Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.Begriff ist selbst den griechischen Grammatikern bekanntlich Eine weitere Frage ist die nach der Zahl der Fälle, Begriff ist selbst den griechischen Grammatikern bekanntlich Eine weitere Frage ist die nach der Zahl der Fälle, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0064" n="56"/> Begriff ist selbst den griechischen Grammatikern bekanntlich<lb/> fremd geblieben. Erst die neuere Sprachwissenschaft hat ihn<lb/> durch Nachdenken gefunden und nach dem Vorgang der indi-<lb/> schen Grammatiker zu grösserer Klarheit gebracht. Es scheint<lb/> mir ein psychologischer Irrthum, der Empfindung zuzutrauen,<lb/> was selbst der „Verstand der Verständigsten“ nur schwer er-<lb/> mittelt.</p><lb/> <p>Eine weitere Frage ist die nach der Zahl der Fälle,<lb/> welche eine Analogiebildung hervorgerufen haben kann oder<lb/> soll. Dass es glaublicher und wahrscheinlicher ist, wenn man<lb/> behauptet, eine grössere Anzahl von Fällen habe einen ein-<lb/> zelnen oder einige wenige nach sich gezogen, als umgekehrt,<lb/> wenn man annimmt, eine einzige oder eine ganz kleine An-<lb/> zahl von Formen hätten die Kraft gehabt, auf eine grosse<lb/> Masse anderer einzuwirken, bedarf kaum der Begründung.<lb/> Diese unverkennbare Wahrheit wird von Misteli S. 414 ff. aus-<lb/> führlich auseinander gesetzt. Die Analogetiker sind daher<lb/> auch stets bemüht, wenn es irgend möglich ist, eine grössere<lb/> Anzahl von Formen als Musterbilder herbeizuziehen, aber sie<lb/> schrecken nicht davor zurück, gelegentlich auch etwas ganz<lb/> vereinzeltes als Vorbild einer grossen Masse aufzustellen. Von<lb/> derartigen Behauptungen ist mir keine einzige glaublich. Ich<lb/> vermag mich also nicht davon zu überzeugen, dass das <hi rendition="#i">σθ</hi><lb/> von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἔφησθα</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τίτθηστα</foreign></hi> u. s. w. auf einer blossen Nachbildung<lb/> von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">οἶσθα</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἦσθα</foreign></hi> beruhe, wie dies von Osthoff und an-<lb/> dern mehrfach behauptet ist; noch weniger, dass <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">δέδωκα</foreign></hi>, von<lb/> welchem man behauptet, aber nicht bewiesen hat, das <hi rendition="#i">κ</hi> sei<lb/> wurzelhaft, die Quelle oder, um Pott in der Anwendung eines<lb/> andern Bildes zu folgen, der Leithammel sämmtlicher grie-<lb/> chischen Perfecta auf <hi rendition="#i">-κα</hi> geworden. Denn hier ist nicht ein-<lb/> mal für dies angebliche Muster, wie ich Verb. II<hi rendition="#sup">2</hi> 226 gezeigt<lb/> habe, im sanskr. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">dāc̹</foreign></hi> eine irgendwie verlässliche Erklärung<lb/> gefunden worden. Die W. <hi rendition="#i">δωκ</hi> als Parallele zu <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">dāc̹</foreign></hi> wäre nie<lb/> aufgestellt, wenn sie nicht so schön zu passen geschienen<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0064]
Begriff ist selbst den griechischen Grammatikern bekanntlich
fremd geblieben. Erst die neuere Sprachwissenschaft hat ihn
durch Nachdenken gefunden und nach dem Vorgang der indi-
schen Grammatiker zu grösserer Klarheit gebracht. Es scheint
mir ein psychologischer Irrthum, der Empfindung zuzutrauen,
was selbst der „Verstand der Verständigsten“ nur schwer er-
mittelt.
Eine weitere Frage ist die nach der Zahl der Fälle,
welche eine Analogiebildung hervorgerufen haben kann oder
soll. Dass es glaublicher und wahrscheinlicher ist, wenn man
behauptet, eine grössere Anzahl von Fällen habe einen ein-
zelnen oder einige wenige nach sich gezogen, als umgekehrt,
wenn man annimmt, eine einzige oder eine ganz kleine An-
zahl von Formen hätten die Kraft gehabt, auf eine grosse
Masse anderer einzuwirken, bedarf kaum der Begründung.
Diese unverkennbare Wahrheit wird von Misteli S. 414 ff. aus-
führlich auseinander gesetzt. Die Analogetiker sind daher
auch stets bemüht, wenn es irgend möglich ist, eine grössere
Anzahl von Formen als Musterbilder herbeizuziehen, aber sie
schrecken nicht davor zurück, gelegentlich auch etwas ganz
vereinzeltes als Vorbild einer grossen Masse aufzustellen. Von
derartigen Behauptungen ist mir keine einzige glaublich. Ich
vermag mich also nicht davon zu überzeugen, dass das σθ
von ἔφησθα, τίτθηστα u. s. w. auf einer blossen Nachbildung
von οἶσθα und ἦσθα beruhe, wie dies von Osthoff und an-
dern mehrfach behauptet ist; noch weniger, dass δέδωκα, von
welchem man behauptet, aber nicht bewiesen hat, das κ sei
wurzelhaft, die Quelle oder, um Pott in der Anwendung eines
andern Bildes zu folgen, der Leithammel sämmtlicher grie-
chischen Perfecta auf -κα geworden. Denn hier ist nicht ein-
mal für dies angebliche Muster, wie ich Verb. II2 226 gezeigt
habe, im sanskr. dāc̹ eine irgendwie verlässliche Erklärung
gefunden worden. Die W. δωκ als Parallele zu dāc̹ wäre nie
aufgestellt, wenn sie nicht so schön zu passen geschienen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |