Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_763.001 p2c_763.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0287" n="763"/><lb n="p2c_763.001"/><hi rendition="#g">Poesie</hi> der Cultur, die der Griechen Natur. Auch hier <lb n="p2c_763.002"/> zeigt sich die Wahrheit der Bemerkung, welche sich durch <lb n="p2c_763.003"/> das ganze Feld der Dichtkunst machen läßt, daß die neuere <lb n="p2c_763.004"/> Poesie sich mehr auf <hi rendition="#g">Reflexion,</hi> als auf <hi rendition="#g">Naturnachahmung</hi> <lb n="p2c_763.005"/> gründet. Uebrigens wär es pedantisch, wenn <lb n="p2c_763.006"/> man wegen der Einfachheit alle Munterkeit (<hi rendition="#aq">Lepidezza</hi> <lb n="p2c_763.007"/> nach Bertola), interessante selbst müssige Züge verbannen <lb n="p2c_763.008"/> wollte. <hi rendition="#g">Edel</hi> muß der Styl der Fabel seyn, damit sich <lb n="p2c_763.009"/> auch in kleinen Gegenständen die Würde der Kunst behaupte. <lb n="p2c_763.010"/> Die Lafontainischen Scherze, die Titel, die er den Thieren <lb n="p2c_763.011"/> giebt <hi rendition="#aq">maitre, capitaine</hi> u. s. w. sind in seiner Sprache <lb n="p2c_763.012"/> nicht <hi rendition="#g">unedel.</hi> Lafontaine hat den höhern Weltton getroffen. <lb n="p2c_763.013"/> Die deutschen Fabeldichter Gellert, Hagedorn fehlen <lb n="p2c_763.014"/> oft wider den edeln Styl. Jhre Natürlichkeit, ihr Scherz, <lb n="p2c_763.015"/> gränzt zuweilen ans Platte. Dagegen ist der Styl des <lb n="p2c_763.016"/> Phaedrus, den Desbillons und andere nachahmten, wieder <lb n="p2c_763.017"/> zu <hi rendition="#g">geziert,</hi> zu sehr voll Ansprüche, um ganz edel zu <lb n="p2c_763.018"/> seyn. Ueberhaupt zweifelt man an der Aechtheit des Werks <lb n="p2c_763.019"/> wegen seiner Latinität. ─ <hi rendition="#g">Naiv</hi> muß endlich der Styl <lb n="p2c_763.020"/> der Fabel seyn, weil man sich ein Publikum von großen <lb n="p2c_763.021"/> und kleinen Kindern denkt, welche man durch Mährchen <lb n="p2c_763.022"/> unterhalten, unterrichten will. Eine gewisse Treuherzigkeit <lb n="p2c_763.023"/> bey Erzählung dieser wunderbaren Dinge, thut die beste <lb n="p2c_763.024"/> Wirkung. Bey den Alten ist sie natürlich, bey Lafontaine <lb n="p2c_763.025"/> ist diese Treuherzigkeit, diese Naivität schon mehr schalkhaft. <lb n="p2c_763.026"/> Jn den Fabeln aus den Zeiten der Minnesinger ist <lb n="p2c_763.027"/> viel Naivität. Auch trägt hierzu die alte Sprache sehr bey. <lb n="p2c_763.028"/> Da der Styl der griechischen äsopischen Fabeln zu <hi rendition="#g">einfach</hi> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [763/0287]
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Poesie der Cultur, die der Griechen Natur. Auch hier p2c_763.002
zeigt sich die Wahrheit der Bemerkung, welche sich durch p2c_763.003
das ganze Feld der Dichtkunst machen läßt, daß die neuere p2c_763.004
Poesie sich mehr auf Reflexion, als auf Naturnachahmung p2c_763.005
gründet. Uebrigens wär es pedantisch, wenn p2c_763.006
man wegen der Einfachheit alle Munterkeit (Lepidezza p2c_763.007
nach Bertola), interessante selbst müssige Züge verbannen p2c_763.008
wollte. Edel muß der Styl der Fabel seyn, damit sich p2c_763.009
auch in kleinen Gegenständen die Würde der Kunst behaupte. p2c_763.010
Die Lafontainischen Scherze, die Titel, die er den Thieren p2c_763.011
giebt maitre, capitaine u. s. w. sind in seiner Sprache p2c_763.012
nicht unedel. Lafontaine hat den höhern Weltton getroffen. p2c_763.013
Die deutschen Fabeldichter Gellert, Hagedorn fehlen p2c_763.014
oft wider den edeln Styl. Jhre Natürlichkeit, ihr Scherz, p2c_763.015
gränzt zuweilen ans Platte. Dagegen ist der Styl des p2c_763.016
Phaedrus, den Desbillons und andere nachahmten, wieder p2c_763.017
zu geziert, zu sehr voll Ansprüche, um ganz edel zu p2c_763.018
seyn. Ueberhaupt zweifelt man an der Aechtheit des Werks p2c_763.019
wegen seiner Latinität. ─ Naiv muß endlich der Styl p2c_763.020
der Fabel seyn, weil man sich ein Publikum von großen p2c_763.021
und kleinen Kindern denkt, welche man durch Mährchen p2c_763.022
unterhalten, unterrichten will. Eine gewisse Treuherzigkeit p2c_763.023
bey Erzählung dieser wunderbaren Dinge, thut die beste p2c_763.024
Wirkung. Bey den Alten ist sie natürlich, bey Lafontaine p2c_763.025
ist diese Treuherzigkeit, diese Naivität schon mehr schalkhaft. p2c_763.026
Jn den Fabeln aus den Zeiten der Minnesinger ist p2c_763.027
viel Naivität. Auch trägt hierzu die alte Sprache sehr bey. p2c_763.028
Da der Styl der griechischen äsopischen Fabeln zu einfach
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