Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XLII. Betrachtung. angetreten hatte, so stund er niemals stille, sondernarbeitete unabläßig an der Ausführung desjenigen Werks, welches ihm sein himmlischer Vater aufge- tragen hatte. Ganze Tage beschäftigte er sich mit Lehren, mit geistlichen und leiblichen Hülfsleistungen, so daß er oft die ersten Bedürfnisse des Menschen, Ruhe, Speise und Schlaf darüber vergaß. Oft überfiel ihn der Abend beym Reden und Wunder- thun, so daß seine Begleiter und Verwandten besorgt um ihn waren, weil sie glaubten, das Gedränge des Volks und die Entkräftung durch das viele anhalten- de Reden möchte ihm eine Schwachheit zuziehen.*) Zur andern Zeit, als seine Schüler ihn zum Essen nöthigten, sprach er zu ihnen: meine Speise ist, daß ich thue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.**) So begierig, wollte er sa- gen, der hungrige Arbeiter nach der Speise greift, so begierig erfülle ich mein göttliches Amt; ich lasse es mir so angelegen seyn, daß ich des Essens und Trin- kens darüber vergesse. Jhn schreckten die vielen Ber- ge in Judäa und Galiläa nicht zurück; ihn mattete die erschlaffende Hitze des Landes nicht ab; er unter- nahm die beschwerlichsten Reisen, um überall zu hel- fen, um überall guten Saamen auszustreuen, gleich der Sonne, die mit jedem Tage vom neuen durch ihre wohlthätigen Strahlen alles erleuchtet, alles er- wärmet. *) Marc. 3, 9. 20. 21. **) Joh. 4, 34.
XLII. Betrachtung. angetreten hatte, ſo ſtund er niemals ſtille, ſondernarbeitete unabläßig an der Ausführung desjenigen Werks, welches ihm ſein himmliſcher Vater aufge- tragen hatte. Ganze Tage beſchäftigte er ſich mit Lehren, mit geiſtlichen und leiblichen Hülfsleiſtungen, ſo daß er oft die erſten Bedürfniſſe des Menſchen, Ruhe, Speiſe und Schlaf darüber vergaß. Oft überfiel ihn der Abend beym Reden und Wunder- thun, ſo daß ſeine Begleiter und Verwandten beſorgt um ihn waren, weil ſie glaubten, das Gedränge des Volks und die Entkräftung durch das viele anhalten- de Reden möchte ihm eine Schwachheit zuziehen.*) Zur andern Zeit, als ſeine Schüler ihn zum Eſſen nöthigten, ſprach er zu ihnen: meine Speiſe iſt, daß ich thue den Willen des, der mich geſandt hat, und vollende ſein Werk.**) So begierig, wollte er ſa- gen, der hungrige Arbeiter nach der Speiſe greift, ſo begierig erfülle ich mein göttliches Amt; ich laſſe es mir ſo angelegen ſeyn, daß ich des Eſſens und Trin- kens darüber vergeſſe. Jhn ſchreckten die vielen Ber- ge in Judäa und Galiläa nicht zurück; ihn mattete die erſchlaffende Hitze des Landes nicht ab; er unter- nahm die beſchwerlichſten Reiſen, um überall zu hel- fen, um überall guten Saamen auszuſtreuen, gleich der Sonne, die mit jedem Tage vom neuen durch ihre wohlthätigen Strahlen alles erleuchtet, alles er- wärmet. *) Marc. 3, 9. 20. 21. **) Joh. 4, 34.
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XLII. Betrachtung.
angetreten hatte, ſo ſtund er niemals ſtille, ſondern
arbeitete unabläßig an der Ausführung desjenigen
Werks, welches ihm ſein himmliſcher Vater aufge-
tragen hatte. Ganze Tage beſchäftigte er ſich mit
Lehren, mit geiſtlichen und leiblichen Hülfsleiſtungen,
ſo daß er oft die erſten Bedürfniſſe des Menſchen,
Ruhe, Speiſe und Schlaf darüber vergaß. Oft
überfiel ihn der Abend beym Reden und Wunder-
thun, ſo daß ſeine Begleiter und Verwandten beſorgt
um ihn waren, weil ſie glaubten, das Gedränge des
Volks und die Entkräftung durch das viele anhalten-
de Reden möchte ihm eine Schwachheit zuziehen. *)
Zur andern Zeit, als ſeine Schüler ihn zum Eſſen
nöthigten, ſprach er zu ihnen: meine Speiſe iſt, daß
ich thue den Willen des, der mich geſandt hat, und
vollende ſein Werk. **) So begierig, wollte er ſa-
gen, der hungrige Arbeiter nach der Speiſe greift,
ſo begierig erfülle ich mein göttliches Amt; ich laſſe
es mir ſo angelegen ſeyn, daß ich des Eſſens und Trin-
kens darüber vergeſſe. Jhn ſchreckten die vielen Ber-
ge in Judäa und Galiläa nicht zurück; ihn mattete
die erſchlaffende Hitze des Landes nicht ab; er unter-
nahm die beſchwerlichſten Reiſen, um überall zu hel-
fen, um überall guten Saamen auszuſtreuen, gleich
der Sonne, die mit jedem Tage vom neuen durch
ihre wohlthätigen Strahlen alles erleuchtet, alles er-
wärmet.
*) Marc. 3, 9. 20. 21.
**) Joh. 4, 34.
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