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Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

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XXXI. Betrachtung.
für mich oder für andere wichtig ist. Besonders
will ich mich gerne nach den Absichten und Gesinnun-
gen meiner Mitmenschen bequemen, auch nach dem
Geschmacke eines jeden mich richten, in so weit es
Tugend und Rechtschaffenheit erlauben; denn die
Religion soll auch hier meine Lehrerin seyn, weil sie
mir am besten sagt, was mir und meinen Nebenmen-
schen bleibenden Vortheil bringt. Ferne sey daher
alle Falschheit und Arglist von mir, wenn man gleich
diese Laster oft mit dem glänzenden Namen der Klug-
heit belegt und ausschmückt. Denn Falschheit kann
nie und in keinem Falle entschuldiget werden; Arglist
zieht allemal traurige Folgen nach sich, und wenn sie
entdeckt wird, so ist unauslöschbare Schande die un-
vermeidliche Strafe, die darauf erfolget. Oft will
ich in dieser Rücksicht jene Ermahnung beherzigen,
die Jesus seinen Schülern gab: seyd klug wie die
Schlangen, doch ohne Falsch wie die Tauben.
*)
Eine Regel, die gewiß zum glücklichen Fortkommen
in der Welt sehr nöthig ist. Verabscheuen will ich
jeden listigen Betrug, jeden niedrigen Kunstgrif, wenn
gleich die große Welt, die oft sehr klein denkt, dieses
alles weise Klugheit nennt. Strenge Rechtschaffen-
heit soll stets mit meinem klugen Benehmen verschwi-
stert seyn; nie will ich mir etwas erlauben, das un-
ter der Würde des ehrlichen Mannes, des aufrich-

tigen
*) Matth. 10, 16.

XXXI. Betrachtung.
für mich oder für andere wichtig iſt. Beſonders
will ich mich gerne nach den Abſichten und Geſinnun-
gen meiner Mitmenſchen bequemen, auch nach dem
Geſchmacke eines jeden mich richten, in ſo weit es
Tugend und Rechtſchaffenheit erlauben; denn die
Religion ſoll auch hier meine Lehrerin ſeyn, weil ſie
mir am beſten ſagt, was mir und meinen Nebenmen-
ſchen bleibenden Vortheil bringt. Ferne ſey daher
alle Falſchheit und Argliſt von mir, wenn man gleich
dieſe Laſter oft mit dem glänzenden Namen der Klug-
heit belegt und ausſchmückt. Denn Falſchheit kann
nie und in keinem Falle entſchuldiget werden; Argliſt
zieht allemal traurige Folgen nach ſich, und wenn ſie
entdeckt wird, ſo iſt unauslöſchbare Schande die un-
vermeidliche Strafe, die darauf erfolget. Oft will
ich in dieſer Rückſicht jene Ermahnung beherzigen,
die Jeſus ſeinen Schülern gab: ſeyd klug wie die
Schlangen, doch ohne Falſch wie die Tauben.
*)
Eine Regel, die gewiß zum glücklichen Fortkommen
in der Welt ſehr nöthig iſt. Verabſcheuen will ich
jeden liſtigen Betrug, jeden niedrigen Kunſtgrif, wenn
gleich die große Welt, die oft ſehr klein denkt, dieſes
alles weiſe Klugheit nennt. Strenge Rechtſchaffen-
heit ſoll ſtets mit meinem klugen Benehmen verſchwi-
ſtert ſeyn; nie will ich mir etwas erlauben, das un-
ter der Würde des ehrlichen Mannes, des aufrich-

tigen
*) Matth. 10, 16.
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[206/0232] XXXI. Betrachtung. für mich oder für andere wichtig iſt. Beſonders will ich mich gerne nach den Abſichten und Geſinnun- gen meiner Mitmenſchen bequemen, auch nach dem Geſchmacke eines jeden mich richten, in ſo weit es Tugend und Rechtſchaffenheit erlauben; denn die Religion ſoll auch hier meine Lehrerin ſeyn, weil ſie mir am beſten ſagt, was mir und meinen Nebenmen- ſchen bleibenden Vortheil bringt. Ferne ſey daher alle Falſchheit und Argliſt von mir, wenn man gleich dieſe Laſter oft mit dem glänzenden Namen der Klug- heit belegt und ausſchmückt. Denn Falſchheit kann nie und in keinem Falle entſchuldiget werden; Argliſt zieht allemal traurige Folgen nach ſich, und wenn ſie entdeckt wird, ſo iſt unauslöſchbare Schande die un- vermeidliche Strafe, die darauf erfolget. Oft will ich in dieſer Rückſicht jene Ermahnung beherzigen, die Jeſus ſeinen Schülern gab: ſeyd klug wie die Schlangen, doch ohne Falſch wie die Tauben. *) Eine Regel, die gewiß zum glücklichen Fortkommen in der Welt ſehr nöthig iſt. Verabſcheuen will ich jeden liſtigen Betrug, jeden niedrigen Kunſtgrif, wenn gleich die große Welt, die oft ſehr klein denkt, dieſes alles weiſe Klugheit nennt. Strenge Rechtſchaffen- heit ſoll ſtets mit meinem klugen Benehmen verſchwi- ſtert ſeyn; nie will ich mir etwas erlauben, das un- ter der Würde des ehrlichen Mannes, des aufrich- tigen *) Matth. 10, 16.

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/232>, abgerufen am 21.11.2024.