Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

XXX. Betrachtung.
chen Gelegenheiten, wo es auf die Bekanntmachung
seiner Person und höhern Würde ankam, beobachte-
te? Ohnstreitig daher, weil man darauf noch nicht
genug vorbereitet war, weil man sich damals unter
den Juden lauter falsche, widersprechende Vorstel-
lungen von dem Meßias machte, und weil es noch
nicht Zeit war, Jesum überall als den Meßias be-
kannt zu machen, woferne nicht der größte Mißbrauch
daraus entstehen sollte. Dies gereicht aber seiner
Wahrheitsliebe nicht zum Nachtheil, da er theils
durch seine Worte so viel ausdrückte, als für Wahr-
heit suchende Gemüther nöthig war, theils weil seine
vielen Wunder es laut genug verkündigten, daß er
der Meßias, der erhabene Sohn Gottes seyn müsse.
Denn mehrmals sagte er unvermerkt, wer sein eigent-
licher Vater sey, nehmlich Gott selbst.*) Nur daß
man die Reden Jesu selten so beherzigte, als es hätte
geschehen sollen. Am meisten aber berufte er sich
auf seine Wunder. Daher sagt er auch bey einer
andern Veranlassung, als ihn die Juden am Kirch-
weyhfeste umringten, und fragten: Wie lange häl-
test du unsere Seelen auf? Bist du Christus, so sage
es uns frey heraus. Jch habe es euch gesagt, und
ihr glaubet nicht. Die Werke, die ich thue in mei-
nes Vaters Namen, die zeugen von mir.
**) Als
ferner der gefangene Johannes seine Schüler an Je-

sum
*) Matth. 12, 50.
**) Joh. 10, 24. 25.
N 2

XXX. Betrachtung.
chen Gelegenheiten, wo es auf die Bekanntmachung
ſeiner Perſon und höhern Würde ankam, beobachte-
te? Ohnſtreitig daher, weil man darauf noch nicht
genug vorbereitet war, weil man ſich damals unter
den Juden lauter falſche, widerſprechende Vorſtel-
lungen von dem Meßias machte, und weil es noch
nicht Zeit war, Jeſum überall als den Meßias be-
kannt zu machen, woferne nicht der größte Mißbrauch
daraus entſtehen ſollte. Dies gereicht aber ſeiner
Wahrheitsliebe nicht zum Nachtheil, da er theils
durch ſeine Worte ſo viel ausdrückte, als für Wahr-
heit ſuchende Gemüther nöthig war, theils weil ſeine
vielen Wunder es laut genug verkündigten, daß er
der Meßias, der erhabene Sohn Gottes ſeyn müſſe.
Denn mehrmals ſagte er unvermerkt, wer ſein eigent-
licher Vater ſey, nehmlich Gott ſelbſt.*) Nur daß
man die Reden Jeſu ſelten ſo beherzigte, als es hätte
geſchehen ſollen. Am meiſten aber berufte er ſich
auf ſeine Wunder. Daher ſagt er auch bey einer
andern Veranlaſſung, als ihn die Juden am Kirch-
weyhfeſte umringten, und fragten: Wie lange häl-
teſt du unſere Seelen auf? Biſt du Chriſtus, ſo ſage
es uns frey heraus. Jch habe es euch geſagt, und
ihr glaubet nicht. Die Werke, die ich thue in mei-
nes Vaters Namen, die zeugen von mir.
**) Als
ferner der gefangene Johannes ſeine Schüler an Je-

