Die öffentliche Pflege von Wissenschaft und Kunst.
vermochten, die Dankopfer zu weihen, und indem dies nach gemeinsamen Plänen von Staatsmännern und Künstlern unter begeisterter Theilnahme der ganzen Gemeinde geschah, ist bei den Athenern das Vorzüglichste zu Stande gekommen, was jemals aus Staatsmitteln für bildende Kunst geschehen ist. In kleinen Stadtgemeinden langsam gereift, erstarkte sie zu einer un¬ geahnten Leistungsfähigkeit, indem der siegreiche Staat ihr einen großen Inhalt darbot, indem ihr die Aufgabe wurde, die Idee des Staats, die geistige Macht, auf welcher er ruhte, und die nationalen Ziele, welche er verfolgte, in zusammenhängenden Denkmälern darzustellen.
Aber nicht bloß in Dreifüßen, Standbildern und Tempel¬ häusern wurde der Zoll des Danks dargebracht. Das Volk selbst erschien vor den Göttern, um sich mit seinen geistigen und leiblichen Fähigkeiten zu zeigen. Das waren die Volks¬ feste, und hier hatte der Staat am meisten Gelegenheit, zur Förderung der Künste ununterbrochen thätig zu sein; hier läßt sich am deutlichsten nachweisen, wie Staatshülfe gefordert und geleistet wurde.
Denn es galt allgemein für eine der wichtigsten Aufgaben der Verwaltungsbehörden, den Kreislauf der Jahresfeste zu überwachen und jede einzelne Feier so zu beaufsichtigen, daß keine Störung das frohe Zusammensein trübe, die Fest- und Uebungslokale aus Staatsmitteln herzustellen, indem man den größten Werth darauf legte, daß auch die Uebungen der Jugend in solchen Räumen stattfänden, wo sie jeden Morgen den Ein¬ druck des Schönen und Würdigen in sich aufnähme; ferner nach Maßgabe des wachsenden Staatseinkommens die herge¬ brachten Feste immer mannigfaltiger auszustatten, indem man alle fruchtbaren Keime neuer Kunstgattungen, Dithyrambos, Tragödie, Komödie, in den Kreis der städtischen Wettkämpfe hereinzog. Das war so wenig wie die Ausführung der Bauten eine ehrgeizige Laune Einzelner oder ein hauptstädtischer Luxus, sondern ein nothwendiger Fortschritt in der vollkommenen Darstellung des hellenischen Geisteslebens, welche Athens Beruf war. Bei dem großen Dionysosfeste, das unter Aufsicht des
Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.
vermochten, die Dankopfer zu weihen, und indem dies nach gemeinſamen Plänen von Staatsmännern und Künſtlern unter begeiſterter Theilnahme der ganzen Gemeinde geſchah, iſt bei den Athenern das Vorzüglichſte zu Stande gekommen, was jemals aus Staatsmitteln für bildende Kunſt geſchehen iſt. In kleinen Stadtgemeinden langſam gereift, erſtarkte ſie zu einer un¬ geahnten Leiſtungsfähigkeit, indem der ſiegreiche Staat ihr einen großen Inhalt darbot, indem ihr die Aufgabe wurde, die Idee des Staats, die geiſtige Macht, auf welcher er ruhte, und die nationalen Ziele, welche er verfolgte, in zuſammenhängenden Denkmälern darzuſtellen.
Aber nicht bloß in Dreifüßen, Standbildern und Tempel¬ häuſern wurde der Zoll des Danks dargebracht. Das Volk ſelbſt erſchien vor den Göttern, um ſich mit ſeinen geiſtigen und leiblichen Fähigkeiten zu zeigen. Das waren die Volks¬ feſte, und hier hatte der Staat am meiſten Gelegenheit, zur Förderung der Künſte ununterbrochen thätig zu ſein; hier läßt ſich am deutlichſten nachweiſen, wie Staatshülfe gefordert und geleiſtet wurde.
Denn es galt allgemein für eine der wichtigſten Aufgaben der Verwaltungsbehörden, den Kreislauf der Jahresfeſte zu überwachen und jede einzelne Feier ſo zu beaufſichtigen, daß keine Störung das frohe Zuſammenſein trübe, die Feſt- und Uebungslokale aus Staatsmitteln herzuſtellen, indem man den größten Werth darauf legte, daß auch die Uebungen der Jugend in ſolchen Räumen ſtattfänden, wo ſie jeden Morgen den Ein¬ druck des Schönen und Würdigen in ſich aufnähme; ferner nach Maßgabe des wachſenden Staatseinkommens die herge¬ brachten Feſte immer mannigfaltiger auszuſtatten, indem man alle fruchtbaren Keime neuer Kunſtgattungen, Dithyrambos, Tragödie, Komödie, in den Kreis der ſtädtiſchen Wettkämpfe hereinzog. Das war ſo wenig wie die Ausführung der Bauten eine ehrgeizige Laune Einzelner oder ein hauptſtädtiſcher Luxus, ſondern ein nothwendiger Fortſchritt in der vollkommenen Darſtellung des helleniſchen Geiſteslebens, welche Athens Beruf war. Bei dem großen Dionyſosfeſte, das unter Aufſicht des
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Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.
vermochten, die Dankopfer zu weihen, und indem dies nach
gemeinſamen Plänen von Staatsmännern und Künſtlern unter
begeiſterter Theilnahme der ganzen Gemeinde geſchah, iſt bei
den Athenern das Vorzüglichſte zu Stande gekommen, was
jemals aus Staatsmitteln für bildende Kunſt geſchehen iſt. In
kleinen Stadtgemeinden langſam gereift, erſtarkte ſie zu einer un¬
geahnten Leiſtungsfähigkeit, indem der ſiegreiche Staat ihr einen
großen Inhalt darbot, indem ihr die Aufgabe wurde, die Idee
des Staats, die geiſtige Macht, auf welcher er ruhte, und die
nationalen Ziele, welche er verfolgte, in zuſammenhängenden
Denkmälern darzuſtellen.
Aber nicht bloß in Dreifüßen, Standbildern und Tempel¬
häuſern wurde der Zoll des Danks dargebracht. Das Volk
ſelbſt erſchien vor den Göttern, um ſich mit ſeinen geiſtigen
und leiblichen Fähigkeiten zu zeigen. Das waren die Volks¬
feſte, und hier hatte der Staat am meiſten Gelegenheit, zur
Förderung der Künſte ununterbrochen thätig zu ſein; hier läßt
ſich am deutlichſten nachweiſen, wie Staatshülfe gefordert und
geleiſtet wurde.
Denn es galt allgemein für eine der wichtigſten Aufgaben
der Verwaltungsbehörden, den Kreislauf der Jahresfeſte zu
überwachen und jede einzelne Feier ſo zu beaufſichtigen, daß
keine Störung das frohe Zuſammenſein trübe, die Feſt- und
Uebungslokale aus Staatsmitteln herzuſtellen, indem man den
größten Werth darauf legte, daß auch die Uebungen der Jugend
in ſolchen Räumen ſtattfänden, wo ſie jeden Morgen den Ein¬
druck des Schönen und Würdigen in ſich aufnähme; ferner
nach Maßgabe des wachſenden Staatseinkommens die herge¬
brachten Feſte immer mannigfaltiger auszuſtatten, indem man
alle fruchtbaren Keime neuer Kunſtgattungen, Dithyrambos,
Tragödie, Komödie, in den Kreis der ſtädtiſchen Wettkämpfe
hereinzog. Das war ſo wenig wie die Ausführung der Bauten
eine ehrgeizige Laune Einzelner oder ein hauptſtädtiſcher Luxus,
ſondern ein nothwendiger Fortſchritt in der vollkommenen
Darſtellung des helleniſchen Geiſteslebens, welche Athens Beruf
war. Bei dem großen Dionyſosfeſte, das unter Aufſicht des
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/136>, abgerufen am 20.02.2025.
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