p2c_782.001 sich selbst, als über andre siegen. Die Liebe für das p2c_782.002 Jndividuum findet der neue Lyriker nur dann gerechtfertigt, p2c_782.003 wenn dies Jndividuum ihm als Abglanz des Urbilds p2c_782.004 aller Schönheit überhaupt erscheint. Hoheit und Reinheit p2c_782.005 des Charakters werden von ihm gepriesen, und Vorzüge, p2c_782.006 die in einer unsichtbaren Welt gelten. Der Plan der neuern p2c_782.007 Ode wird weniger durch die objektive Gedankenreihe und p2c_782.008 die Einbildungskraft, als durch die Empfindung des p2c_782.009 Dichters bestimmt. Sie ist weniger Bild, als Herzenserguß. p2c_782.010 - Was die darstellende Dichtkunst betrifft, p2c_782.011 so ist nicht zu läugnen, daß in der historischen Gattung p2c_782.012 die alte Poesie weit über die Poesie der Neuern steht. p2c_782.013 Auch dies ist aus der Umändrung der religiösen Jdeen und p2c_782.014 der geselligen Einrichtungen zu erklären. Zur Ausbildung p2c_782.015 der historischen Poesie gehört vorzüglich ein Zeitalter p2c_782.016 voll Thatkraft, deren Wirkungen in die Sinne fallen. p2c_782.017 Die religiöse oder wenigstens philosophische Jdee von Nichtigkeit p2c_782.018 der menschlichen Dinge ist dem Unternehmungsgeiste p2c_782.019 wenig günstig. Und hätten auch die Charaktere der neuenp2c_782.020 Welt eben so viel Energie, als die der Alten, wo Staatsverfassung p2c_782.021 und heroische Verhältnisse die Jugend zu Thaten p2c_782.022 spornten, so hat sich doch der Mensch überall mit so viel p2c_782.023 kleinlichen Mitteln in seinen kriegerischen und bürgerlichen p2c_782.024 Arbeiten umgeben, daß diese Massen weit schwerer in p2c_782.025 Bewegung gesetzt werden können. Jm Kabinett durch die p2c_782.026 Feder, durch mathematische Plane, höchstens durch lange p2c_782.027 Reihen von Feldstücken wird mehr bewirkt, als durch das p2c_782.028 Schwerdt. Die neuern Thaten geben also der Einbildungskraft
p2c_782.001 sich selbst, als über andre siegen. Die Liebe für das p2c_782.002 Jndividuum findet der neue Lyriker nur dann gerechtfertigt, p2c_782.003 wenn dies Jndividuum ihm als Abglanz des Urbilds p2c_782.004 aller Schönheit überhaupt erscheint. Hoheit und Reinheit p2c_782.005 des Charakters werden von ihm gepriesen, und Vorzüge, p2c_782.006 die in einer unsichtbaren Welt gelten. Der Plan der neuern p2c_782.007 Ode wird weniger durch die objektive Gedankenreihe und p2c_782.008 die Einbildungskraft, als durch die Empfindung des p2c_782.009 Dichters bestimmt. Sie ist weniger Bild, als Herzenserguß. p2c_782.010 ─ Was die darstellende Dichtkunst betrifft, p2c_782.011 so ist nicht zu läugnen, daß in der historischen Gattung p2c_782.012 die alte Poesie weit über die Poesie der Neuern steht. p2c_782.013 Auch dies ist aus der Umändrung der religiösen Jdeen und p2c_782.014 der geselligen Einrichtungen zu erklären. Zur Ausbildung p2c_782.015 der historischen Poesie gehört vorzüglich ein Zeitalter p2c_782.016 voll Thatkraft, deren Wirkungen in die Sinne fallen. p2c_782.017 Die religiöse oder wenigstens philosophische Jdee von Nichtigkeit p2c_782.018 der menschlichen Dinge ist dem Unternehmungsgeiste p2c_782.019 wenig günstig. Und hätten auch die Charaktere der neuenp2c_782.020 Welt eben so viel Energie, als die der Alten, wo Staatsverfassung p2c_782.021 und heroische Verhältnisse die Jugend zu Thaten p2c_782.022 spornten, so hat sich doch der Mensch überall mit so viel p2c_782.023 kleinlichen Mitteln in seinen kriegerischen und bürgerlichen p2c_782.024 Arbeiten umgeben, daß diese Massen weit schwerer in p2c_782.025 Bewegung gesetzt werden können. Jm Kabinett durch die p2c_782.026 Feder, durch mathematische Plane, höchstens durch lange p2c_782.027 Reihen von Feldstücken wird mehr bewirkt, als durch das p2c_782.028 Schwerdt. Die neuern Thaten geben also der Einbildungskraft
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 782. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/306>, abgerufen am 16.02.2025.
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