Dreyundzwanzigste Betrachtung. Jesu herzliche Theilnehmung an den freudigen und traurigen Schicksalen seiner Mit- menschen.
Röm. 12, 15.
Freuet euch mit den Fröhlichen! Weinet mit den Wei- nenden!
Wenn so viele Christen in Absicht auf das Gute und Böse, das ihren Nebenmenschen wieder- fährt, in einem hohen Grade gleichgültig sind: so muß es für sie sehr beschämend seyn, wenn sie sehen, welch einen herzlichen Antheil Jesus an fremden Schicksalen nahm, wie theilnehmend er sich für alles intereßirte, was ihn umgab, und was seine Mitmen- schen in der Nähe und in der Ferne angieng. Stets war das Glück der Menschen der Lieblingswunsch sei- ner Seele; und für ihn war es gewiß die reinste Freude, wenn er sahe, daß es andern wohl gieng. Denn alles was er that, arbeitete und litte, das ziel- te auf die menschliche Glückseligkeit ab: Er war ge- kommen, zu suchen und selig zu machen, was ver- lohren war;*)er war gekommen, daß sie das Le- ben und volle Gnüge haben sollen, das heißt: um
ihnen
*) Matth. 18, 11.
K 2
Dreyundzwanzigſte Betrachtung. Jeſu herzliche Theilnehmung an den freudigen und traurigen Schickſalen ſeiner Mit- menſchen.
Röm. 12, 15.
Freuet euch mit den Fröhlichen! Weinet mit den Wei- nenden!
Wenn ſo viele Chriſten in Abſicht auf das Gute und Böſe, das ihren Nebenmenſchen wieder- fährt, in einem hohen Grade gleichgültig ſind: ſo muß es für ſie ſehr beſchämend ſeyn, wenn ſie ſehen, welch einen herzlichen Antheil Jeſus an fremden Schickſalen nahm, wie theilnehmend er ſich für alles intereßirte, was ihn umgab, und was ſeine Mitmen- ſchen in der Nähe und in der Ferne angieng. Stets war das Glück der Menſchen der Lieblingswunſch ſei- ner Seele; und für ihn war es gewiß die reinſte Freude, wenn er ſahe, daß es andern wohl gieng. Denn alles was er that, arbeitete und litte, das ziel- te auf die menſchliche Glückſeligkeit ab: Er war ge- kommen, zu ſuchen und ſelig zu machen, was ver- lohren war;*)er war gekommen, daß ſie das Le- ben und volle Gnüge haben ſollen, das heißt: um
ihnen
*) Matth. 18, 11.
K 2
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0173"n="147"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head>Dreyundzwanzigſte Betrachtung.<lb/>
Jeſu herzliche Theilnehmung an den freudigen<lb/>
und traurigen Schickſalen ſeiner Mit-<lb/>
menſchen.</head><lb/><p><hirendition="#c">Röm. 12, 15.</hi></p><lb/><p>Freuet euch mit den Fröhlichen! Weinet mit den Wei-<lb/>
nenden!</p><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>enn ſo viele Chriſten in Abſicht auf das Gute<lb/>
und Böſe, das ihren Nebenmenſchen wieder-<lb/>
fährt, in einem hohen Grade gleichgültig ſind: ſo<lb/>
muß es für ſie ſehr beſchämend ſeyn, wenn ſie ſehen,<lb/>
welch einen herzlichen Antheil Jeſus an fremden<lb/>
Schickſalen nahm, wie theilnehmend er ſich für alles<lb/>
intereßirte, was ihn umgab, und was ſeine Mitmen-<lb/>ſchen in der Nähe und in der Ferne angieng. Stets<lb/>
war das Glück der Menſchen der Lieblingswunſch ſei-<lb/>
ner Seele; und für ihn war es gewiß die reinſte<lb/>
Freude, wenn er ſahe, daß es andern wohl gieng.<lb/>
Denn alles was er that, arbeitete und litte, das ziel-<lb/>
te auf die menſchliche Glückſeligkeit ab: <hirendition="#fr">Er war ge-<lb/>
kommen, zu ſuchen und ſelig zu machen, was ver-<lb/>
lohren war;</hi><noteplace="foot"n="*)">Matth. 18, 11.</note><hirendition="#fr">er war gekommen, daß ſie das Le-<lb/>
ben und volle Gnüge haben ſollen,</hi> das heißt: um<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">ihnen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[147/0173]
Dreyundzwanzigſte Betrachtung.
Jeſu herzliche Theilnehmung an den freudigen
und traurigen Schickſalen ſeiner Mit-
menſchen.
Röm. 12, 15.
Freuet euch mit den Fröhlichen! Weinet mit den Wei-
nenden!
Wenn ſo viele Chriſten in Abſicht auf das Gute
und Böſe, das ihren Nebenmenſchen wieder-
fährt, in einem hohen Grade gleichgültig ſind: ſo
muß es für ſie ſehr beſchämend ſeyn, wenn ſie ſehen,
welch einen herzlichen Antheil Jeſus an fremden
Schickſalen nahm, wie theilnehmend er ſich für alles
intereßirte, was ihn umgab, und was ſeine Mitmen-
ſchen in der Nähe und in der Ferne angieng. Stets
war das Glück der Menſchen der Lieblingswunſch ſei-
ner Seele; und für ihn war es gewiß die reinſte
Freude, wenn er ſahe, daß es andern wohl gieng.
Denn alles was er that, arbeitete und litte, das ziel-
te auf die menſchliche Glückſeligkeit ab: Er war ge-
kommen, zu ſuchen und ſelig zu machen, was ver-
lohren war; *) er war gekommen, daß ſie das Le-
ben und volle Gnüge haben ſollen, das heißt: um
ihnen
*) Matth. 18, 11.
K 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/173>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.