Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_637.001 p2c_637.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0161" n="637"/><lb n="p2c_637.001"/> und eine Kleidung desselben, Sophokles den dritten <lb n="p2c_637.002"/> und die Decoration hinzu. Und nach und nach soll man <lb n="p2c_637.003"/> auch noch einen vierten Aktor zuweilen gebraucht haben, <lb n="p2c_637.004"/> dessen Reden aber <hi rendition="#g">Horaz,</hi> vermuthlich weil er die obige <lb n="p2c_637.005"/> Regel von <hi rendition="#g">Einfachheit</hi> der tragischen Handlung gefühlt <lb n="p2c_637.006"/> hat, sehr beschränkt. Der <hi rendition="#g">Chor,</hi> der also der Ursprung <lb n="p2c_637.007"/> der alten Tragödie war, hielt auch das <hi rendition="#g">Ganze</hi> zusammen, <lb n="p2c_637.008"/> ungeachtet seine Gesänge immer mehr beschränkt und <lb n="p2c_637.009"/> in die Zwischenakte verwiesen wurden, war er doch in der <lb n="p2c_637.010"/> Regel stets zugegen. Jm Sophokles z. B. im Ajax tritt <lb n="p2c_637.011"/> er zuweilen ab. Jm Euripides ist er immer da. Wenn er <lb n="p2c_637.012"/> der Vertraute der handelnden Personen ist, durch den Coryphäus <lb n="p2c_637.013"/> mit ihnen spricht, wider alle gewöhnliche Wahrscheinlichkeit <lb n="p2c_637.014"/> der <hi rendition="#g">Freund</hi> von allen ist, die ihm noch so fremd <lb n="p2c_637.015"/> sind, wie z. B. in Euripides Jphigenia in Aulis, aller Geheimnisse <lb n="p2c_637.016"/> verschweigt, wie in der Medea des Euripides keinen <lb n="p2c_637.017"/> an seinen Handlungen hindert, so haben einige Kunstrichter <lb n="p2c_637.018"/> ihn für ein nothwendiges Uebel gehalten, das allein <lb n="p2c_637.019"/> historisch zu erklären, der <hi rendition="#g">Jllusion</hi> schädlich gewesen sey, <lb n="p2c_637.020"/> und das die alten Dichter der unentbehrlichen Einrichtung <lb n="p2c_637.021"/> der Bühne wegen nicht hätten abschaffen können, so gern sie <lb n="p2c_637.022"/> es gewollt hätten. Allein hier hat man die Natur des <lb n="p2c_637.023"/> Chors, wie auch den Sinn der Regel von der Jllusion ganz <lb n="p2c_637.024"/> verkannt. Der Chor, wenn ihm gleich Horaz <hi rendition="#aq">actoris partes</hi> <lb n="p2c_637.025"/> giebt, ist keinesweges in der vollendeten Tragödie als <hi rendition="#g">dramatische</hi> <lb n="p2c_637.026"/> Person anzusehn, am wenigsten als eine assistirende <lb n="p2c_637.027"/> Nebenperson. <hi rendition="#g">Aeschylus</hi> macht ihn zwar zuweilen <lb n="p2c_637.028"/> gar zur Hauptperson, z. B. in den Supplicibus die Danaiden </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [637/0161]
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und eine Kleidung desselben, Sophokles den dritten p2c_637.002
und die Decoration hinzu. Und nach und nach soll man p2c_637.003
auch noch einen vierten Aktor zuweilen gebraucht haben, p2c_637.004
dessen Reden aber Horaz, vermuthlich weil er die obige p2c_637.005
Regel von Einfachheit der tragischen Handlung gefühlt p2c_637.006
hat, sehr beschränkt. Der Chor, der also der Ursprung p2c_637.007
der alten Tragödie war, hielt auch das Ganze zusammen, p2c_637.008
ungeachtet seine Gesänge immer mehr beschränkt und p2c_637.009
in die Zwischenakte verwiesen wurden, war er doch in der p2c_637.010
Regel stets zugegen. Jm Sophokles z. B. im Ajax tritt p2c_637.011
er zuweilen ab. Jm Euripides ist er immer da. Wenn er p2c_637.012
der Vertraute der handelnden Personen ist, durch den Coryphäus p2c_637.013
mit ihnen spricht, wider alle gewöhnliche Wahrscheinlichkeit p2c_637.014
der Freund von allen ist, die ihm noch so fremd p2c_637.015
sind, wie z. B. in Euripides Jphigenia in Aulis, aller Geheimnisse p2c_637.016
verschweigt, wie in der Medea des Euripides keinen p2c_637.017
an seinen Handlungen hindert, so haben einige Kunstrichter p2c_637.018
ihn für ein nothwendiges Uebel gehalten, das allein p2c_637.019
historisch zu erklären, der Jllusion schädlich gewesen sey, p2c_637.020
und das die alten Dichter der unentbehrlichen Einrichtung p2c_637.021
der Bühne wegen nicht hätten abschaffen können, so gern sie p2c_637.022
es gewollt hätten. Allein hier hat man die Natur des p2c_637.023
Chors, wie auch den Sinn der Regel von der Jllusion ganz p2c_637.024
verkannt. Der Chor, wenn ihm gleich Horaz actoris partes p2c_637.025
giebt, ist keinesweges in der vollendeten Tragödie als dramatische p2c_637.026
Person anzusehn, am wenigsten als eine assistirende p2c_637.027
Nebenperson. Aeschylus macht ihn zwar zuweilen p2c_637.028
gar zur Hauptperson, z. B. in den Supplicibus die Danaiden
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