Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XIX. Betrachtung. Schrift gegeben hat. Denn sein Wort läßt keinenZweifel übrig, und seine Belehrungen können uns nicht täuschen. Was er uns als Wahrheit bekannt gemacht und zu glauben befohlen hat, das müssen wir auch als Wahrheit öffentlich bekennen. Finden wir, daß die Lehren derjenigen Kirche, zu welcher wir gehören, am meisten mit den Belehrungen des göttlichen Worts übereinstimmen, so laßt uns stand- haft bey diesem Bekenntniß beharren. Denn nichts ist schändlicher, als wenn Christen auf eine höchst leichtsinnige Art von einer Kirche zur andern über- treten, ohne daß sie von ihrem Gewissen dazu getrie- ben werden, sondern blos darum, weil irdischer Ge- winn sie lockt. Ein solches leichtsinniges Wechseln des äußerlichen Religionsbekenntnisses, das ohne alle Ueberzeugung, blos aus unedlen Absichten geschiehet, ist eine offenbare Geringschätzung der Wahrheit. Denn wenn man gleich, wie man gemeiniglich solche Wankelmüthige sprechen hört, wenn man gleich im Herzen der zuerst erkannten Wahrheit treu bleibt: so heuchelt man doch auf die schändlichste Art, man wird dadurch der niedrigste Betrüger, der von bey- den Seiten alles Zutrauen verliert. So sehr es in- dessen Pflicht ist, bey dem standhaften Bekenntniß zu derjenigen Kirche, die wir aus Ueberzeugung für die wahre halten, zu bleiben, so giebt uns doch das kein Recht, andere Religionspartheyen zu schmähen oder zu H 5
XIX. Betrachtung. Schrift gegeben hat. Denn ſein Wort läßt keinenZweifel übrig, und ſeine Belehrungen können uns nicht täuſchen. Was er uns als Wahrheit bekannt gemacht und zu glauben befohlen hat, das müſſen wir auch als Wahrheit öffentlich bekennen. Finden wir, daß die Lehren derjenigen Kirche, zu welcher wir gehören, am meiſten mit den Belehrungen des göttlichen Worts übereinſtimmen, ſo laßt uns ſtand- haft bey dieſem Bekenntniß beharren. Denn nichts iſt ſchändlicher, als wenn Chriſten auf eine höchſt leichtſinnige Art von einer Kirche zur andern über- treten, ohne daß ſie von ihrem Gewiſſen dazu getrie- ben werden, ſondern blos darum, weil irdiſcher Ge- winn ſie lockt. Ein ſolches leichtſinniges Wechſeln des äußerlichen Religionsbekenntniſſes, das ohne alle Ueberzeugung, blos aus unedlen Abſichten geſchiehet, iſt eine offenbare Geringſchätzung der Wahrheit. Denn wenn man gleich, wie man gemeiniglich ſolche Wankelmüthige ſprechen hört, wenn man gleich im Herzen der zuerſt erkannten Wahrheit treu bleibt: ſo heuchelt man doch auf die ſchändlichſte Art, man wird dadurch der niedrigſte Betrüger, der von bey- den Seiten alles Zutrauen verliert. So ſehr es in- deſſen Pflicht iſt, bey dem ſtandhaften Bekenntniß zu derjenigen Kirche, die wir aus Ueberzeugung für die wahre halten, zu bleiben, ſo giebt uns doch das kein Recht, andere Religionspartheyen zu ſchmähen oder zu H 5
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XIX. Betrachtung.
Schrift gegeben hat. Denn ſein Wort läßt keinen
Zweifel übrig, und ſeine Belehrungen können uns
nicht täuſchen. Was er uns als Wahrheit bekannt
gemacht und zu glauben befohlen hat, das müſſen
wir auch als Wahrheit öffentlich bekennen. Finden
wir, daß die Lehren derjenigen Kirche, zu welcher
wir gehören, am meiſten mit den Belehrungen des
göttlichen Worts übereinſtimmen, ſo laßt uns ſtand-
haft bey dieſem Bekenntniß beharren. Denn nichts
iſt ſchändlicher, als wenn Chriſten auf eine höchſt
leichtſinnige Art von einer Kirche zur andern über-
treten, ohne daß ſie von ihrem Gewiſſen dazu getrie-
ben werden, ſondern blos darum, weil irdiſcher Ge-
winn ſie lockt. Ein ſolches leichtſinniges Wechſeln
des äußerlichen Religionsbekenntniſſes, das ohne alle
Ueberzeugung, blos aus unedlen Abſichten geſchiehet,
iſt eine offenbare Geringſchätzung der Wahrheit.
Denn wenn man gleich, wie man gemeiniglich ſolche
Wankelmüthige ſprechen hört, wenn man gleich im
Herzen der zuerſt erkannten Wahrheit treu bleibt:
ſo heuchelt man doch auf die ſchändlichſte Art, man
wird dadurch der niedrigſte Betrüger, der von bey-
den Seiten alles Zutrauen verliert. So ſehr es in-
deſſen Pflicht iſt, bey dem ſtandhaften Bekenntniß zu
derjenigen Kirche, die wir aus Ueberzeugung für die
wahre halten, zu bleiben, ſo giebt uns doch das kein
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