persönlichen Rechten, wird dieser herrlichen Fülle allver- theilten bürgerlichen Grundbesitzes ein Ende machen, Alles Segnungen, welche, so neu sie sind, doch so innig im Volksbewußtseyn haften, wie sich der Regen des Himmels mit der durstenden Flur vermählt. Wer es versteht mensch- liche Dinge mit dem Maße menschlicher Kräfte zu messen, der begreift auch, wie die Lehre der Marats: "Es ist ein Verbrechen König zu seyn," von nun an geläufig werden konnte.
In der Nationalversammlung irrten die Gedanken in Erwartung des feindlichen Einbruches geschäftig hin und her. Man ahnte in den Tuilerien einen schlummernden Feind, welchen die Kanone des Auslands wecken konnte, und gleichwohl trug man Bedenken ihn zu entwaffnen, die Verfassung in demselben Augenblicke zu verändern, da sie auf dem Schlachtfelde vertheidigt werden sollte. Somit wechselten freundliche Ausgleichungsversuche mit herben Anklagen. Man erklärte den einen Tag weder die Republik noch zwei Kammern zu wollen, den andern hörte man Brissot gläubig zu, wie er die Verschwörung des Hofes gegen die junge Freiheit enthüllte. Am großen Bundesfeste Juli 14.erschien der König in einen Brustpanzer von funfzehnfachem italiänischen Atlas gehüllt. Aber keine Dolche bedrohten ihn, wenn das nicht ein Dolchstich war daß ein Redner des Tages sprach: "Alle Könige verschwören sich zum Untergange des französischen Volks; schwören wir den Untergang der Könige." Und fast kein Hoch für den König
perſönlichen Rechten, wird dieſer herrlichen Fülle allver- theilten bürgerlichen Grundbeſitzes ein Ende machen, Alles Segnungen, welche, ſo neu ſie ſind, doch ſo innig im Volksbewußtſeyn haften, wie ſich der Regen des Himmels mit der durſtenden Flur vermählt. Wer es verſteht menſch- liche Dinge mit dem Maße menſchlicher Kräfte zu meſſen, der begreift auch, wie die Lehre der Marats: „Es iſt ein Verbrechen König zu ſeyn,“ von nun an geläufig werden konnte.
In der Nationalverſammlung irrten die Gedanken in Erwartung des feindlichen Einbruches geſchäftig hin und her. Man ahnte in den Tuilerien einen ſchlummernden Feind, welchen die Kanone des Auslands wecken konnte, und gleichwohl trug man Bedenken ihn zu entwaffnen, die Verfaſſung in demſelben Augenblicke zu verändern, da ſie auf dem Schlachtfelde vertheidigt werden ſollte. Somit wechſelten freundliche Ausgleichungsverſuche mit herben Anklagen. Man erklärte den einen Tag weder die Republik noch zwei Kammern zu wollen, den andern hörte man Briſſot gläubig zu, wie er die Verſchwörung des Hofes gegen die junge Freiheit enthüllte. Am großen Bundesfeſte Juli 14.erſchien der König in einen Bruſtpanzer von funfzehnfachem italiäniſchen Atlas gehüllt. Aber keine Dolche bedrohten ihn, wenn das nicht ein Dolchſtich war daß ein Redner des Tages ſprach: „Alle Könige verſchwören ſich zum Untergange des franzöſiſchen Volks; ſchwören wir den Untergang der Könige.“ Und faſt kein Hoch für den König
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0454"n="444"/>
perſönlichen Rechten, wird dieſer herrlichen Fülle allver-<lb/>
theilten bürgerlichen Grundbeſitzes ein Ende machen, Alles<lb/>
Segnungen, welche, ſo neu ſie ſind, doch ſo innig im<lb/>
Volksbewußtſeyn haften, wie ſich der Regen des Himmels<lb/>
mit der durſtenden Flur vermählt. Wer es verſteht menſch-<lb/>
liche Dinge mit dem Maße menſchlicher Kräfte zu meſſen,<lb/>
der begreift auch, wie die Lehre der Marats: „Es iſt ein<lb/>
Verbrechen König zu ſeyn,“ von nun an geläufig werden<lb/>
konnte.</p><lb/><p>In der Nationalverſammlung irrten die Gedanken in<lb/>
Erwartung des feindlichen Einbruches geſchäftig hin und<lb/>
her. Man ahnte in den Tuilerien einen ſchlummernden<lb/>
Feind, welchen die Kanone des Auslands wecken konnte,<lb/>
und gleichwohl trug man Bedenken ihn zu entwaffnen, die<lb/>
Verfaſſung in demſelben Augenblicke zu verändern, da ſie<lb/>
auf dem Schlachtfelde vertheidigt werden ſollte. Somit<lb/>
wechſelten freundliche Ausgleichungsverſuche mit herben<lb/>
Anklagen. Man erklärte den einen Tag weder die Republik<lb/>
noch zwei Kammern zu wollen, den andern hörte man<lb/>
Briſſot gläubig zu, wie er die Verſchwörung des Hofes<lb/>
gegen die junge Freiheit enthüllte. Am großen Bundesfeſte<lb/><noteplace="left">Juli 14.</note>erſchien der König in einen Bruſtpanzer von funfzehnfachem<lb/>
italiäniſchen Atlas gehüllt. Aber keine Dolche bedrohten<lb/>
ihn, wenn das nicht ein Dolchſtich war daß ein Redner<lb/>
des Tages ſprach: „Alle Könige verſchwören ſich zum<lb/>
Untergange des franzöſiſchen Volks; ſchwören wir den<lb/>
Untergang der Könige.“ Und faſt kein Hoch für den König<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[444/0454]
perſönlichen Rechten, wird dieſer herrlichen Fülle allver-
theilten bürgerlichen Grundbeſitzes ein Ende machen, Alles
Segnungen, welche, ſo neu ſie ſind, doch ſo innig im
Volksbewußtſeyn haften, wie ſich der Regen des Himmels
mit der durſtenden Flur vermählt. Wer es verſteht menſch-
liche Dinge mit dem Maße menſchlicher Kräfte zu meſſen,
der begreift auch, wie die Lehre der Marats: „Es iſt ein
Verbrechen König zu ſeyn,“ von nun an geläufig werden
konnte.
In der Nationalverſammlung irrten die Gedanken in
Erwartung des feindlichen Einbruches geſchäftig hin und
her. Man ahnte in den Tuilerien einen ſchlummernden
Feind, welchen die Kanone des Auslands wecken konnte,
und gleichwohl trug man Bedenken ihn zu entwaffnen, die
Verfaſſung in demſelben Augenblicke zu verändern, da ſie
auf dem Schlachtfelde vertheidigt werden ſollte. Somit
wechſelten freundliche Ausgleichungsverſuche mit herben
Anklagen. Man erklärte den einen Tag weder die Republik
noch zwei Kammern zu wollen, den andern hörte man
Briſſot gläubig zu, wie er die Verſchwörung des Hofes
gegen die junge Freiheit enthüllte. Am großen Bundesfeſte
erſchien der König in einen Bruſtpanzer von funfzehnfachem
italiäniſchen Atlas gehüllt. Aber keine Dolche bedrohten
ihn, wenn das nicht ein Dolchſtich war daß ein Redner
des Tages ſprach: „Alle Könige verſchwören ſich zum
Untergange des franzöſiſchen Volks; ſchwören wir den
Untergang der Könige.“ Und faſt kein Hoch für den König
Juli 14.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/454>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.