Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XIX. Betrachtung. zu verdammen; wir müssen vielmehr Gott preisen,daß er uns mehr Licht und größere Vorzüge, als an- dern, gegeben hat. Laßt uns mit Freuden und mit Dank aus einer reinen Quelle klares Wasser schöpfen! Laßt uns aber diejenigen nicht verachten, die noch aus einem getrübten Bache trinken müssen. Nie wollen wir uns schämen, die äußerlichen Gebräuche unserer Kirche zu beobachten; auch da nicht, wenn leichtsin- nige Menschen das Schwärmerey und Aberglauben nennen. Denn wer aus Menschenfurcht und aus Menschengefälligkeit den Schein der Jrreligiosität annimmt, der ist ein Niederträchtiger, der schämt sich der höchsten Würde des Menschen. Am mei- sten laßt uns aber darauf bedacht seyn, die Religion nicht blos mit dem Munde und durch äußerliche Ge- bräuche zu bekennen, sondern vornemlich durch un- sere Gesinnungen und durch unsern Wandel. Denn wenn unser Betragen der Religion nicht Ehre macht, so hilft uns das Bekenntniß derselben nichts, sondern es vermehrt unsre Strafbarkeit. Erhalte mich also, o Jesu, in dem Bekenntniß Nie *) Joh. 6, 68.
XIX. Betrachtung. zu verdammen; wir müſſen vielmehr Gott preiſen,daß er uns mehr Licht und größere Vorzüge, als an- dern, gegeben hat. Laßt uns mit Freuden und mit Dank aus einer reinen Quelle klares Waſſer ſchöpfen! Laßt uns aber diejenigen nicht verachten, die noch aus einem getrübten Bache trinken müſſen. Nie wollen wir uns ſchämen, die äußerlichen Gebräuche unſerer Kirche zu beobachten; auch da nicht, wenn leichtſin- nige Menſchen das Schwärmerey und Aberglauben nennen. Denn wer aus Menſchenfurcht und aus Menſchengefälligkeit den Schein der Jrreligioſität annimmt, der iſt ein Niederträchtiger, der ſchämt ſich der höchſten Würde des Menſchen. Am mei- ſten laßt uns aber darauf bedacht ſeyn, die Religion nicht blos mit dem Munde und durch äußerliche Ge- bräuche zu bekennen, ſondern vornemlich durch un- ſere Geſinnungen und durch unſern Wandel. Denn wenn unſer Betragen der Religion nicht Ehre macht, ſo hilft uns das Bekenntniß derſelben nichts, ſondern es vermehrt unſre Strafbarkeit. Erhalte mich alſo, o Jeſu, in dem Bekenntniß Nie *) Joh. 6, 68.
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XIX. Betrachtung.
zu verdammen; wir müſſen vielmehr Gott preiſen,
daß er uns mehr Licht und größere Vorzüge, als an-
dern, gegeben hat. Laßt uns mit Freuden und mit
Dank aus einer reinen Quelle klares Waſſer ſchöpfen!
Laßt uns aber diejenigen nicht verachten, die noch aus
einem getrübten Bache trinken müſſen. Nie wollen
wir uns ſchämen, die äußerlichen Gebräuche unſerer
Kirche zu beobachten; auch da nicht, wenn leichtſin-
nige Menſchen das Schwärmerey und Aberglauben
nennen. Denn wer aus Menſchenfurcht und aus
Menſchengefälligkeit den Schein der Jrreligioſität
annimmt, der iſt ein Niederträchtiger, der ſchämt
ſich der höchſten Würde des Menſchen. Am mei-
ſten laßt uns aber darauf bedacht ſeyn, die Religion
nicht blos mit dem Munde und durch äußerliche Ge-
bräuche zu bekennen, ſondern vornemlich durch un-
ſere Geſinnungen und durch unſern Wandel. Denn
wenn unſer Betragen der Religion nicht Ehre macht,
ſo hilft uns das Bekenntniß derſelben nichts, ſondern
es vermehrt unſre Strafbarkeit.
Erhalte mich alſo, o Jeſu, in dem Bekenntniß
deiner Lehre und in der Befolgung derſelben bis ans
Ende. Weder Moſes, noch irgend ein anderer Pro-
phet oder Stifter einer Religionsparthey, ſoll mein
Lehrer und Führer auf dem Wege zum Himmel ſeyn,
ſondern du, o Jeſu, allein ſollſt es bleiben; denn
du haſt Worte des ewigen Lebens. *)
Nie
*) Joh. 6, 68.
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