zu geben, und war um so mehr erfreut, unter den Eidab- leistern einige Herren von der Adelskammer, einen Mathieu Montmorency, Clermont-Tonnerre und Lally-Tollendal zu erblicken.
Die königliche Sitzung ward um einen Tag verscho- ben, dieses Mal durch ein königliches Handschreiben an den Präsidenten, welches zugleich den Eintritt in den Ständesaal bis dahin verbot. Eine beabsichtigte zweite Versammlung im Ballhause aber schnitt der Graf von Artois ab, indem er dem Eigenthümer sagen ließ, er wolle Montag dort spielen. Aber auch diese List schlug in ihr Gegentheil um, die Gemeinen versammelten sich in der Kirche des heiligen Ludwig, und hier traten vor allerJuni 22. Welt Augen die 149 Geistlichen zu ihnen ein, meistens arme Pfarrer, es ist wahr, aber geführt von zwei Erzbi- schöfen, drei Bischöfen. So verstärkt konnte man dem nächsten Tage getroster entgegensehen.
In der königlichen Sitzung ward sofort Neckers AnblickJuni 23. vermißt. Er war im Ministerrathe, überrascht von der Thatkräftigkeit des dritten Standes, mit seinen alten Ge- danken herausgetreten, nur daß was er früher anheimgab, sich jetzt zum Befehl des Königs umgestalten sollte. Der König sollte demnach die gemeinsame Berathung über alle gemeinsamen Angelegenheiten bewilligen, die getrennte Berathung befehlen, sobald es sich von Rechten der ein- zelnen Stände handelte. Dieser Plan war von jeher arm- selig, unpraktisch, denn es wird sich ewig fragen, was
Französische Revolution. 14
zu geben, und war um ſo mehr erfreut, unter den Eidab- leiſtern einige Herren von der Adelskammer, einen Mathieu Montmorency, Clermont-Tonnerre und Lally-Tollendal zu erblicken.
Die königliche Sitzung ward um einen Tag verſcho- ben, dieſes Mal durch ein königliches Handſchreiben an den Präſidenten, welches zugleich den Eintritt in den Ständeſaal bis dahin verbot. Eine beabſichtigte zweite Verſammlung im Ballhauſe aber ſchnitt der Graf von Artois ab, indem er dem Eigenthümer ſagen ließ, er wolle Montag dort ſpielen. Aber auch dieſe Liſt ſchlug in ihr Gegentheil um, die Gemeinen verſammelten ſich in der Kirche des heiligen Ludwig, und hier traten vor allerJuni 22. Welt Augen die 149 Geiſtlichen zu ihnen ein, meiſtens arme Pfarrer, es iſt wahr, aber geführt von zwei Erzbi- ſchöfen, drei Biſchöfen. So verſtärkt konnte man dem nächſten Tage getroſter entgegenſehen.
In der königlichen Sitzung ward ſofort Neckers AnblickJuni 23. vermißt. Er war im Miniſterrathe, überraſcht von der Thatkräftigkeit des dritten Standes, mit ſeinen alten Ge- danken herausgetreten, nur daß was er früher anheimgab, ſich jetzt zum Befehl des Königs umgeſtalten ſollte. Der König ſollte demnach die gemeinſame Berathung über alle gemeinſamen Angelegenheiten bewilligen, die getrennte Berathung befehlen, ſobald es ſich von Rechten der ein- zelnen Stände handelte. Dieſer Plan war von jeher arm- ſelig, unpraktiſch, denn es wird ſich ewig fragen, was
Franzoͤſiſche Revolution. 14
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zu geben, und war um ſo mehr erfreut, unter den Eidab-
leiſtern einige Herren von der Adelskammer, einen Mathieu
Montmorency, Clermont-Tonnerre und Lally-Tollendal
zu erblicken.
Die königliche Sitzung ward um einen Tag verſcho-
ben, dieſes Mal durch ein königliches Handſchreiben an
den Präſidenten, welches zugleich den Eintritt in den
Ständeſaal bis dahin verbot. Eine beabſichtigte zweite
Verſammlung im Ballhauſe aber ſchnitt der Graf von
Artois ab, indem er dem Eigenthümer ſagen ließ, er
wolle Montag dort ſpielen. Aber auch dieſe Liſt ſchlug in
ihr Gegentheil um, die Gemeinen verſammelten ſich in
der Kirche des heiligen Ludwig, und hier traten vor aller
Welt Augen die 149 Geiſtlichen zu ihnen ein, meiſtens
arme Pfarrer, es iſt wahr, aber geführt von zwei Erzbi-
ſchöfen, drei Biſchöfen. So verſtärkt konnte man dem
nächſten Tage getroſter entgegenſehen.
Juni 22.
In der königlichen Sitzung ward ſofort Neckers Anblick
vermißt. Er war im Miniſterrathe, überraſcht von der
Thatkräftigkeit des dritten Standes, mit ſeinen alten Ge-
danken herausgetreten, nur daß was er früher anheimgab,
ſich jetzt zum Befehl des Königs umgeſtalten ſollte. Der
König ſollte demnach die gemeinſame Berathung über alle
gemeinſamen Angelegenheiten bewilligen, die getrennte
Berathung befehlen, ſobald es ſich von Rechten der ein-
zelnen Stände handelte. Dieſer Plan war von jeher arm-
ſelig, unpraktiſch, denn es wird ſich ewig fragen, was
Juni 23.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/219>, abgerufen am 16.02.2025.
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