Die öffentliche Pflege von Wissenschaft und Kunst.
durch immer neue und zwingendere Fragestellungen ihr Ge¬ heimniß abzugewinnen.
Die geschichtliche Forschung ist um so schwieriger ge¬ worden, je massenhafter das Erbgut sich angesammelt hat, welches wir anzutreten berufen sind. Um so nothwendiger ist die umfassende Sammlung aller schriftlichen und bildlichen Denkmäler der Vergangenheit, die Aufräumung des Schutts, welcher den Boden der alten Cultur deckt, aber auch -- die Aufdeckung des Verschütteten.
Diese Aufgabe konnte den hellenistischen Fürsten nicht in den Sinn kommen, weil sie neben den wohl erhaltenen Denk¬ mälern der klassischen Zeit die eigenen Werke aufrichteten. An uns aber tritt sie immer dringender heran, wenn sie auch bis heute noch nicht die ihrer Bedeutung entsprechende Be¬ rücksichtigung gefunden hat.
Zeigt denn nicht jedes Jahr von Neuem, wie viel von dem Vermächtnisse des Alterthums noch in der Tiefe des Bodens ruht, über den man so gedankenlos hinwegging, und zwar nicht nur unter der Aschendecke der Vulcane, sondern auch unter Erde und Kies, womit Flüsse, wie der Alpheios, die anliegenden Tempelhaine vorsichtig zugedeckt haben? Ist es recht, daß wir edle Werke des menschlichen Geistes im Schoße der Erde liegen und verderben lassen? Würden wir so gleichgültig sein, wenn wir alte Schriftrollen wenig Fuß unter der Oberfläche geborgen wüßten und sind hellenische Denkmäler von Erz und Stein weniger werth?
Bedarf doch die Alterthumswissenschaft, welche eine Reihe von Aufgaben so weit gelöst hat, als es der Bestand der Ueberlieferung gestattet, so dringend neues Materials, um mit den andern Wissenschaften, welche in Herbeischaffung des Materials unabhängiger gestellt sind, Schritt halten zu können! Hier ist Kunst und Wissenschaft mit gleichmäßigem Interesse betheiligt. Hier sind bei richtigem Zusammenwirken der dem Staat verfügbaren Kräfte mit mäßigem Aufwande die wich¬ tigsten Ergebnisse zu erzielen, hier bieten sich auch unserm Staate die ruhmvollsten Friedenswerke dar.
Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.
durch immer neue und zwingendere Frageſtellungen ihr Ge¬ heimniß abzugewinnen.
Die geſchichtliche Forſchung iſt um ſo ſchwieriger ge¬ worden, je maſſenhafter das Erbgut ſich angeſammelt hat, welches wir anzutreten berufen ſind. Um ſo nothwendiger iſt die umfaſſende Sammlung aller ſchriftlichen und bildlichen Denkmäler der Vergangenheit, die Aufräumung des Schutts, welcher den Boden der alten Cultur deckt, aber auch — die Aufdeckung des Verſchütteten.
Dieſe Aufgabe konnte den helleniſtiſchen Fürſten nicht in den Sinn kommen, weil ſie neben den wohl erhaltenen Denk¬ mälern der klaſſiſchen Zeit die eigenen Werke aufrichteten. An uns aber tritt ſie immer dringender heran, wenn ſie auch bis heute noch nicht die ihrer Bedeutung entſprechende Be¬ rückſichtigung gefunden hat.
Zeigt denn nicht jedes Jahr von Neuem, wie viel von dem Vermächtniſſe des Alterthums noch in der Tiefe des Bodens ruht, über den man ſo gedankenlos hinwegging, und zwar nicht nur unter der Aſchendecke der Vulcane, ſondern auch unter Erde und Kies, womit Flüſſe, wie der Alpheios, die anliegenden Tempelhaine vorſichtig zugedeckt haben? Iſt es recht, daß wir edle Werke des menſchlichen Geiſtes im Schoße der Erde liegen und verderben laſſen? Würden wir ſo gleichgültig ſein, wenn wir alte Schriftrollen wenig Fuß unter der Oberfläche geborgen wüßten und ſind helleniſche Denkmäler von Erz und Stein weniger werth?
Bedarf doch die Alterthumswiſſenſchaft, welche eine Reihe von Aufgaben ſo weit gelöſt hat, als es der Beſtand der Ueberlieferung geſtattet, ſo dringend neues Materials, um mit den andern Wiſſenſchaften, welche in Herbeiſchaffung des Materials unabhängiger geſtellt ſind, Schritt halten zu können! Hier iſt Kunſt und Wiſſenſchaft mit gleichmäßigem Intereſſe betheiligt. Hier ſind bei richtigem Zuſammenwirken der dem Staat verfügbaren Kräfte mit mäßigem Aufwande die wich¬ tigſten Ergebniſſe zu erzielen, hier bieten ſich auch unſerm Staate die ruhmvollſten Friedenswerke dar.
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Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.
durch immer neue und zwingendere Frageſtellungen ihr Ge¬
heimniß abzugewinnen.
Die geſchichtliche Forſchung iſt um ſo ſchwieriger ge¬
worden, je maſſenhafter das Erbgut ſich angeſammelt hat,
welches wir anzutreten berufen ſind. Um ſo nothwendiger
iſt die umfaſſende Sammlung aller ſchriftlichen und bildlichen
Denkmäler der Vergangenheit, die Aufräumung des Schutts,
welcher den Boden der alten Cultur deckt, aber auch — die
Aufdeckung des Verſchütteten.
Dieſe Aufgabe konnte den helleniſtiſchen Fürſten nicht in
den Sinn kommen, weil ſie neben den wohl erhaltenen Denk¬
mälern der klaſſiſchen Zeit die eigenen Werke aufrichteten.
An uns aber tritt ſie immer dringender heran, wenn ſie auch
bis heute noch nicht die ihrer Bedeutung entſprechende Be¬
rückſichtigung gefunden hat.
Zeigt denn nicht jedes Jahr von Neuem, wie viel von
dem Vermächtniſſe des Alterthums noch in der Tiefe des
Bodens ruht, über den man ſo gedankenlos hinwegging, und
zwar nicht nur unter der Aſchendecke der Vulcane, ſondern
auch unter Erde und Kies, womit Flüſſe, wie der Alpheios,
die anliegenden Tempelhaine vorſichtig zugedeckt haben? Iſt
es recht, daß wir edle Werke des menſchlichen Geiſtes im
Schoße der Erde liegen und verderben laſſen? Würden wir
ſo gleichgültig ſein, wenn wir alte Schriftrollen wenig Fuß
unter der Oberfläche geborgen wüßten und ſind helleniſche
Denkmäler von Erz und Stein weniger werth?
Bedarf doch die Alterthumswiſſenſchaft, welche eine Reihe
von Aufgaben ſo weit gelöſt hat, als es der Beſtand der
Ueberlieferung geſtattet, ſo dringend neues Materials, um mit
den andern Wiſſenſchaften, welche in Herbeiſchaffung des
Materials unabhängiger geſtellt ſind, Schritt halten zu können!
Hier iſt Kunſt und Wiſſenſchaft mit gleichmäßigem Intereſſe
betheiligt. Hier ſind bei richtigem Zuſammenwirken der dem
Staat verfügbaren Kräfte mit mäßigem Aufwande die wich¬
tigſten Ergebniſſe zu erzielen, hier bieten ſich auch unſerm
Staate die ruhmvollſten Friedenswerke dar.
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/143>, abgerufen am 20.02.2025.
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