ſum
*) Matth. 12, 50.
**) Joh. 10, 24. 25.
N 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0221" n="195"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XXX.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
chen Gelegenheiten, wo es auf die Bekanntmachung<lb/>
&#x017F;einer Per&#x017F;on und höhern Würde ankam, beobachte-<lb/>
te? Ohn&#x017F;treitig daher, weil man darauf noch nicht<lb/>
genug vorbereitet war, weil man &#x017F;ich damals unter<lb/>
den Juden lauter fal&#x017F;che, wider&#x017F;prechende Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen von dem Meßias machte, und weil es noch<lb/>
nicht Zeit war, Je&#x017F;um überall als den Meßias be-<lb/>
kannt zu machen, woferne nicht der größte Mißbrauch<lb/>
daraus ent&#x017F;tehen &#x017F;ollte. Dies gereicht aber &#x017F;einer<lb/>
Wahrheitsliebe nicht zum Nachtheil, da er theils<lb/>
durch &#x017F;eine Worte &#x017F;o viel ausdrückte, als für Wahr-<lb/>
heit &#x017F;uchende Gemüther nöthig war, theils weil &#x017F;eine<lb/>
vielen Wunder es laut genug verkündigten, daß er<lb/>
der Meßias, der erhabene Sohn Gottes &#x017F;eyn mü&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Denn mehrmals &#x017F;agte er unvermerkt, wer &#x017F;ein eigent-<lb/>
licher Vater &#x017F;ey, nehmlich Gott &#x017F;elb&#x017F;t.<note place="foot" n="*)">Matth. 12, 50.</note> Nur daß<lb/>
man die Reden Je&#x017F;u &#x017F;elten &#x017F;o beherzigte, als es hätte<lb/>
ge&#x017F;chehen &#x017F;ollen. Am mei&#x017F;ten aber berufte er &#x017F;ich<lb/>
auf &#x017F;eine Wunder. Daher &#x017F;agt er auch bey einer<lb/>
andern Veranla&#x017F;&#x017F;ung, als ihn die Juden am Kirch-<lb/>
weyhfe&#x017F;te umringten, und fragten: <hi rendition="#fr">Wie lange häl-<lb/>
te&#x017F;t du un&#x017F;ere Seelen auf? Bi&#x017F;t du Chri&#x017F;tus, &#x017F;o &#x017F;age<lb/>
es uns frey heraus. Jch habe es euch ge&#x017F;agt, und<lb/>
ihr glaubet nicht. Die Werke, die ich thue in mei-<lb/>
nes Vaters Namen, die zeugen von mir.</hi><note place="foot" n="**)">Joh. 10, 24. 25.</note> Als<lb/>
ferner der gefangene Johannes &#x017F;eine Schüler an Je-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 2</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;um</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0221] XXX. Betrachtung. chen Gelegenheiten, wo es auf die Bekanntmachung ſeiner Perſon und höhern Würde ankam, beobachte- te? Ohnſtreitig daher, weil man darauf noch nicht genug vorbereitet war, weil man ſich damals unter den Juden lauter falſche, widerſprechende Vorſtel- lungen von dem Meßias machte, und weil es noch nicht Zeit war, Jeſum überall als den Meßias be- kannt zu machen, woferne nicht der größte Mißbrauch daraus entſtehen ſollte. Dies gereicht aber ſeiner Wahrheitsliebe nicht zum Nachtheil, da er theils durch ſeine Worte ſo viel ausdrückte, als für Wahr- heit ſuchende Gemüther nöthig war, theils weil ſeine vielen Wunder es laut genug verkündigten, daß er der Meßias, der erhabene Sohn Gottes ſeyn müſſe. Denn mehrmals ſagte er unvermerkt, wer ſein eigent- licher Vater ſey, nehmlich Gott ſelbſt. *) Nur daß man die Reden Jeſu ſelten ſo beherzigte, als es hätte geſchehen ſollen. Am meiſten aber berufte er ſich auf ſeine Wunder. Daher ſagt er auch bey einer andern Veranlaſſung, als ihn die Juden am Kirch- weyhfeſte umringten, und fragten: Wie lange häl- teſt du unſere Seelen auf? Biſt du Chriſtus, ſo ſage es uns frey heraus. Jch habe es euch geſagt, und ihr glaubet nicht. Die Werke, die ich thue in mei- nes Vaters Namen, die zeugen von mir. **) Als ferner der gefangene Johannes ſeine Schüler an Je- ſum *) Matth. 12, 50. **) Joh. 10, 24. 25. N 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/221
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/221>, abgerufen am 21.11.2024.