Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.dass das Sigma, z. B. von kalos = skr. kaljant, Vertreter des t Auch sonst reden die Freunde der Analogiebildung nicht *) In einem Gespräch mit Windisch habe ich mich überzeugt, dass
jedenfalls für das Sanskrit, höchst wahrscheinlich auch für die indoger- manische Ursprache, nicht t, sondern d als ursprünglicher Consonant des Ablativ Sing. zu betrachten ist. dass das Sigma, z. B. von καλῶς = skr. kaljāt, Vertreter des t Auch sonst reden die Freunde der Analogiebildung nicht *) In einem Gespräch mit Windisch habe ich mich überzeugt, dass
jedenfalls für das Sanskrit, höchst wahrscheinlich auch für die indoger- manische Ursprache, nicht t, sondern d als ursprünglicher Consonant des Ablativ Sing. zu betrachten ist. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0063" n="55"/> dass das Sigma, z. B. von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">καλῶς</foreign></hi> = skr. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">kaljāt</foreign></hi>, Vertreter des <hi rendition="#i">t</hi><lb/> oder wohl richtiger eines <hi rendition="#i">d</hi> <note place="foot" n="*)">In einem Gespräch mit Windisch habe ich mich überzeugt, dass<lb/> jedenfalls für das Sanskrit, höchst wahrscheinlich auch für die indoger-<lb/> manische Ursprache, nicht <hi rendition="#i">t</hi>, sondern <hi rendition="#i">d</hi> als ursprünglicher Consonant des<lb/> Ablativ Sing. zu betrachten ist.</note> sei. Denn, behauptet man, aus-<lb/> lautendes <hi rendition="#i">t</hi> oder <hi rendition="#i">d</hi> ist immer im Griechischen verloren ge-<lb/> gangen, nicht in <hi rendition="#i">ς</hi> verwandelt. In einer Form wie <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">οὕτω</foreign></hi> liege<lb/> diese regelrechte Entwickelung vor, das <hi rendition="#i">ς</hi> von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">οὕτως</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">καλῶς</foreign></hi><lb/> u. s. w. sei nach der Analogie von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἐξ</foreign></hi> neben <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἐκ</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἀμφίς</foreign></hi> neben<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἀμφί</foreign></hi> erst später angetreten. Der Sprachsinn wird hier wie-<lb/> der zu einem grammatisch grübelnden Wesen gemacht, das<lb/> selbst weit auseinander liegende Thatsachen zu combiniren<lb/> versteht. Was haben die Adverbien auf <hi rendition="#i">-ως</hi> lautlich und be-<lb/> grifflich mit den angeführten Präpositionen gemein? Beide<lb/> Kategorien von Wörtern vereinigen sich erst in dem blossen<lb/> Begriff der Indeclinabilia. Kann man es dem unbefangen spre-<lb/> chenden irgendwie zutrauen einen solchen Begriff im Sinne<lb/> zu haben und die erwähnten Adverbia von Adjectiven mit<lb/> jenen Präpositionen zu associiren? Wo bleibt bei solchem<lb/> Verfahren die viel gerühmte und überall gesuchte Volksthüm-<lb/> lichkeit?</p><lb/> <p>Auch sonst reden die Freunde der Analogiebildung nicht<lb/> selten in ähnlicher Weise, indem sie den unbefangen redenden<lb/> Menschen Begriffe und Verknüpfungen von Begriffen zutrauen,<lb/> zu denen es des grammatischen Bewusstseins, ja des gelehrten<lb/> Studiums bedarf. Man spricht von „empfundenen“ Stämmen<lb/> oder Endungen. Z. B. Misteli S. 420 sagt referirend: „Inzwi-<lb/> schen wurde <hi rendition="#i">-σα</hi> als Tempussilbe empfunden“. Brugmann<lb/> drückt sich Morphol. Unters. III, 49 so aus: „Für die Sprach-<lb/> empfindung zerlegte sich ital. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ita">stetti</foreign></hi> gewissermassen in <hi rendition="#i">st-etti</hi>“.<lb/> An einer andern Stelle ist davon die Rede, in <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">εἰδέναι</foreign></hi> sei <hi rendition="#i">εἰδε-</hi><lb/> „als Stamm empfunden“. Ich kann nicht glauben, dass der<lb/> Begriff Stamm überhaupt empfunden werden könne. Dieser<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0063]
dass das Sigma, z. B. von καλῶς = skr. kaljāt, Vertreter des t
oder wohl richtiger eines d *) sei. Denn, behauptet man, aus-
lautendes t oder d ist immer im Griechischen verloren ge-
gangen, nicht in ς verwandelt. In einer Form wie οὕτω liege
diese regelrechte Entwickelung vor, das ς von οὕτως, καλῶς
u. s. w. sei nach der Analogie von ἐξ neben ἐκ, ἀμφίς neben
ἀμφί erst später angetreten. Der Sprachsinn wird hier wie-
der zu einem grammatisch grübelnden Wesen gemacht, das
selbst weit auseinander liegende Thatsachen zu combiniren
versteht. Was haben die Adverbien auf -ως lautlich und be-
grifflich mit den angeführten Präpositionen gemein? Beide
Kategorien von Wörtern vereinigen sich erst in dem blossen
Begriff der Indeclinabilia. Kann man es dem unbefangen spre-
chenden irgendwie zutrauen einen solchen Begriff im Sinne
zu haben und die erwähnten Adverbia von Adjectiven mit
jenen Präpositionen zu associiren? Wo bleibt bei solchem
Verfahren die viel gerühmte und überall gesuchte Volksthüm-
lichkeit?
Auch sonst reden die Freunde der Analogiebildung nicht
selten in ähnlicher Weise, indem sie den unbefangen redenden
Menschen Begriffe und Verknüpfungen von Begriffen zutrauen,
zu denen es des grammatischen Bewusstseins, ja des gelehrten
Studiums bedarf. Man spricht von „empfundenen“ Stämmen
oder Endungen. Z. B. Misteli S. 420 sagt referirend: „Inzwi-
schen wurde -σα als Tempussilbe empfunden“. Brugmann
drückt sich Morphol. Unters. III, 49 so aus: „Für die Sprach-
empfindung zerlegte sich ital. stetti gewissermassen in st-etti“.
An einer andern Stelle ist davon die Rede, in εἰδέναι sei εἰδε-
„als Stamm empfunden“. Ich kann nicht glauben, dass der
Begriff Stamm überhaupt empfunden werden könne. Dieser
*) In einem Gespräch mit Windisch habe ich mich überzeugt, dass
jedenfalls für das Sanskrit, höchst wahrscheinlich auch für die indoger-
manische Ursprache, nicht t, sondern d als ursprünglicher Consonant des
Ablativ Sing. zu betrachten ist.
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