Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XII. Betrachtung. Wort, das durch den Mund Gottes gehet, dasheißt: von alle dem, was Gottes Machtwort zum Nahrungsmittel bestimmt.*) Hier hätte er zwar durch ein Wunder seinen Hunger stillen, und zu- gleich einen Beweis von seiner göttlichen Sendung geben können; allein er wollte nun einmal zur Be- friedigung seiner eigenen Bedürfnisse nichts Außer- ordentliches thun, um auf keine Weise irgend ein Mißtrauen gegen Gott zu verrathen. Aus eben diesem Grunde weigerte er sich auch, den Vorschlag des Satans anzunehmen, sich von der Höhe eines zum Tempel gehörigen Nebengebäudes herab zu stür- zen. Erstaunen würde allerdings eine so kühne That bey einem so wundersüchtigen Volke, als die Juden waren, erregt haben, aber es wäre doch kein wohlthätiges Wunderwerk, sondern ein Gott ver- suchendes Wagestück gewesen. Merke dir das, verwegener, leichtsinniger Mensch! schen *) Matth. 4, 4.
XII. Betrachtung. Wort, das durch den Mund Gottes gehet, dasheißt: von alle dem, was Gottes Machtwort zum Nahrungsmittel beſtimmt.*) Hier hätte er zwar durch ein Wunder ſeinen Hunger ſtillen, und zu- gleich einen Beweis von ſeiner göttlichen Sendung geben können; allein er wollte nun einmal zur Be- friedigung ſeiner eigenen Bedürfniſſe nichts Außer- ordentliches thun, um auf keine Weiſe irgend ein Mißtrauen gegen Gott zu verrathen. Aus eben dieſem Grunde weigerte er ſich auch, den Vorſchlag des Satans anzunehmen, ſich von der Höhe eines zum Tempel gehörigen Nebengebäudes herab zu ſtür- zen. Erſtaunen würde allerdings eine ſo kühne That bey einem ſo wunderſüchtigen Volke, als die Juden waren, erregt haben, aber es wäre doch kein wohlthätiges Wunderwerk, ſondern ein Gott ver- ſuchendes Wageſtück geweſen. Merke dir das, verwegener, leichtſinniger Menſch! ſchen *) Matth. 4, 4.
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XII. Betrachtung.
Wort, das durch den Mund Gottes gehet, das
heißt: von alle dem, was Gottes Machtwort zum
Nahrungsmittel beſtimmt. *) Hier hätte er zwar
durch ein Wunder ſeinen Hunger ſtillen, und zu-
gleich einen Beweis von ſeiner göttlichen Sendung
geben können; allein er wollte nun einmal zur Be-
friedigung ſeiner eigenen Bedürfniſſe nichts Außer-
ordentliches thun, um auf keine Weiſe irgend ein
Mißtrauen gegen Gott zu verrathen. Aus eben
dieſem Grunde weigerte er ſich auch, den Vorſchlag
des Satans anzunehmen, ſich von der Höhe eines
zum Tempel gehörigen Nebengebäudes herab zu ſtür-
zen. Erſtaunen würde allerdings eine ſo kühne
That bey einem ſo wunderſüchtigen Volke, als die
Juden waren, erregt haben, aber es wäre doch kein
wohlthätiges Wunderwerk, ſondern ein Gott ver-
ſuchendes Wageſtück geweſen.
Merke dir das, verwegener, leichtſinniger Menſch!
Du ſieheſt die augenſcheinlichſte Lebensgefahr vor
dir, du gehſt ihr tollkühn entgegen, und ſprichſt: Gott
wird mich ſchützen. Merke dir das, der du Arbei-
ten übernimmſt, denen du nicht gewachſen biſt, wo-
zu du keine Kräfte und Fähigkeiten haſt, und dabey
denkeſt: Gott wird mich nicht verlaſſen. Merke
dir das, der du bey deinem Mangel, bey deiner Ar-
muth nicht arbeiten, und dich nicht nach andern Men-
ſchen
*) Matth. 4, 4.
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