Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XXXIV. Betrachtung. digte: ich habe für dich gebeten, daß dein Glaubenicht aufhöre,*) daß auch bey den heftigsten Versu- chungen, mir untreu zu werden, deine Rechtschaf- fenheit und dein Vertrauen zu mir, nicht ganz auf- hören möchten. Wer erstaunt nicht, wenn er den Erlöser noch am Kreuze für seine Mörder, für die Werkzeuge seiner Schmach beten höret: Vater! vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun. Und wenn Jesus so auf einem stillen Berge, oder in einer einsamen Nacht sich mit Gott unterhielt, was that er da? betete er nicht für das stufenweise Wachs- thum seiner Jünger, für die Erleuchtung und Bes- serung seiner Landsleute? flehte er da nicht Gott für alle Elende und Unglückliche an? legte er ihm da nicht die Bedürfnisse aller Menschen vor? empfahl er sie da nicht alle der gnädigen Leitung und Führung seines Vaters im Himmel? Wenn nun aber Jesus, der so viel geben konnte, und auch in der That so viel Wohlthaten den Menschen erwies, wenn der gleich- wohl für seine Freunde und Feinde betete, wenn der ihre Wünsche und Bedürfnisse Gott so feyerlich, so rührend vortrug; sollte es für uns nicht noch viel nöthiger seyn, für andre zu beten? da wir auch bey dem besten Willen und bey dem redlichsten Herzen lange nicht so viel thun und geben können, als Je- sus that und gab? Nun *) Lue. 22, 37. **) Luc. 23, 34.
XXXIV. Betrachtung. digte: ich habe für dich gebeten, daß dein Glaubenicht aufhöre,*) daß auch bey den heftigſten Verſu- chungen, mir untreu zu werden, deine Rechtſchaf- fenheit und dein Vertrauen zu mir, nicht ganz auf- hören möchten. Wer erſtaunt nicht, wenn er den Erlöſer noch am Kreuze für ſeine Mörder, für die Werkzeuge ſeiner Schmach beten höret: Vater! vergieb ihnen, denn ſie wiſſen nicht, was ſie thun. Und wenn Jeſus ſo auf einem ſtillen Berge, oder in einer einſamen Nacht ſich mit Gott unterhielt, was that er da? betete er nicht für das ſtufenweiſe Wachs- thum ſeiner Jünger, für die Erleuchtung und Beſ- ſerung ſeiner Landsleute? flehte er da nicht Gott für alle Elende und Unglückliche an? legte er ihm da nicht die Bedürfniſſe aller Menſchen vor? empfahl er ſie da nicht alle der gnädigen Leitung und Führung ſeines Vaters im Himmel? Wenn nun aber Jeſus, der ſo viel geben konnte, und auch in der That ſo viel Wohlthaten den Menſchen erwies, wenn der gleich- wohl für ſeine Freunde und Feinde betete, wenn der ihre Wünſche und Bedürfniſſe Gott ſo feyerlich, ſo rührend vortrug; ſollte es für uns nicht noch viel nöthiger ſeyn, für andre zu beten? da wir auch bey dem beſten Willen und bey dem redlichſten Herzen lange nicht ſo viel thun und geben können, als Je- ſus that und gab? Nun *) Lue. 22, 37. **) Luc. 23, 34.
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XXXIV. Betrachtung.
digte: ich habe für dich gebeten, daß dein Glaube
nicht aufhöre, *) daß auch bey den heftigſten Verſu-
chungen, mir untreu zu werden, deine Rechtſchaf-
fenheit und dein Vertrauen zu mir, nicht ganz auf-
hören möchten. Wer erſtaunt nicht, wenn er den
Erlöſer noch am Kreuze für ſeine Mörder, für die
Werkzeuge ſeiner Schmach beten höret: Vater!
vergieb ihnen, denn ſie wiſſen nicht, was ſie thun.
Und wenn Jeſus ſo auf einem ſtillen Berge, oder in
einer einſamen Nacht ſich mit Gott unterhielt, was
that er da? betete er nicht für das ſtufenweiſe Wachs-
thum ſeiner Jünger, für die Erleuchtung und Beſ-
ſerung ſeiner Landsleute? flehte er da nicht Gott für
alle Elende und Unglückliche an? legte er ihm da
nicht die Bedürfniſſe aller Menſchen vor? empfahl
er ſie da nicht alle der gnädigen Leitung und Führung
ſeines Vaters im Himmel? Wenn nun aber Jeſus,
der ſo viel geben konnte, und auch in der That ſo viel
Wohlthaten den Menſchen erwies, wenn der gleich-
wohl für ſeine Freunde und Feinde betete, wenn der
ihre Wünſche und Bedürfniſſe Gott ſo feyerlich, ſo
rührend vortrug; ſollte es für uns nicht noch viel
nöthiger ſeyn, für andre zu beten? da wir auch bey
dem beſten Willen und bey dem redlichſten Herzen
lange nicht ſo viel thun und geben können, als Je-
ſus that und gab?
Nun
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*) Lue. 22, 37.
**) Luc. 23, 34.
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