Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p2c_553.001
Anmerk. Der historische Ton der alten griechischen p2c_553.002
Hymne ist ohne allen lyrischen Schwung. Aber man findet p2c_553.003
auch Hymnen, die wahrscheinlich in den Mysterien gesungen p2c_553.004
wurden, wie die teletai des vorgeblichen Orpheus. p2c_553.005
Diese sind lauter Ausrufungen, lauter Epitheten, folglich p2c_553.006
ganz lyrisch. Auch in der griechischen Anthologie findet p2c_553.007
man Hymnen an den Bachus, an den Apoll in dieser Art. p2c_553.008
Natürlich dürfen solche Hymnen nur kurz seyn. Denn sie p2c_553.009
sind nichts als lyrische Benennungen des Gottes ohne Zusammenhang. p2c_553.010
Unsere Litaneyen können damit verglichen p2c_553.011
werden.

p2c_553.012

§. 11.

p2c_553.013
4) Das Metrum der Hymne darf nicht ganz p2c_553.014
so viel Mannichfaltigkeit enthalten, als das der Ode. p2c_553.015
Die Liederform verlangt eine gewisse leichtere p2c_553.016
Faßlichkeit für das Ohr.

p2c_553.017
Anmerk. Die Griechen hatten anfangs den Hexameter p2c_553.018
in ihren Hymnen. Das Metrum paßt für den historischen p2c_553.019
Styl, ist zu ausgedehnt, aber doch ziemlich gleichförmig. p2c_553.020
Doch haben die Alten auch in Strophen und p2c_553.021
Antistrophen und noch freyern Versmaaßen ihre Hymnen p2c_553.022
gesungen. Viele ihrer tragischen Chöre im Sophocles und p2c_553.023
Euripides sind vollkommne Hymnen auf das Lob eines Gottes. p2c_553.024
Horaz hat sein Carmen saeculare in Monostrophen p2c_553.025
gedichtet. Die christlichen lateinischen Dichter haben zuweilen p2c_553.026
sogar sapphisches Sylbenmaaß, oft aber auch ein leichteres

p2c_553.001
Anmerk. Der historische Ton der alten griechischen p2c_553.002
Hymne ist ohne allen lyrischen Schwung. Aber man findet p2c_553.003
auch Hymnen, die wahrscheinlich in den Mysterien gesungen p2c_553.004
wurden, wie die τελεται des vorgeblichen Orpheus. p2c_553.005
Diese sind lauter Ausrufungen, lauter Epitheten, folglich p2c_553.006
ganz lyrisch. Auch in der griechischen Anthologie findet p2c_553.007
man Hymnen an den Bachus, an den Apoll in dieser Art. p2c_553.008
Natürlich dürfen solche Hymnen nur kurz seyn. Denn sie p2c_553.009
sind nichts als lyrische Benennungen des Gottes ohne Zusammenhang. p2c_553.010
Unsere Litaneyen können damit verglichen p2c_553.011
werden.

p2c_553.012

§. 11.

p2c_553.013
4) Das Metrum der Hymne darf nicht ganz p2c_553.014
so viel Mannichfaltigkeit enthalten, als das der Ode. p2c_553.015
Die Liederform verlangt eine gewisse leichtere p2c_553.016
Faßlichkeit für das Ohr.

p2c_553.017
Anmerk. Die Griechen hatten anfangs den Hexameter p2c_553.018
in ihren Hymnen. Das Metrum paßt für den historischen p2c_553.019
Styl, ist zu ausgedehnt, aber doch ziemlich gleichförmig. p2c_553.020
Doch haben die Alten auch in Strophen und p2c_553.021
Antistrophen und noch freyern Versmaaßen ihre Hymnen p2c_553.022
gesungen. Viele ihrer tragischen Chöre im Sophocles und p2c_553.023
Euripides sind vollkommne Hymnen auf das Lob eines Gottes. p2c_553.024
Horaz hat sein Carmen saeculare in Monostrophen p2c_553.025
gedichtet. Die christlichen lateinischen Dichter haben zuweilen p2c_553.026
sogar sapphisches Sylbenmaaß, oft aber auch ein leichteres

