Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_505.001 p2c_505.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="505"/><lb n="p2c_505.001"/> für sich anführen, als die Andacht, welche sie erweckt. <lb n="p2c_505.002"/> Kein Betrug, keine irdische Absicht darf da obgewaltet haben, <lb n="p2c_505.003"/> wo sie in ihrem höchsten Lichte erscheint. Gott kann <lb n="p2c_505.004"/> sich nur in reinen Seelen offenbaren. Muhamed ist eben <lb n="p2c_505.005"/> deswegen ein falscher Prophet, weil er ein Egoist war, und <lb n="p2c_505.006"/> ein irdisches Reich stiftete. Soll sich die <hi rendition="#g">Begeisterung</hi> <lb n="p2c_505.007"/> andern Seelen mittheilen, so bedarf es mehr, als bloßer <lb n="p2c_505.008"/> historischer Traditionen. Diese Traditionen müssen nicht <lb n="p2c_505.009"/> bloß <hi rendition="#g">historisch,</hi> sie müssen <hi rendition="#g">moralisch</hi> und <hi rendition="#g">ästhetisch <lb n="p2c_505.010"/> ächt</hi> seyn. Die Hülfsmittel zur Andacht, welche eine <lb n="p2c_505.011"/> solche ideale Weltgeschichte eingiebt, müssen also den entscheidendsten <lb n="p2c_505.012"/> Einfluß auf das Leben haben. Es muß diese <lb n="p2c_505.013"/> Geschichte, wie z. B. durch die christlichen Sakramente, in <lb n="p2c_505.014"/> jedem Herzen fortgesetzt werden können. Sie muß auch <lb n="p2c_505.015"/> in so fern <hi rendition="#g">vollständig</hi> seyn, daß sie Weissagungen enthält, <lb n="p2c_505.016"/> bis ans Ende der Zeit, z. B. das Gericht. ─ Nur <lb n="p2c_505.017"/> dadurch wird sie <hi rendition="#g">idealisch</hi> und <hi rendition="#g">göttlich.</hi> Sie umfaßt <lb n="p2c_505.018"/> das ganze ungeheure Gefild der Jahrtausende, betrachtet <lb n="p2c_505.019"/> es unter dem höchsten Gesichtspunkte, und zeigt die Einheit, <lb n="p2c_505.020"/> welche das Ganze zusammenhält.</p> <lb n="p2c_505.021"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> <div n="2"> </div> </div> </body> </text> </TEI> [505/0029]
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für sich anführen, als die Andacht, welche sie erweckt. p2c_505.002
Kein Betrug, keine irdische Absicht darf da obgewaltet haben, p2c_505.003
wo sie in ihrem höchsten Lichte erscheint. Gott kann p2c_505.004
sich nur in reinen Seelen offenbaren. Muhamed ist eben p2c_505.005
deswegen ein falscher Prophet, weil er ein Egoist war, und p2c_505.006
ein irdisches Reich stiftete. Soll sich die Begeisterung p2c_505.007
andern Seelen mittheilen, so bedarf es mehr, als bloßer p2c_505.008
historischer Traditionen. Diese Traditionen müssen nicht p2c_505.009
bloß historisch, sie müssen moralisch und ästhetisch p2c_505.010
ächt seyn. Die Hülfsmittel zur Andacht, welche eine p2c_505.011
solche ideale Weltgeschichte eingiebt, müssen also den entscheidendsten p2c_505.012
Einfluß auf das Leben haben. Es muß diese p2c_505.013
Geschichte, wie z. B. durch die christlichen Sakramente, in p2c_505.014
jedem Herzen fortgesetzt werden können. Sie muß auch p2c_505.015
in so fern vollständig seyn, daß sie Weissagungen enthält, p2c_505.016
bis ans Ende der Zeit, z. B. das Gericht. ─ Nur p2c_505.017
dadurch wird sie idealisch und göttlich. Sie umfaßt p2c_505.018
das ganze ungeheure Gefild der Jahrtausende, betrachtet p2c_505.019
es unter dem höchsten Gesichtspunkte, und zeigt die Einheit, p2c_505.020
welche das Ganze zusammenhält.
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