Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Zehntes Capitel. nicht länger versagt werden (§. 11.); wir müssen aber waswir in der Staatsverfassung verwarfen (s. 120.) auch in der Gemeindeverfassung misbilligen, zumahl nicht einmahl die Wiederwahl der zweimahl nicht bestätigten Person aus- geschlossen ist. Der Gemeinderath wird auf 6 Jahre (kein Übergang zur Lebenslänglichkeit), der Bürgerausschuß auf de- ren 4 gewählt. In größeren Städten ist es gestattet (§. 40.) einen größeren Ausschuß zu wählen, der, allzeit öffentlich verhandelnd, die Gemeindeversammlung in der Regel ver- tritt, nur nicht bei Wahlen zum Gemeinderath und zum engeren Ausschusse. 1) Die Nachrichten, welche der Regierungsrath Beisler im Ober- donaukreise (Betrachtungen über Gemeinde-Verfassung und Ge- werbwesen mit besonderer Bezugnahme auf Bayern. Augsb. 1831.) über den Zustand der Bairischen Stadtgemeinden giebt (S. 63 ff.), lauten höchst ungünstig. Die meisten sind verarmt, die Rechnungen mehrerer schließen nach einem 15jährigen Frie- den mit einem jährlichen Deficit. Vielfache Vergeudung des Ge- meindevermögens zu Privatzwecken, die Magistrate votiren sich Gratificationen. Exorbitant ist der Vorgang in Augsburg, dessen Magistrat in dem einen Jahre dem durchreisenden Könige Prunk und Geschenke darbietet, zu einer Stiftung allein 18,000 Gul- den, und im Jahre darauf durch eine Deputation vor dem Throne den Communal-Banquerot mit einem jährlichen Deficit von 50,000 Fl. erklärt und Staatshülfe in Anspruch nimmt. Allein diese Thatsachen beweisen nicht was der sonst einsichtige Verfasser beabsichtigt, die Nachtheile einer freien Communalverfassung; sie beweisen, daß es nachtheilig ist, wenn die Gemeinde-Bevoll- mächtigten in Absicht des städtischen Haushalts bloß einen Rath abzugeben haben (§. 82. der B. Gem. Ordnung -- Gesetzblatt v. 1818.), den der Magistrat auch unbeachtet lassen darf, was im- mer dem Rathe die Flügel der Kraft und Einsicht lähmt; sie beweisen endlich, daß außer dem Magistrat auch die oberaufse- hende Behörde ihre Pflicht vergessen hat. Zehntes Capitel. nicht laͤnger verſagt werden (§. 11.); wir muͤſſen aber waswir in der Staatsverfaſſung verwarfen (ſ. 120.) auch in der Gemeindeverfaſſung misbilligen, zumahl nicht einmahl die Wiederwahl der zweimahl nicht beſtaͤtigten Perſon aus- geſchloſſen iſt. Der Gemeinderath wird auf 6 Jahre (kein Übergang zur Lebenslaͤnglichkeit), der Buͤrgerausſchuß auf de- ren 4 gewaͤhlt. In groͤßeren Staͤdten iſt es geſtattet (§. 40.) einen groͤßeren Ausſchuß zu waͤhlen, der, allzeit oͤffentlich verhandelnd, die Gemeindeverſammlung in der Regel ver- tritt, nur nicht bei Wahlen zum Gemeinderath und zum engeren Ausſchuſſe. 1) Die Nachrichten, welche der Regierungsrath Beisler im Ober- donaukreiſe (Betrachtungen uͤber Gemeinde-Verfaſſung und Ge- werbweſen mit beſonderer Bezugnahme auf Bayern. Augsb. 1831.) uͤber den Zuſtand der Bairiſchen Stadtgemeinden giebt (S. 63 ff.), lauten hoͤchſt unguͤnſtig. Die meiſten ſind verarmt, die Rechnungen mehrerer ſchließen nach einem 15jaͤhrigen Frie- den mit einem jaͤhrlichen Deficit. Vielfache Vergeudung des Ge- meindevermoͤgens zu Privatzwecken, die Magiſtrate votiren ſich Gratificationen. Exorbitant iſt der Vorgang in Augsburg, deſſen Magiſtrat in dem einen Jahre dem durchreiſenden Koͤnige Prunk und Geſchenke darbietet, zu einer Stiftung allein 18,000 Gul- den, und im Jahre darauf durch eine Deputation vor dem Throne den Communal-Banquerot mit einem jaͤhrlichen Deficit von 50,000 Fl. erklaͤrt und Staatshuͤlfe in Anſpruch nimmt. Allein dieſe Thatſachen beweiſen nicht was der ſonſt einſichtige Verfaſſer beabſichtigt, die Nachtheile einer freien Communalverfaſſung; ſie beweiſen, daß es nachtheilig iſt, wenn die Gemeinde-Bevoll- maͤchtigten in Abſicht des ſtaͤdtiſchen Haushalts bloß einen Rath abzugeben haben (§. 