Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

XXV. Betrachtung.
nicht die Frommen. Er wußte, daß es Gott ange-
nehm sey, wenn man seine Menschen, die auf bösen
Wegen gehen, auf den Weg der Tugend zurück-
führt. Er wußte, daß Gott keinen Wohlgefallen
am Verderben des Sünders habe, daß er sich viel-
mehr über dessen Wiederkehr zur Tugend ausneh-
mend freue. Er wußte, daß Gott seine verirrten
Menschen nicht aus der Acht lasse, daß er sie viel-
mehr eben so eifrig suche, wie ein Hirte sein verlohr-
nes Schaaf. Darum floh er auch die Sünder nicht,
um sie durch seinen Unterricht und durch seine Er-
mahnungen zur Erkenntniß Gottes und ihrer Pflich-
ten, um sie zur wahren Tugend und Rechtschaffen-
heit des Lebens zu bringen. Jhm, der so begierig
suchte, selig zu machen, was verlohren war, ihm
war keiner zu geringe und zu verächtlich, wenn er
nur einigermaßen Hofnung von sich gab, daß er
könnte gewonnen werden. Seine edlen und men-
schenfreundlichen Bemühungen blieben auch nicht un-
belohnt, indem viele Lasterhafte durch ihn zum Nach-
denken gebracht, und auf einen guten Weg geleitet
wurden, so daß sie es ihm hernach sehr Dank wußten.
Wie gerührt, wie dankbar war nicht jene gebesserte
Sünderin, vielleicht Maria Magdalena, gegen Je-
sum, der ihr verwundetes Gewissen mit Rath und
Trost geheilet, und ihr wieder zur Gemüthsruhe ge-
holfen hatte. Jhr ganzes Betragen zeigte von viel

guten
L 2

XXV. Betrachtung.
nicht die Frommen. Er wußte, daß es Gott ange-
nehm ſey, wenn man ſeine Menſchen, die auf böſen
Wegen gehen, auf den Weg der Tugend zurück-
führt. Er wußte, daß Gott keinen Wohlgefallen
am Verderben des Sünders habe, daß er ſich viel-
mehr über deſſen Wiederkehr zur Tugend ausneh-
mend freue. Er wußte, daß Gott ſeine verirrten
Menſchen nicht aus der Acht laſſe, daß er ſie viel-
mehr eben ſo eifrig ſuche, wie ein Hirte ſein verlohr-
nes Schaaf. Darum floh er auch die Sünder nicht,
um ſie durch ſeinen Unterricht und durch ſeine Er-
mahnungen zur Erkenntniß Gottes und ihrer Pflich-
ten, um ſie zur wahren Tugend und Rechtſchaffen-
heit des Lebens zu bringen. Jhm, der ſo begierig
ſuchte, ſelig zu machen, was verlohren war, ihm
war keiner zu geringe und zu verächtlich, wenn er
nur einigermaßen Hofnung von ſich gab, daß er
könnte gewonnen werden. Seine edlen und men-
ſchenfreundlichen Bemühungen blieben auch nicht un-
belohnt, indem viele Laſterhafte durch ihn zum Nach-
denken gebracht, und auf einen guten Weg geleitet
wurden, ſo daß ſie es ihm hernach ſehr Dank wußten.
Wie gerührt, wie dankbar war nicht jene gebeſſerte
Sünderin, vielleicht Maria Magdalena, gegen Je-
ſum, der ihr verwundetes Gewiſſen mit Rath und
Troſt geheilet, und ihr wieder zur Gemüthsruhe ge-
holfen hatte. Jhr ganzes Betragen zeigte von viel

