Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

meine Befehle zurückgenommen; meine Truppen werden
Paris verlassen; ich will sanftere Mittel anwenden. Redet
mir nicht mehr von einem Machtstreiche; ich halte es für
klüger Zeit zu gewinnen, dem Ungewitter auszuweichen,
Alles von der Zeit, von dem Erwachen der wackeren Leute
und der Liebe der Franzosen für ihren König zu erwarten."
Ludwig XVI. war der Hartnäckigkeit Karl Stuarts fremd
und so ward der Bürgerkrieg vermieden. Der National-
versammlung gegenüber hielt er noch fest, schlug ihr des-
selbigen Tages ihre wiederholte Bitte um Entfernung der
Truppen, nicht minder die Bitte um Genehmigung einer
Bürgergarde für Paris entschieden ab. Die Versammlung
antwortete hierauf mit der Erklärung, daß Necker und die
übrigen verabschiedeten Minister ihre Achtung und ihr Be-
dauern mit sich nähmen, und machte die gegenwärtigen
Minister verantwortlich für alle unglücklichen Folgen der
neuesten Maßregeln. Da man nächtliche Verhaftungen
einzelner Mitglieder fürchtete, erklärte man sich für perma-
nent, blieb die Nacht beisammen, und wählte, um die
Mühwaltung des Präsidenten, des hochbejahrten Erzbi-
schofs von Vienne zu erleichtern, den ersten Vicepräsiden-
ten, Lafayette.

Mittlerweile ging es den Männern des Stadthauses
bereits wie dem Zauberlehrling, der die Geister, welche
er aufgeboten hat, nicht wieder zu bannen weiß. Sie
hatten einer gewaltigen bewaffneten Macht das Daseyn
gegeben, und wußten sie kaum einen vollen Tag zu be-

meine Befehle zurückgenommen; meine Truppen werden
Paris verlaſſen; ich will ſanftere Mittel anwenden. Redet
mir nicht mehr von einem Machtſtreiche; ich halte es für
klüger Zeit zu gewinnen, dem Ungewitter auszuweichen,
Alles von der Zeit, von dem Erwachen der wackeren Leute
und der Liebe der Franzoſen für ihren König zu erwarten.“
Ludwig XVI. war der Hartnäckigkeit Karl Stuarts fremd
und ſo ward der Bürgerkrieg vermieden. Der National-
verſammlung gegenüber hielt er noch feſt, ſchlug ihr deſ-
ſelbigen Tages ihre wiederholte Bitte um Entfernung der
Truppen, nicht minder die Bitte um Genehmigung einer
Bürgergarde für Paris entſchieden ab. Die Verſammlung
antwortete hierauf mit der Erklärung, daß Necker und die
übrigen verabſchiedeten Miniſter ihre Achtung und ihr Be-
dauern mit ſich nähmen, und machte die gegenwärtigen
Miniſter verantwortlich für alle unglücklichen Folgen der
neueſten Maßregeln. Da man nächtliche Verhaftungen
einzelner Mitglieder fürchtete, erklärte man ſich für perma-
nent, blieb die Nacht beiſammen, und wählte, um die
Mühwaltung des Präſidenten, des hochbejahrten Erzbi-
ſchofs von Vienne zu erleichtern, den erſten Vicepräſiden-
ten, Lafayette.