82. der B. Gem. Ordnung — Geſetzblatt v. 1818.), den der Magiſtrat auch unbeachtet laſſen darf, was im- mer dem Rathe die Fluͤgel der Kraft und Einſicht laͤhmt; ſie beweiſen endlich, daß außer dem Magiſtrat auch die oberaufſe- hende Behoͤrde ihre Pflicht vergeſſen hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0244" n="232"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Capitel</hi>.</fw><lb/> nicht laͤnger verſagt werden (§. 11.); wir muͤſſen aber was<lb/> wir in der Staatsverfaſſung verwarfen (ſ. 120.) auch in<lb/> der Gemeindeverfaſſung misbilligen, zumahl nicht einmahl<lb/> die Wiederwahl der zweimahl nicht beſtaͤtigten Perſon aus-<lb/> geſchloſſen iſt. Der Gemeinderath wird auf 6 Jahre (kein<lb/> Übergang zur Lebenslaͤnglichkeit), der Buͤrgerausſchuß auf de-<lb/> ren 4 gewaͤhlt. 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Zehntes Capitel.
nicht laͤnger verſagt werden (§. 11.); wir muͤſſen aber was
wir in der Staatsverfaſſung verwarfen (ſ. 120.) auch in
der Gemeindeverfaſſung misbilligen, zumahl nicht einmahl
die Wiederwahl der zweimahl nicht beſtaͤtigten Perſon aus-
geſchloſſen iſt. Der Gemeinderath wird auf 6 Jahre (kein
Übergang zur Lebenslaͤnglichkeit), der Buͤrgerausſchuß auf de-
ren 4 gewaͤhlt. In groͤßeren Staͤdten iſt es geſtattet (§. 40.)
einen groͤßeren Ausſchuß zu waͤhlen, der, allzeit oͤffentlich
verhandelnd, die Gemeindeverſammlung in der Regel ver-
tritt, nur nicht bei Wahlen zum Gemeinderath und zum
engeren Ausſchuſſe.
¹⁾ Die Nachrichten, welche der Regierungsrath Beisler im Ober-
donaukreiſe (Betrachtungen uͤber Gemeinde-Verfaſſung und Ge-
werbweſen mit beſonderer Bezugnahme auf Bayern. Augsb.
1831.) uͤber den Zuſtand der Bairiſchen Stadtgemeinden giebt
(S. 63 ff.), lauten hoͤchſt unguͤnſtig. Die meiſten ſind verarmt,
die Rechnungen mehrerer ſchließen nach einem 15jaͤhrigen Frie-
den mit einem jaͤhrlichen Deficit. Vielfache Vergeudung des Ge-
meindevermoͤgens zu Privatzwecken, die Magiſtrate votiren ſich
Gratificationen. Exorbitant iſt der Vorgang in Augsburg, deſſen
Magiſtrat in dem einen Jahre dem durchreiſenden Koͤnige Prunk
und Geſchenke darbietet, zu einer Stiftung allein 18,000 Gul-
den, und im Jahre darauf durch eine Deputation vor dem
Throne den Communal-Banquerot mit einem jaͤhrlichen Deficit
von 50,000 Fl. erklaͤrt und Staatshuͤlfe in Anſpruch nimmt. Allein
dieſe Thatſachen beweiſen nicht was der ſonſt einſichtige Verfaſſer
beabſichtigt, die Nachtheile einer freien Communalverfaſſung;
ſie beweiſen, daß es nachtheilig iſt, wenn die Gemeinde-Bevoll-
maͤchtigten in Abſicht des ſtaͤdtiſchen Haushalts bloß einen Rath
abzugeben haben (§. 82. der B. Gem. Ordnung — Geſetzblatt v.
1818.), den der Magiſtrat auch unbeachtet laſſen darf, was im-
mer dem Rathe die Fluͤgel der Kraft und Einſicht laͤhmt; ſie
beweiſen endlich, daß außer dem Magiſtrat auch die oberaufſe-
hende Behoͤrde ihre Pflicht vergeſſen hat.
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