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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Kunstsammlungen, ihre Geschichte und ihre Bestimmung.
Ludwig I. von Bayern während des Jahres 1805 anknüpft,
eine Sammlung, welche dadurch einzig in ihrer Art ist, daß
sie von Anfang an nach einem Plane, nach den würdigsten
Gesichtspunkten, mit dem lautersten Geschmacke und vollkomm¬
ner Sachkenntniß im Laufe eines Menschenalters durch einen
kunstsinnigen Fürsten und seinen technischen Rathgeber Martin
Wagner zu Stande gebracht ist.

In einem merkwürdigen Gegensatze zur Glyptothek ent¬
stand um dieselbe Zeit unser Museum, die Schöpfung eines
Fürsten, welcher keiner persönlichen Neigung folgte, sondern
im Anschlusse an die Tradition des Großen Kurfürsten und
Friedrich's des Großen und in pflichttreuer Erfüllung seines
königlichen Berufs die Ehre des Staats wahrnahm, welcher
nach seiner kriegerischen Erhebung und Machterweiterung einer
Anlage bedurfte, welche Zeugniß davon ablegte, wie man auch
die Künste des Friedens zu ehren wisse. Er sammelte nicht
auf öffentliche Kosten für sich, sondern er gab, was sein war,
dem Volke. "Das in der Akademie der Künste einzurichtende
Museum," verfügt er am 12. October 1820, "soll außer den
dazu bestimmten Sammlungen auch diejenigen Kunstwerke
aus meinen Schlössern, Palais, Gärten und Galerien er¬
halten, welche dazu würdig erachtet werden." Hirt wurde
beauftragt, alles für ein wissenschaftlich geordnetes Museum
Brauchbare auszuwählen; bei der weiteren Ausführung des
königlichen Gedankens war Schinkel der leitende Genius. Unter
Altenstein's Oberleitung betheiligten sich Rauch, Tieck, Wach,
Waagen an dem Werke; Wilhelm von Humboldt kehrte als
Vorsitzender der Museumscommission noch einmal zu den öffent¬
lichen Geschäften zurück. Niebuhr, Bunsen, Rumohr halfen
aus der Ferne. Am letzten August 1830 richtete Humboldt
im Namen der Commission seinen Schlußbericht an den König;
das Werk war vollendet, die Frucht ernster Arbeit, an welcher
eine Reihe von Männern, auf die das Vaterland stolz ist,
wetteifernd betheiligt gewesen sind.

Man hatte dabei alle Schwierigkeiten, welche in einer
für glänzende Erwerbungen ungünstigen Zeit lagen, und da¬

Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung.
Ludwig I. von Bayern während des Jahres 1805 anknüpft,
eine Sammlung, welche dadurch einzig in ihrer Art iſt, daß
ſie von Anfang an nach einem Plane, nach den würdigſten
Geſichtspunkten, mit dem lauterſten Geſchmacke und vollkomm¬
ner Sachkenntniß im Laufe eines Menſchenalters durch einen
kunſtſinnigen Fürſten und ſeinen techniſchen Rathgeber Martin
Wagner zu Stande gebracht iſt.

In einem merkwürdigen Gegenſatze zur Glyptothek ent¬
ſtand um dieſelbe Zeit unſer Muſeum, die Schöpfung eines
Fürſten, welcher keiner perſönlichen Neigung folgte, ſondern
im Anſchluſſe an die Tradition des Großen Kurfürſten und
Friedrich's des Großen und in pflichttreuer Erfüllung ſeines
königlichen Berufs die Ehre des Staats wahrnahm, welcher
nach ſeiner kriegeriſchen Erhebung und Machterweiterung einer
Anlage bedurfte, welche Zeugniß davon ablegte, wie man auch
die Künſte des Friedens zu ehren wiſſe. Er ſammelte nicht
auf öffentliche Koſten für ſich, ſondern er gab, was ſein war,
dem Volke. »Das in der Akademie der Künſte einzurichtende
Muſeum,« verfügt er am 12. October 1820, »ſoll außer den
dazu beſtimmten Sammlungen auch diejenigen Kunſtwerke
aus meinen Schlöſſern, Palais, Gärten und Galerien er¬
halten, welche dazu würdig erachtet werden.« Hirt wurde
beauftragt, alles für ein wiſſenſchaftlich geordnetes Muſeum
Brauchbare auszuwählen; bei der weiteren Ausführung des
königlichen Gedankens war Schinkel der leitende Genius. Unter
Altenſtein's Oberleitung betheiligten ſich Rauch, Tieck, Wach,
Waagen an dem Werke; Wilhelm von Humboldt kehrte als
Vorſitzender der Muſeumscommiſſion noch einmal zu den öffent¬
lichen Geſchäften zurück. Niebuhr, Bunſen, Rumohr halfen
aus der Ferne. Am letzten Auguſt 1830 richtete Humboldt
im Namen der Commiſſion ſeinen Schlußbericht an den König;
das Werk war vollendet, die Frucht ernſter Arbeit, an welcher
eine Reihe von Männern, auf die das Vaterland ſtolz iſt,
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[110/0126] Kunſtſammlungen, ihre Geſchichte und ihre Beſtimmung. Ludwig I. von Bayern während des Jahres 1805 anknüpft, eine Sammlung, welche dadurch einzig in ihrer Art iſt, daß ſie von Anfang an nach einem Plane, nach den würdigſten Geſichtspunkten, mit dem lauterſten Geſchmacke und vollkomm¬ ner Sachkenntniß im Laufe eines Menſchenalters durch einen kunſtſinnigen Fürſten und ſeinen techniſchen Rathgeber Martin Wagner zu Stande gebracht iſt. In einem merkwürdigen Gegenſatze zur Glyptothek ent¬ ſtand um dieſelbe Zeit unſer Muſeum, die Schöpfung eines Fürſten, welcher keiner perſönlichen Neigung folgte, ſondern im Anſchluſſe an die Tradition des Großen Kurfürſten und Friedrich's des Großen und in pflichttreuer Erfüllung ſeines königlichen Berufs die Ehre des Staats wahrnahm, welcher nach ſeiner kriegeriſchen Erhebung und Machterweiterung einer Anlage bedurfte, welche Zeugniß davon ablegte, wie man auch die Künſte des Friedens zu ehren wiſſe. Er ſammelte nicht auf öffentliche Koſten für ſich, ſondern er gab, was ſein war, dem Volke. »Das in der Akademie der Künſte einzurichtende Muſeum,« verfügt er am 12. October 1820, »ſoll außer den dazu beſtimmten Sammlungen auch diejenigen Kunſtwerke aus meinen Schlöſſern, Palais, Gärten und Galerien er¬ halten, welche dazu würdig erachtet werden.« Hirt wurde beauftragt, alles für ein wiſſenſchaftlich geordnetes Muſeum Brauchbare auszuwählen; bei der weiteren Ausführung des königlichen Gedankens war Schinkel der leitende Genius. Unter Altenſtein's Oberleitung betheiligten ſich Rauch, Tieck, Wach, Waagen an dem Werke; Wilhelm von Humboldt kehrte als Vorſitzender der Muſeumscommiſſion noch einmal zu den öffent¬ lichen Geſchäften zurück. Niebuhr, Bunſen, Rumohr halfen aus der Ferne. Am letzten Auguſt 1830 richtete Humboldt im Namen der Commiſſion ſeinen Schlußbericht an den König; das Werk war vollendet, die Frucht ernſter Arbeit, an welcher eine Reihe von Männern, auf die das Vaterland ſtolz iſt, wetteifernd betheiligt geweſen ſind. Man hatte dabei alle Schwierigkeiten, welche in einer für glänzende Erwerbungen ungünſtigen Zeit lagen, und da¬

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/126>, abgerufen am 29.11.2024.