Mittlerweile ging es den Männern des Stadthauſes
bereits wie dem Zauberlehrling, der die Geiſter, welche
er aufgeboten hat, nicht wieder zu bannen weiß. Sie
hatten einer gewaltigen bewaffneten Macht das Daſeyn
gegeben, und wußten ſie kaum einen vollen Tag zu be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0239" n="229"/>
meine Befehle zurückgenommen; meine Truppen werden<lb/>
Paris verla&#x017F;&#x017F;en; ich will &#x017F;anftere Mittel anwenden. Redet<lb/>
mir nicht mehr von einem Macht&#x017F;treiche; ich halte es für<lb/>
klüger Zeit zu gewinnen, dem Ungewitter auszuweichen,<lb/>
Alles von der Zeit, von dem Erwachen der wackeren Leute<lb/>
und der Liebe der Franzo&#x017F;en für ihren König zu erwarten.&#x201C;<lb/>
Ludwig <hi rendition="#aq">XVI</hi>. war der Hartnäckigkeit Karl Stuarts fremd<lb/>
und &#x017F;o ward der Bürgerkrieg vermieden. Der National-<lb/>
ver&#x017F;ammlung gegenüber hielt er noch fe&#x017F;t, &#x017F;chlug ihr de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elbigen Tages ihre wiederholte Bitte um Entfernung der<lb/>
Truppen, nicht minder die Bitte um Genehmigung einer<lb/>
Bürgergarde für Paris ent&#x017F;chieden ab. Die Ver&#x017F;ammlung<lb/>
antwortete hierauf mit der Erklärung, daß Necker und die<lb/>
übrigen verab&#x017F;chiedeten Mini&#x017F;ter ihre Achtung und ihr Be-<lb/>
dauern mit &#x017F;ich nähmen, und machte die gegenwärtigen<lb/>
Mini&#x017F;ter verantwortlich für alle unglücklichen Folgen der<lb/>
neue&#x017F;ten Maßregeln. Da man nächtliche Verhaftungen<lb/>
einzelner Mitglieder fürchtete, erklärte man &#x017F;ich für perma-<lb/>
nent, blieb die Nacht bei&#x017F;ammen, und wählte, um die<lb/>
Mühwaltung des Prä&#x017F;identen, des hochbejahrten Erzbi-<lb/>
&#x017F;chofs von Vienne zu erleichtern, den er&#x017F;ten Viceprä&#x017F;iden-<lb/>
ten, Lafayette.</p><lb/>
          <p>Mittlerweile ging es den Männern des Stadthau&#x017F;es<lb/>
bereits wie dem Zauberlehrling, der die Gei&#x017F;ter, welche<lb/>
er aufgeboten hat, nicht wieder zu bannen weiß. Sie<lb/>
hatten einer gewaltigen bewaffneten Macht das Da&#x017F;eyn<lb/>
gegeben, und wußten &#x017F;ie kaum einen vollen Tag zu be-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0239] meine Befehle zurückgenommen; meine Truppen werden Paris verlaſſen; ich will ſanftere Mittel anwenden. Redet mir nicht mehr von einem Machtſtreiche; ich halte es für klüger Zeit zu gewinnen, dem Ungewitter auszuweichen, Alles von der Zeit, von dem Erwachen der wackeren Leute und der Liebe der Franzoſen für ihren König zu erwarten.“ Ludwig XVI. war der Hartnäckigkeit Karl Stuarts fremd und ſo ward der Bürgerkrieg vermieden. Der National- verſammlung gegenüber hielt er noch feſt, ſchlug ihr deſ- ſelbigen Tages ihre wiederholte Bitte um Entfernung der Truppen, nicht minder die Bitte um Genehmigung einer Bürgergarde für Paris entſchieden ab. Die Verſammlung antwortete hierauf mit der Erklärung, daß Necker und die übrigen verabſchiedeten Miniſter ihre Achtung und ihr Be- dauern mit ſich nähmen, und machte die gegenwärtigen Miniſter verantwortlich für alle unglücklichen Folgen der neueſten Maßregeln. Da man nächtliche Verhaftungen einzelner Mitglieder fürchtete, erklärte man ſich für perma- nent, blieb die Nacht beiſammen, und wählte, um die Mühwaltung des Präſidenten, des hochbejahrten Erzbi- ſchofs von Vienne zu erleichtern, den erſten Vicepräſiden- ten, Lafayette. Mittlerweile ging es den Männern des Stadthauſes bereits wie dem Zauberlehrling, der die Geiſter, welche er aufgeboten hat, nicht wieder zu bannen weiß. Sie hatten einer gewaltigen bewaffneten Macht das Daſeyn gegeben, und wußten ſie kaum einen vollen Tag zu be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/239
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/239>, abgerufen am 21.11.2024.