Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXXIII. Betrachtung. lungen, ruhige Appellation an den gesunden Men-schenverstand, der das Ungereimte in falschen Ankla- gen leicht sieht, war alles, was er seinen hitzigen Gegnern entgegen stellte. Nannten sie ihn einen Gotteslästerer, als er einem Reuevollen den Trost der Vergebung der Sünden verkündigte, so sprach er: Warum denket ihr so Arges in euern Herzen? wel- ches ist leichter zu sagen, dir sind deine Sünden ver- geben, oder zu sagen: stehe auf und wandle.*) Zu- gleich aber zeigte er ihnen auch, daß er Vollmacht habe, Sünde zu vergeben, indem er den Kranken vor ihren Augen gesund machte, und seine gehäßigen Ankläger durch die That widerlegte. Nannten sie ihn einen Samariter, welches unter den Juden für eine sehr entehrende Beschimpfung gehalten wurde, so gab er nichts weiter zur Antwort, als dieses: Jch habe keinen Teufel, sondern ich ehre meinen Vater, aber ihr unehret mich.**) Tadelte man ihn, daß er mit Zolleinnehmern und berüchtigten Sündern um- gieng, so vertheidigte er sich blos dadurch, daß er sagte: Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, son- dern die Kranken.***) Mit wenig Worten, aber mit Nachdruck und Weisheit vertheidigte er sich ge- gen seine lieblosen Tadler; am meisten widerlegte er ihre ungegründeten Urtheile durch sein ganzes Betra- gen, welches immer gerade das Gegentheil von dem war, *) Matth. 9, 4. 5. **) Joh. 8, 49. ***) Luc. 3, 31.
XXXIII. Betrachtung. lungen, ruhige Appellation an den geſunden Men-ſchenverſtand, der das Ungereimte in falſchen Ankla- gen leicht ſieht, war alles, was er ſeinen hitzigen Gegnern entgegen ſtellte. Nannten ſie ihn einen Gottesläſterer, als er einem Reuevollen den Troſt der Vergebung der Sünden verkündigte, ſo ſprach er: Warum denket ihr ſo Arges in euern Herzen? wel- ches iſt leichter zu ſagen, dir ſind deine Sünden ver- geben, oder zu ſagen: ſtehe auf und wandle.*) Zu- gleich aber zeigte er ihnen auch, daß er Vollmacht habe, Sünde zu vergeben, indem er den Kranken vor ihren Augen geſund machte, und ſeine gehäßigen Ankläger durch die That widerlegte. Nannten ſie ihn einen Samariter, welches unter den Juden für eine ſehr entehrende Beſchimpfung gehalten wurde, ſo gab er nichts weiter zur Antwort, als dieſes: Jch habe keinen Teufel, ſondern ich ehre meinen Vater, aber ihr unehret mich.**) Tadelte man ihn, daß er mit Zolleinnehmern und berüchtigten Sündern um- gieng, ſo vertheidigte er ſich blos dadurch, daß er ſagte: Die Geſunden bedürfen des Arztes nicht, ſon- dern die Kranken.***) Mit wenig Worten, aber mit Nachdruck und Weisheit vertheidigte er ſich ge- gen ſeine liebloſen Tadler; am meiſten widerlegte er ihre ungegründeten Urtheile durch ſein ganzes Betra- gen, welches immer gerade das Gegentheil von dem war, *) Matth. 9, 4. 5. **) Joh. 8, 49. ***) Luc. 3, 31.
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XXXIII. Betrachtung.
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ſchenverſtand, der das Ungereimte in falſchen Ankla-
gen leicht ſieht, war alles, was er ſeinen hitzigen
Gegnern entgegen ſtellte. Nannten ſie ihn einen
Gottesläſterer, als er einem Reuevollen den Troſt
der Vergebung der Sünden verkündigte, ſo ſprach er:
Warum denket ihr ſo Arges in euern Herzen? wel-
ches iſt leichter zu ſagen, dir ſind deine Sünden ver-
geben, oder zu ſagen: ſtehe auf und wandle. *) Zu-
gleich aber zeigte er ihnen auch, daß er Vollmacht
habe, Sünde zu vergeben, indem er den Kranken
vor ihren Augen geſund machte, und ſeine gehäßigen
Ankläger durch die That widerlegte. Nannten ſie
ihn einen Samariter, welches unter den Juden für
eine ſehr entehrende Beſchimpfung gehalten wurde,
ſo gab er nichts weiter zur Antwort, als dieſes: Jch
habe keinen Teufel, ſondern ich ehre meinen Vater,
aber ihr unehret mich. **) Tadelte man ihn, daß er
mit Zolleinnehmern und berüchtigten Sündern um-
gieng, ſo vertheidigte er ſich blos dadurch, daß er
ſagte: Die Geſunden bedürfen des Arztes nicht, ſon-
dern die Kranken. ***) Mit wenig Worten, aber
mit Nachdruck und Weisheit vertheidigte er ſich ge-
gen ſeine liebloſen Tadler; am meiſten widerlegte er
ihre ungegründeten Urtheile durch ſein ganzes Betra-
gen, welches immer gerade das Gegentheil von dem
war,
*) Matth. 9, 4. 5.
**) Joh. 8, 49.
***) Luc. 3, 31.
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