Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite



Einwirkung desselben auf seine Seele giebt, und
die Ueberzeugung von der Wahrheit derselben,
bey einem deutlichen und unwiderstehlichen Be-
wußtseyn, sie nicht selbst veranlaßt zu haben,
würde nicht in ihm entstanden seyn, wenn sie
nicht von dem käme, den sie angeht, weil jede
Wirkung eine Ursache, und zwar eine der Wir-
kung gemäße Ursache voraussezt. Will sich
Gott nicht einem jeden auf eine solche unmittel-
bare Weise bekannt machen; will er vielmehr,
daß seine Offenbarung durch einige auf alle
fortgepflanzt werden soll: so muß er freylich um
allem billigen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit
zuvorzukommen, sie mit solchen Wirkungen be-
gleiten, woraus der Schluß gemacht werden
kann, daß ihr Zeugniß geglaubt werden müsse,
weil es wider unsre Natur ist, Wirkungen ohne
Ursachen zu glauben. Allein es ist nicht nöthig,
daß eine Erkenntniß Gottes aus den Werken der
Natur vorhergehe; es ist ein Glück, wenn sie
vorhergeht, aber sie ist darum nicht unentbehr-
lich. Denn wenn wir sehen, daß ein Mensch,
welcher uns Lehren verkündigt, die er von Gott
in einer unmittelbaren Offenbarung empfangen
zu haben versichert, zum Beweise seiner Glaub-
würdigkeit solche Thaten verrichtet, die er nicht
verrichten könnte, wenn derjenige nicht wäre,

dem
E 5



Einwirkung deſſelben auf ſeine Seele giebt, und
die Ueberzeugung von der Wahrheit derſelben,
bey einem deutlichen und unwiderſtehlichen Be-
wußtſeyn, ſie nicht ſelbſt veranlaßt zu haben,
würde nicht in ihm entſtanden ſeyn, wenn ſie
nicht von dem käme, den ſie angeht, weil jede
Wirkung eine Urſache, und zwar eine der Wir-
kung gemäße Urſache vorausſezt. Will ſich
Gott nicht einem jeden auf eine ſolche unmittel-
bare Weiſe bekannt machen; will er vielmehr,
daß ſeine Offenbarung durch einige auf alle
fortgepflanzt werden ſoll: ſo muß er freylich um
allem billigen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit
zuvorzukommen, ſie mit ſolchen Wirkungen be-
gleiten, woraus der Schluß gemacht werden
kann, daß ihr Zeugniß geglaubt werden müſſe,
weil es wider unſre Natur iſt, Wirkungen ohne
Urſachen zu glauben. Allein es iſt nicht nöthig,
daß eine Erkenntniß Gottes aus den Werken der
Natur vorhergehe; es iſt ein Glück, wenn ſie
vorhergeht, aber ſie iſt darum nicht unentbehr-
lich. Denn wenn wir ſehen, daß ein Menſch,
welcher uns Lehren verkündigt, die er von Gott
in einer unmittelbaren Offenbarung empfangen
zu haben verſichert, zum Beweiſe ſeiner Glaub-
würdigkeit ſolche Thaten verrichtet, die er nicht
verrichten könnte, wenn derjenige nicht wäre,

dem
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0087" n="73"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Einwirkung de&#x017F;&#x017F;elben auf &#x017F;eine Seele giebt, und<lb/>
die Ueberzeugung von der Wahrheit der&#x017F;elben,<lb/>
bey einem deutlichen und unwider&#x017F;tehlichen Be-<lb/>
wußt&#x017F;eyn, &#x017F;ie nicht &#x017F;elb&#x017F;t veranlaßt zu haben,<lb/>
würde nicht in ihm ent&#x017F;tanden &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie<lb/>
nicht von dem käme, den &#x017F;ie angeht, weil jede<lb/>
Wirkung eine Ur&#x017F;ache, und zwar eine der Wir-<lb/>
kung gemäße Ur&#x017F;ache voraus&#x017F;ezt. Will &#x017F;ich<lb/>
Gott nicht einem jeden auf eine &#x017F;olche unmittel-<lb/>
bare Wei&#x017F;e bekannt machen; will er vielmehr,<lb/>
daß &#x017F;eine Offenbarung durch einige auf alle<lb/>
fortgepflanzt werden &#x017F;oll: &#x017F;o muß er freylich um<lb/>
allem billigen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit<lb/>
zuvorzukommen, &#x017F;ie mit &#x017F;olchen Wirkungen be-<lb/>
gleiten, woraus der Schluß gemacht werden<lb/>
kann, daß ihr Zeugniß geglaubt werden mü&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
weil es wider un&#x017F;re Natur i&#x017F;t, Wirkungen ohne<lb/>
Ur&#x017F;achen zu glauben. Allein es i&#x017F;t nicht nöthig,<lb/>
daß eine Erkenntniß Gottes aus den Werken der<lb/>
Natur vorhergehe; es i&#x017F;t ein Glück, wenn &#x017F;ie<lb/>
vorhergeht, aber &#x017F;ie i&#x017F;t darum nicht unentbehr-<lb/>
lich. Denn wenn wir &#x017F;ehen, daß ein Men&#x017F;ch,<lb/>
welcher uns Lehren verkündigt, die er von Gott<lb/>
in einer unmittelbaren Offenbarung empfangen<lb/>
zu haben ver&#x017F;ichert, zum Bewei&#x017F;e &#x017F;einer Glaub-<lb/>
würdigkeit &#x017F;olche Thaten verrichtet, die er nicht<lb/>
verrichten könnte, wenn derjenige nicht wäre,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0087] Einwirkung deſſelben auf ſeine Seele giebt, und die Ueberzeugung von der Wahrheit derſelben, bey einem deutlichen und unwiderſtehlichen Be- wußtſeyn, ſie nicht ſelbſt veranlaßt zu haben, würde nicht in ihm entſtanden ſeyn, wenn ſie nicht von dem käme, den ſie angeht, weil jede Wirkung eine Urſache, und zwar eine der Wir- kung gemäße Urſache vorausſezt. Will ſich Gott nicht einem jeden auf eine ſolche unmittel- bare Weiſe bekannt machen; will er vielmehr, daß ſeine Offenbarung durch einige auf alle fortgepflanzt werden ſoll: ſo muß er freylich um allem billigen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit zuvorzukommen, ſie mit ſolchen Wirkungen be- gleiten, woraus der Schluß gemacht werden kann, daß ihr Zeugniß geglaubt werden müſſe, weil es wider unſre Natur iſt, Wirkungen ohne Urſachen zu glauben. Allein es iſt nicht nöthig, daß eine Erkenntniß Gottes aus den Werken der Natur vorhergehe; es iſt ein Glück, wenn ſie vorhergeht, aber ſie iſt darum nicht unentbehr- lich. Denn wenn wir ſehen, daß ein Menſch, welcher uns Lehren verkündigt, die er von Gott in einer unmittelbaren Offenbarung empfangen zu haben verſichert, zum Beweiſe ſeiner Glaub- würdigkeit ſolche Thaten verrichtet, die er nicht verrichten könnte, wenn derjenige nicht wäre, dem E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/87
Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/87>, abgerufen am 21.11.2024.