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0077" n="553"/>
            <p><lb n="p2c_553.001"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> Der historische Ton der alten griechischen <lb n="p2c_553.002"/>
Hymne ist ohne allen lyrischen Schwung. Aber man findet <lb n="p2c_553.003"/>
auch <hi rendition="#g">Hymnen,</hi> die wahrscheinlich in den Mysterien gesungen <lb n="p2c_553.004"/>
wurden, wie die <foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B5;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;</foreign> des vorgeblichen Orpheus. <lb n="p2c_553.005"/>
Diese sind lauter Ausrufungen, lauter Epitheten, folglich <lb n="p2c_553.006"/>
ganz lyrisch. Auch in der griechischen Anthologie findet <lb n="p2c_553.007"/>
man Hymnen an den Bachus, an den Apoll in dieser Art. <lb n="p2c_553.008"/>
Natürlich dürfen solche Hymnen nur kurz seyn. Denn sie <lb n="p2c_553.009"/>
sind nichts als lyrische Benennungen des Gottes ohne Zusammenhang. <lb n="p2c_553.010"/>
Unsere Litaneyen können damit verglichen <lb n="p2c_553.011"/>
werden.</p>
            <lb n="p2c_553.012"/>
            <p> <hi rendition="#c">§. 11.</hi> </p>
            <p><lb n="p2c_553.013"/>
4) Das <hi rendition="#g">Metrum</hi> der <hi rendition="#g">Hymne</hi> darf nicht ganz <lb n="p2c_553.014"/>
so viel Mannichfaltigkeit enthalten, als das der Ode. <lb n="p2c_553.015"/>
Die <hi rendition="#g">Liederform</hi> verlangt eine gewisse leichtere <lb n="p2c_553.016"/>
Faßlichkeit für das Ohr.</p>
            <p><lb n="p2c_553.017"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> Die Griechen hatten anfangs den Hexameter <lb n="p2c_553.018"/>
in ihren Hymnen. Das Metrum paßt für den historischen <lb n="p2c_553.019"/>
Styl, ist zu ausgedehnt, aber doch ziemlich <hi rendition="#g">gleichförmig.</hi> <lb n="p2c_553.020"/>
Doch haben die Alten auch in Strophen und <lb n="p2c_553.021"/>
Antistrophen und noch freyern Versmaaßen ihre Hymnen <lb n="p2c_553.022"/>
gesungen. Viele ihrer tragischen Chöre im Sophocles und <lb n="p2c_553.023"/>
Euripides sind vollkommne Hymnen auf das Lob eines Gottes. <lb n="p2c_553.024"/>
Horaz hat sein <hi rendition="#aq">Carmen saeculare</hi> in Monostrophen <lb n="p2c_553.025"/>
gedichtet. Die christlichen lateinischen Dichter haben zuweilen     <lb n="p2c_553.026"/>
sogar sapphisches Sylbenmaaß, oft aber auch ein leichteres
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[553/0077] p2c_553.001 Anmerk. Der historische Ton der alten griechischen p2c_553.002 Hymne ist ohne allen lyrischen Schwung. Aber man findet p2c_553.003 auch Hymnen, die wahrscheinlich in den Mysterien gesungen p2c_553.004 wurden, wie die τελεται des vorgeblichen Orpheus. p2c_553.005 Diese sind lauter Ausrufungen, lauter Epitheten, folglich p2c_553.006 ganz lyrisch. Auch in der griechischen Anthologie findet p2c_553.007 man Hymnen an den Bachus, an den Apoll in dieser Art. p2c_553.008 Natürlich dürfen solche Hymnen nur kurz seyn. Denn sie p2c_553.009 sind nichts als lyrische Benennungen des Gottes ohne Zusammenhang. p2c_553.010 Unsere Litaneyen können damit verglichen p2c_553.011 werden. p2c_553.012 §. 11. p2c_553.013 4) Das Metrum der Hymne darf nicht ganz p2c_553.014 so viel Mannichfaltigkeit enthalten, als das der Ode. p2c_553.015 Die Liederform verlangt eine gewisse leichtere p2c_553.016 Faßlichkeit für das Ohr. p2c_553.017 Anmerk. Die Griechen hatten anfangs den Hexameter p2c_553.018 in ihren Hymnen. Das Metrum paßt für den historischen p2c_553.019 Styl, ist zu ausgedehnt, aber doch ziemlich gleichförmig. p2c_553.020 Doch haben die Alten auch in Strophen und p2c_553.021 Antistrophen und noch freyern Versmaaßen ihre Hymnen p2c_553.022 gesungen. Viele ihrer tragischen Chöre im Sophocles und p2c_553.023 Euripides sind vollkommne Hymnen auf das Lob eines Gottes. p2c_553.024 Horaz hat sein Carmen saeculare in Monostrophen p2c_553.025 gedichtet. Die christlichen lateinischen Dichter haben zuweilen p2c_553.026 sogar sapphisches Sylbenmaaß, oft aber auch ein leichteres

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/77
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/77>, abgerufen am 21.11.2024.