Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

persönlichen Rechten, wird dieser herrlichen Fülle allver-
theilten bürgerlichen Grundbesitzes ein Ende machen, Alles
Segnungen, welche, so neu sie sind, doch so innig im
Volksbewußtseyn haften, wie sich der Regen des Himmels
mit der durstenden Flur vermählt. Wer es versteht mensch-
liche Dinge mit dem Maße menschlicher Kräfte zu messen,
der begreift auch, wie die Lehre der Marats: "Es ist ein
Verbrechen König zu seyn," von nun an geläufig werden
konnte.

In der Nationalversammlung irrten die Gedanken in
Erwartung des feindlichen Einbruches geschäftig hin und
her. Man ahnte in den Tuilerien einen schlummernden
Feind, welchen die Kanone des Auslands wecken konnte,
und gleichwohl trug man Bedenken ihn zu entwaffnen, die
Verfassung in demselben Augenblicke zu verändern, da sie
auf dem Schlachtfelde vertheidigt werden sollte. Somit
wechselten freundliche Ausgleichungsversuche mit herben
Anklagen. Man erklärte den einen Tag weder die Republik
noch zwei Kammern zu wollen, den andern hörte man
Brissot gläubig zu, wie er die Verschwörung des Hofes
gegen die junge Freiheit enthüllte. Am großen Bundesfeste
Juli 14.erschien der König in einen Brustpanzer von funfzehnfachem
italiänischen Atlas gehüllt. Aber keine Dolche bedrohten
ihn, wenn das nicht ein Dolchstich war daß ein Redner
des Tages sprach: "Alle Könige verschwören sich zum
Untergange des französischen Volks; schwören wir den
Untergang der Könige." Und fast kein Hoch für den König

perſönlichen Rechten, wird dieſer herrlichen Fülle allver-
theilten bürgerlichen Grundbeſitzes ein Ende machen, Alles
Segnungen, welche, ſo neu ſie ſind, doch ſo innig im
Volksbewußtſeyn haften, wie ſich der Regen des Himmels
mit der durſtenden Flur vermählt. Wer es verſteht menſch-
liche Dinge mit dem Maße menſchlicher Kräfte zu meſſen,
der begreift auch, wie die Lehre der Marats: „Es iſt ein
Verbrechen König zu ſeyn,“ von nun an geläufig werden
konnte.

In der Nationalverſammlung irrten die Gedanken in
Erwartung des feindlichen Einbruches geſchäftig hin und
her. Man ahnte in den Tuilerien einen ſchlummernden
Feind, welchen die Kanone des Auslands wecken konnte,
und gleichwohl trug man Bedenken ihn zu entwaffnen, die
Verfaſſung in demſelben Augenblicke zu verändern, da ſie
auf dem Schlachtfelde vertheidigt werden ſollte. Somit
wechſelten freundliche Ausgleichungsverſuche mit herben
Anklagen. Man erklärte den einen Tag weder die Republik
noch zwei Kammern zu wollen, den andern hörte man
Briſſot gläubig zu, wie er die Verſchwörung des Hofes
gegen die junge Freiheit enthüllte. Am großen Bundesfeſte
Juli 14.erſchien der König in einen Bruſtpanzer von funfzehnfachem
italiäniſchen Atlas gehüllt. Aber keine Dolche bedrohten
ihn, wenn das nicht ein Dolchſtich war daß ein Redner
des Tages ſprach: „Alle Könige verſchwören ſich zum
Untergange des franzöſiſchen Volks; ſchwören wir den
Untergang der Könige.“ Und faſt kein Hoch für den König