guten
L 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0189" n="163"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XXV.</hi> Betrachtung.</fw><lb/><hi rendition="#fr">nicht die Frommen.</hi> Er wußte, daß es Gott ange-<lb/>
nehm &#x017F;ey, wenn man &#x017F;eine Men&#x017F;chen, die auf bö&#x017F;en<lb/>
Wegen gehen, auf den Weg der Tugend zurück-<lb/>
führt. Er wußte, daß Gott keinen Wohlgefallen<lb/>
am Verderben des Sünders habe, daß er &#x017F;ich viel-<lb/>
mehr über de&#x017F;&#x017F;en Wiederkehr zur Tugend ausneh-<lb/>
mend freue. Er wußte, daß Gott &#x017F;eine verirrten<lb/>
Men&#x017F;chen nicht aus der Acht la&#x017F;&#x017F;e, daß er &#x017F;ie viel-<lb/>
mehr eben &#x017F;o eifrig &#x017F;uche, wie ein Hirte &#x017F;ein verlohr-<lb/>
nes Schaaf. Darum floh er auch die Sünder nicht,<lb/>
um &#x017F;ie durch &#x017F;einen Unterricht und durch &#x017F;eine Er-<lb/>
mahnungen zur Erkenntniß Gottes und ihrer Pflich-<lb/>
ten, um &#x017F;ie zur wahren Tugend und Recht&#x017F;chaffen-<lb/>
heit des Lebens zu bringen. Jhm, der &#x017F;o begierig<lb/>
&#x017F;uchte, &#x017F;elig zu machen, was verlohren war, ihm<lb/>
war keiner zu geringe und zu verächtlich, wenn er<lb/>
nur einigermaßen Hofnung von &#x017F;ich gab, daß er<lb/>
könnte gewonnen werden. Seine edlen und men-<lb/>
&#x017F;chenfreundlichen Bemühungen blieben auch nicht un-<lb/>
belohnt, indem viele La&#x017F;terhafte durch ihn zum Nach-<lb/>
denken gebracht, und auf einen guten Weg geleitet<lb/>
wurden, &#x017F;o daß &#x017F;ie es ihm hernach &#x017F;ehr Dank wußten.<lb/>
Wie gerührt, wie dankbar war nicht jene gebe&#x017F;&#x017F;erte<lb/>
Sünderin, vielleicht Maria Magdalena, gegen Je-<lb/>
&#x017F;um, der ihr verwundetes Gewi&#x017F;&#x017F;en mit Rath und<lb/>
Tro&#x017F;t geheilet, und ihr wieder zur Gemüthsruhe ge-<lb/>
holfen hatte. Jhr ganzes Betragen zeigte von viel<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 2</fw><fw place="bottom" type="catch">guten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[163/0189] XXV. Betrachtung. nicht die Frommen. Er wußte, daß es Gott ange- nehm ſey, wenn man ſeine Menſchen, die auf böſen Wegen gehen, auf den Weg der Tugend zurück- führt. Er wußte, daß Gott keinen Wohlgefallen am Verderben des Sünders habe, daß er ſich viel- mehr über deſſen Wiederkehr zur Tugend ausneh- mend freue. Er wußte, daß Gott ſeine verirrten Menſchen nicht aus der Acht laſſe, daß er ſie viel- mehr eben ſo eifrig ſuche, wie ein Hirte ſein verlohr- nes Schaaf. Darum floh er auch die Sünder nicht, um ſie durch ſeinen Unterricht und durch ſeine Er- mahnungen zur Erkenntniß Gottes und ihrer Pflich- ten, um ſie zur wahren Tugend und Rechtſchaffen- heit des Lebens zu bringen. Jhm, der ſo begierig ſuchte, ſelig zu machen, was verlohren war, ihm war keiner zu geringe und zu verächtlich, wenn er nur einigermaßen Hofnung von ſich gab, daß er könnte gewonnen werden. Seine edlen und men- ſchenfreundlichen Bemühungen blieben auch nicht un- belohnt, indem viele Laſterhafte durch ihn zum Nach- denken gebracht, und auf einen guten Weg geleitet wurden, ſo daß ſie es ihm hernach ſehr Dank wußten. Wie gerührt, wie dankbar war nicht jene gebeſſerte Sünderin, vielleicht Maria Magdalena, gegen Je- ſum, der ihr verwundetes Gewiſſen mit Rath und Troſt geheilet, und ihr wieder zur Gemüthsruhe ge- holfen hatte. Jhr ganzes Betragen zeigte von viel guten L 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/189
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/189>, abgerufen am 21.11.2024.