1c_005.023
jeder vorgeschriebenen Zweckmäßigkeit, und bringt einen

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Zweckmäßigkeit nach Jdealen.

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Poesie ist eine freye Kunst.

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[5/0063] p1c_005.001 in so fern ist es höchst zufällig, aber es hat von allen Jndividuen p1c_005.002 etwas, nämlich das Wesentliche, in so fern ist es p1c_005.003 höchst nothwendig, z. B. die Venus des Apelles. Man p1c_005.004 sagt in diesem Falle, der Künstler verfährt nach Jdealen. p1c_005.005 Kunst läßt sich demnach definiren, als das vom Jnstinkt p1c_005.006 unabhängige Vermögen des Menschen, Erscheinungen hervorzubringen, p1c_005.007 entweder nach Verstandesmustern, zu bestimmbaren p1c_005.008 Zwecken, oder zu einer unbestimmbaren nur fühlbaren p1c_005.009 Zweckmäßigkeit nach Jdealen. p1c_005.010 §. 2. p1c_005.011 Poesie ist eine freye Kunst. p1c_005.012 Anmerk. 1. Eigentlich ist alle Kunst, wie wir gesehen p1c_005.013 haben, frey vom Naturinstinkt. Wenn der Künstler p1c_005.014 aber nach Begriffen und bestimmten Zwecken verfährt, so p1c_005.015 wird er durch dieselben wieder bedingt. Er kann sich nun p1c_005.016 technische Regeln vorschreiben lassen, wie sein Begriff p1c_005.017 nothwendig zu realisiren sey. Daher giebt es eine doppelte p1c_005.018 Kunst, eine bedingte Kunst, hierhin gehören alle p1c_005.019 gelehrte und ungelehrte Künste, eine unbedingte p1c_005.020 Kunst. Letztere nennt man freye Kunst im p1c_005.021 höhern Sinne dieses Worts. Durch sie erhebt sich der p1c_005.022 Künstler über die Schranken der individuellen Natur, und p1c_005.023 jeder vorgeschriebenen Zweckmäßigkeit, und bringt einen

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/63>, abgerufen am 10.05.2024.