Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Der Weltgang der griechischen Cultur. einen Widerwillen gegen das griechische Wesen, wie sie das¬selbe in Ionien kennen lernten; sie verabscheuten den Bilder¬ dienst und konnten Bürger, die den ganzen Tag auf dem Markte mit Hin- und Herreden zubrachten, nicht als rechte Männer anerkennen. Wir wissen, wie Kyros die Hellenen verachtete, und wie seine Nachfolger, die Achämeniden, die Be¬ kämpfung der Griechen als das Ziel ihrer Politik verfolgten. Und doch, wie bald ändert sich das Verhältniß, wie bald zeigt sich auch hier ein Verständniß für die Bedeutung griechischer Cultur! Wir sehen, wie griechische Wissenschaft und zwar zuerst Der Weltgang der griechiſchen Cultur. einen Widerwillen gegen das griechiſche Weſen, wie ſie das¬ſelbe in Ionien kennen lernten; ſie verabſcheuten den Bilder¬ dienſt und konnten Bürger, die den ganzen Tag auf dem Markte mit Hin- und Herreden zubrachten, nicht als rechte Männer anerkennen. Wir wiſſen, wie Kyros die Hellenen verachtete, und wie ſeine Nachfolger, die Achämeniden, die Be¬ kämpfung der Griechen als das Ziel ihrer Politik verfolgten. Und doch, wie bald ändert ſich das Verhältniß, wie bald zeigt ſich auch hier ein Verſtändniß für die Bedeutung griechiſcher Cultur! Wir ſehen, wie griechiſche Wiſſenſchaft und zwar zuerſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0080" n="64"/><fw place="top" type="header">Der Weltgang der griechiſchen Cultur.<lb/></fw> einen Widerwillen gegen das griechiſche Weſen, wie ſie das¬<lb/> ſelbe in Ionien kennen lernten; ſie verabſcheuten den Bilder¬<lb/> dienſt und konnten Bürger, die den ganzen Tag auf dem<lb/> Markte mit Hin- und Herreden zubrachten, nicht als rechte<lb/> Männer anerkennen. Wir wiſſen, wie Kyros die Hellenen<lb/> verachtete, und wie ſeine Nachfolger, die Achämeniden, die Be¬<lb/> kämpfung der Griechen als das Ziel ihrer Politik verfolgten.<lb/> Und doch, wie bald ändert ſich das Verhältniß, wie bald zeigt<lb/> ſich auch hier ein Verſtändniß für die Bedeutung griechiſcher<lb/> Cultur!</p><lb/> <p>Wir ſehen, wie griechiſche Wiſſenſchaft und zwar zuerſt<lb/> die Wiſſenſchaft griechiſcher Aerzte, vor denen die Kunſt des<lb/> Morgenlandes zu Schanden wird, Achtung und Einfluß am<lb/> Perſerhofe gewinnt; der Perſerkönig kennt keinen größeren<lb/> Wunſch, als Städte zu beſitzen, in welchen Männer wie De¬<lb/> mokedes gebildet werden können. Er kennt die Bedeutung der<lb/> Ionier für ſein Reich; er macht ſich ihre Klugheit und Tüchtig¬<lb/> keit bei ſeinen Feldzügen zu Nutze; er nimmt aus ihnen ſeine<lb/> Rathgeber, er führt die griechiſche Sprache als eine Reichsſprache<lb/> ein; er läßt durch griechiſche Männer die Gränzmeere ſeines<lb/> Reiches auskundſchaften, und trotz ihres Bilderhaſſes konnten<lb/> ſich die Perſer, dem Eindruck griechiſcher Kunſt nicht verſchließen,<lb/> wie ſie dieſelbe zuerſt in Sardes kennen gelernt hatten. Schon<lb/> Kyros hatte Bildwerke von dort weggeführt, um ſie in den<lb/> Binnenſtädten ſeines Reiches aufzuſtellen, und griechiſche<lb/> Künſtler, wie Telephanes, arbeiten für die Paläſte des Darius<lb/> und Xerxes. Auf ihrem Rachezuge gegen Athen huldigen die<lb/> Perſer den Gottheiten von Delos; die Eroberungen der Städte<lb/> werden benutzt, um ihre Einwohner mitten in das Perſerreich<lb/> zu verpflanzen und dieſem neue Lebenskräfte und Bildungs¬<lb/> ſtoffe zuzuführen. Wie wenig aber auch der große Völkerkrieg<lb/> ein zerſtörender ſein ſollte, zeigt am Beſten Mardonios, der<lb/> kühnſte Vorkämpfer Aſiens gegen Europa. Denn er war ſo<lb/> wenig geſonnen, das helleniſche Leben zu zerſtören, daß er<lb/> ſelbſt in Ionien die alten Verfaſſungen mit ihrer freien Ge¬<lb/> meindeordnung herſtellte, und vor der Schlacht bei Platää<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [64/0080]
Der Weltgang der griechiſchen Cultur.