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0454" n="444"/>
per&#x017F;önlichen Rechten, wird die&#x017F;er herrlichen Fülle allver-<lb/>
theilten bürgerlichen Grundbe&#x017F;itzes ein Ende machen, Alles<lb/>
Segnungen, welche, &#x017F;o neu &#x017F;ie &#x017F;ind, doch &#x017F;o innig im<lb/>
Volksbewußt&#x017F;eyn haften, wie &#x017F;ich der Regen des Himmels<lb/>
mit der dur&#x017F;tenden Flur vermählt. Wer es ver&#x017F;teht men&#x017F;ch-<lb/>
liche Dinge mit dem Maße men&#x017F;chlicher Kräfte zu me&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
der begreift auch, wie die Lehre der Marats: &#x201E;Es i&#x017F;t ein<lb/>
Verbrechen König zu &#x017F;eyn,&#x201C; von nun an geläufig werden<lb/>
konnte.</p><lb/>
          <p>In der Nationalver&#x017F;ammlung irrten die Gedanken in<lb/>
Erwartung des feindlichen Einbruches ge&#x017F;chäftig hin und<lb/>
her. Man ahnte in den Tuilerien einen &#x017F;chlummernden<lb/>
Feind, welchen die Kanone des Auslands wecken konnte,<lb/>
und gleichwohl trug man Bedenken ihn zu entwaffnen, die<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung in dem&#x017F;elben Augenblicke zu verändern, da &#x017F;ie<lb/>
auf dem Schlachtfelde vertheidigt werden &#x017F;ollte. Somit<lb/>
wech&#x017F;elten freundliche Ausgleichungsver&#x017F;uche mit herben<lb/>
Anklagen. Man erklärte den einen Tag weder die Republik<lb/>
noch zwei Kammern zu wollen, den andern hörte man<lb/>
Bri&#x017F;&#x017F;ot gläubig zu, wie er die Ver&#x017F;chwörung des Hofes<lb/>
gegen die junge Freiheit enthüllte. Am großen Bundesfe&#x017F;te<lb/><note place="left">Juli 14.</note>er&#x017F;chien der König in einen Bru&#x017F;tpanzer von funfzehnfachem<lb/>
italiäni&#x017F;chen Atlas gehüllt. Aber keine Dolche bedrohten<lb/>
ihn, wenn das nicht ein Dolch&#x017F;tich war daß ein Redner<lb/>
des Tages &#x017F;prach: &#x201E;Alle Könige ver&#x017F;chwören &#x017F;ich zum<lb/>
Untergange des franzö&#x017F;i&#x017F;chen Volks; &#x017F;chwören wir den<lb/>
Untergang der Könige.&#x201C; Und fa&#x017F;t kein Hoch für den König<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0454] perſönlichen Rechten, wird dieſer herrlichen Fülle allver- theilten bürgerlichen Grundbeſitzes ein Ende machen, Alles Segnungen, welche, ſo neu ſie ſind, doch ſo innig im Volksbewußtſeyn haften, wie ſich der Regen des Himmels mit der durſtenden Flur vermählt. Wer es verſteht menſch- liche Dinge mit dem Maße menſchlicher Kräfte zu meſſen, der begreift auch, wie die Lehre der Marats: „Es iſt ein Verbrechen König zu ſeyn,“ von nun an geläufig werden konnte. In der Nationalverſammlung irrten die Gedanken in Erwartung des feindlichen Einbruches geſchäftig hin und her. Man ahnte in den Tuilerien einen ſchlummernden Feind, welchen die Kanone des Auslands wecken konnte, und gleichwohl trug man Bedenken ihn zu entwaffnen, die Verfaſſung in demſelben Augenblicke zu verändern, da ſie auf dem Schlachtfelde vertheidigt werden ſollte. Somit wechſelten freundliche Ausgleichungsverſuche mit herben Anklagen. Man erklärte den einen Tag weder die Republik noch zwei Kammern zu wollen, den andern hörte man Briſſot gläubig zu, wie er die Verſchwörung des Hofes gegen die junge Freiheit enthüllte. Am großen Bundesfeſte erſchien der König in einen Bruſtpanzer von funfzehnfachem italiäniſchen Atlas gehüllt. Aber keine Dolche bedrohten ihn, wenn das nicht ein Dolchſtich war daß ein Redner des Tages ſprach: „Alle Könige verſchwören ſich zum Untergange des franzöſiſchen Volks; ſchwören wir den Untergang der Könige.“ Und faſt kein Hoch für den König Juli 14.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/454
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/454>, abgerufen am 04.12.2024.