Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.
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p2c_744.001 p2c_744.016 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0268" n="744"/><lb n="p2c_744.001"/> cher</hi> Poesie, welche am nächsten an die <hi rendition="#g">göttliche</hi> gränzt. <lb n="p2c_744.002"/> Hier zeigt sich aber auch der Unterschied, zwischen <hi rendition="#g">göttlicher</hi> <lb n="p2c_744.003"/> und <hi rendition="#g">menschlicher</hi> Poesie, wahrer Religion und <lb n="p2c_744.004"/> heidnischer Mythologie am deutlichsten. Die menschliche <lb n="p2c_744.005"/> Poesie und Mythologie kann das <hi rendition="#g">göttliche</hi> nur ahnen, <lb n="p2c_744.006"/> <hi rendition="#g">ausser sich</hi> in Sinnbildern darstellen. Die <hi rendition="#g">göttliche</hi> <lb n="p2c_744.007"/> Poesie hingegen, deren Offenbarungen die Hebräer und <lb n="p2c_744.008"/> Christen bekennen, lehrt den Menschen die Vernunftideen, <lb n="p2c_744.009"/> um das göttliche Princip im Geist und in der Wahrheit zu <lb n="p2c_744.010"/> ergreifen, mittelst der Andacht in sich selbst zu finden, sich <lb n="p2c_744.011"/> von dem Göttlichen kein Bild zu machen, sondern es unmittelbar <lb n="p2c_744.012"/> in sich <hi rendition="#g">wohnen</hi> zu lassen. Hierauf konnten die <lb n="p2c_744.013"/> Menschen nur durch eine <hi rendition="#g">Begeisterung</hi> geleitet werden, <lb n="p2c_744.014"/> die unmittelbar von Gott angezündet ward, hierzu gehörte <lb n="p2c_744.015"/> die Menschwerdung der Gottheit.</p> <p><lb n="p2c_744.016"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 2. Da wir eigentlich noch kein vollkommenes <lb n="p2c_744.017"/> <hi rendition="#g">allegorisches</hi> Gedicht höherer Gattung haben, <lb n="p2c_744.018"/> so wird die Theorie in diesem Abschnitt noch fast ganz <lb n="p2c_744.019"/> <hi rendition="#aq">a priori</hi> verfahren müssen. Bey den Alten kann man hierher <lb n="p2c_744.020"/> die <hi rendition="#g">Mythologischen</hi> Dichter <hi rendition="#aq">ex professo</hi> rechnen, <lb n="p2c_744.021"/> d. h. solche, welche die Mythologie nicht als Triebfeder ihrer <lb n="p2c_744.022"/> historischen Gedichte gebrauchten, sondern dieselbe als einen <lb n="p2c_744.023"/> Hauptgegenstand im Zusammenhange abhandelten. Allein <lb n="p2c_744.024"/> die Griechischen und Römischen Dichter waren zu wenig in <lb n="p2c_744.025"/> die Mysterien eingeweiht, um den höhern Sinn, der in ihrer <lb n="p2c_744.026"/> Mythologie verborgen liegen mag, zu fassen. Daher <lb n="p2c_744.027"/> fehlte ihnen die <hi rendition="#g">ordentliche</hi> planmäßige Darstellung, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [744/0268]
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cher Poesie, welche am nächsten an die göttliche gränzt. p2c_744.002
Hier zeigt sich aber auch der Unterschied, zwischen göttlicher p2c_744.003
und menschlicher Poesie, wahrer Religion und p2c_744.004
heidnischer Mythologie am deutlichsten. Die menschliche p2c_744.005
Poesie und Mythologie kann das göttliche nur ahnen, p2c_744.006
ausser sich in Sinnbildern darstellen. Die göttliche p2c_744.007
Poesie hingegen, deren Offenbarungen die Hebräer und p2c_744.008
Christen bekennen, lehrt den Menschen die Vernunftideen, p2c_744.009
um das göttliche Princip im Geist und in der Wahrheit zu p2c_744.010
ergreifen, mittelst der Andacht in sich selbst zu finden, sich p2c_744.011
von dem Göttlichen kein Bild zu machen, sondern es unmittelbar p2c_744.012
in sich wohnen zu lassen. Hierauf konnten die p2c_744.013
Menschen nur durch eine Begeisterung geleitet werden, p2c_744.014
die unmittelbar von Gott angezündet ward, hierzu gehörte p2c_744.015
die Menschwerdung der Gottheit.
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Anmerk. 2. Da wir eigentlich noch kein vollkommenes p2c_744.017
allegorisches Gedicht höherer Gattung haben, p2c_744.018
so wird die Theorie in diesem Abschnitt noch fast ganz p2c_744.019
a priori verfahren müssen. Bey den Alten kann man hierher p2c_744.020
die Mythologischen Dichter ex professo rechnen, p2c_744.021
d. h. solche, welche die Mythologie nicht als Triebfeder ihrer p2c_744.022
historischen Gedichte gebrauchten, sondern dieselbe als einen p2c_744.023
Hauptgegenstand im Zusammenhange abhandelten. Allein p2c_744.024
die Griechischen und Römischen Dichter waren zu wenig in p2c_744.025
die Mysterien eingeweiht, um den höhern Sinn, der in ihrer p2c_744.026
Mythologie verborgen liegen mag, zu fassen. Daher p2c_744.027
fehlte ihnen die ordentliche planmäßige Darstellung,
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