einen Widerwillen gegen das griechiſche Weſen, wie ſie das¬
ſelbe in Ionien kennen lernten; ſie verabſcheuten den Bilder¬
dienſt und konnten Bürger, die den ganzen Tag auf dem
Markte mit Hin- und Herreden zubrachten, nicht als rechte
Männer anerkennen. Wir wiſſen, wie Kyros die Hellenen
verachtete, und wie ſeine Nachfolger, die Achämeniden, die Be¬
kämpfung der Griechen als das Ziel ihrer Politik verfolgten.
Und doch, wie bald ändert ſich das Verhältniß, wie bald zeigt
ſich auch hier ein Verſtändniß für die Bedeutung griechiſcher
Cultur!
Wir ſehen, wie griechiſche Wiſſenſchaft und zwar zuerſt
die Wiſſenſchaft griechiſcher Aerzte, vor denen die Kunſt des
Morgenlandes zu Schanden wird, Achtung und Einfluß am
Perſerhofe gewinnt; der Perſerkönig kennt keinen größeren
Wunſch, als Städte zu beſitzen, in welchen Männer wie De¬
mokedes gebildet werden können. Er kennt die Bedeutung der
Ionier für ſein Reich; er macht ſich ihre Klugheit und Tüchtig¬
keit bei ſeinen Feldzügen zu Nutze; er nimmt aus ihnen ſeine
Rathgeber, er führt die griechiſche Sprache als eine Reichsſprache
ein; er läßt durch griechiſche Männer die Gränzmeere ſeines
Reiches auskundſchaften, und trotz ihres Bilderhaſſes konnten
ſich die Perſer, dem Eindruck griechiſcher Kunſt nicht verſchließen,
wie ſie dieſelbe zuerſt in Sardes kennen gelernt hatten. Schon
Kyros hatte Bildwerke von dort weggeführt, um ſie in den
Binnenſtädten ſeines Reiches aufzuſtellen, und griechiſche
Künſtler, wie Telephanes, arbeiten für die Paläſte des Darius
und Xerxes. Auf ihrem Rachezuge gegen Athen huldigen die
Perſer den Gottheiten von Delos; die Eroberungen der Städte
werden benutzt, um ihre Einwohner mitten in das Perſerreich
zu verpflanzen und dieſem neue Lebenskräfte und Bildungs¬
ſtoffe zuzuführen. Wie wenig aber auch der große Völkerkrieg
ein zerſtörender ſein ſollte, zeigt am Beſten Mardonios, der
kühnſte Vorkämpfer Aſiens gegen Europa. Denn er war ſo
wenig geſonnen, das helleniſche Leben zu zerſtören, daß er
ſelbſt in Ionien die alten Verfaſſungen mit ihrer freien Ge¬
meindeordnung herſtellte, und vor der Schlacht bei Platää
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