Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Von den Gemeinden. die Schule, die die Kirche verbindet und zu Gemeinde-zwecken verpflichtet! Wie manche Bauerschaft ist zur Stadt eingepfarrt, die ihr weiter eben nichts bedeutet! von dem Verbande der Wasserzüge und gemeinsamer Waldungen gar nicht zu reden. Im Einzelnen läßt sich da wohl allmäh- lig zur Einheit hinlenken, aber hier durchgreifen und seys einer erdkundlichen oder geometrischen oder politischen Theo- rie zu Liebe ein durchlaufendes Princip erzwingen wollen, hieße den Glauben an unveränderliche Verhältnisse unvor- sichtig auch da erschüttern, wo sonst der einfache Sinn, immerdar gebunden an die Wiederkehr der Jahrszeiten, der Pflegerinnen des Landbau's, bei stetigen Ordnungen gern beruht, eingreifende Willkühr meidet. Die höhere Einheit, der sich die einzelne Gemeinde oft entzieht, läßt sich bei Verbindung mehrerer Gemeinden zu einer größeren politi- schen Genossenschaft auf natürlichem Wege daneben errei- chen; nur daß auch hier Natur und Geschichte die letzte Gränze vorgeschrieben haben, es ist die der Landschaft oder Provinz. Eindringende Bemerkungen macht Karl Reck (Gött. gel. Anz. 16
Von den Gemeinden. die Schule, die die Kirche verbindet und zu Gemeinde-zwecken verpflichtet! Wie manche Bauerſchaft iſt zur Stadt eingepfarrt, die ihr weiter eben nichts bedeutet! von dem Verbande der Waſſerzuͤge und gemeinſamer Waldungen gar nicht zu reden. Im Einzelnen laͤßt ſich da wohl allmaͤh- lig zur Einheit hinlenken, aber hier durchgreifen und ſeys einer erdkundlichen oder geometriſchen oder politiſchen Theo- rie zu Liebe ein durchlaufendes Princip erzwingen wollen, hieße den Glauben an unveraͤnderliche Verhaͤltniſſe unvor- ſichtig auch da erſchuͤttern, wo ſonſt der einfache Sinn, immerdar gebunden an die Wiederkehr der Jahrszeiten, der Pflegerinnen des Landbau’s, bei ſtetigen Ordnungen gern beruht, eingreifende Willkuͤhr meidet. Die hoͤhere Einheit, der ſich die einzelne Gemeinde oft entzieht, laͤßt ſich bei Verbindung mehrerer Gemeinden zu einer groͤßeren politi- ſchen Genoſſenſchaft auf natuͤrlichem Wege daneben errei- chen; nur daß auch hier Natur und Geſchichte die letzte Graͤnze vorgeſchrieben haben, es iſt die der Landſchaft oder Provinz. Eindringende Bemerkungen macht Karl Reck (Goͤtt. gel. Anz. 16
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0253" n="241"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Von den Gemeinden</hi>.</fw><lb/> die Schule, die die Kirche verbindet und zu Gemeinde-<lb/> zwecken verpflichtet! Wie manche Bauerſchaft iſt zur Stadt<lb/> eingepfarrt, die ihr weiter eben nichts bedeutet! von dem<lb/> Verbande der Waſſerzuͤge und gemeinſamer Waldungen gar<lb/> nicht zu reden. Im Einzelnen laͤßt ſich da wohl allmaͤh-<lb/> lig zur Einheit hinlenken, aber hier durchgreifen und ſeys<lb/> einer erdkundlichen oder geometriſchen oder politiſchen Theo-<lb/> rie zu Liebe <hi rendition="#g">ein</hi> durchlaufendes Princip erzwingen wollen,<lb/> hieße den Glauben an unveraͤnderliche Verhaͤltniſſe unvor-<lb/> ſichtig auch da erſchuͤttern, wo ſonſt der einfache Sinn,<lb/> immerdar gebunden an die Wiederkehr der Jahrszeiten, der<lb/> Pflegerinnen des Landbau’s, bei ſtetigen Ordnungen gern<lb/> beruht, eingreifende Willkuͤhr meidet. Die hoͤhere Einheit,<lb/> der ſich die einzelne Gemeinde oft entzieht, laͤßt ſich bei<lb/> Verbindung mehrerer Gemeinden zu einer groͤßeren politi-<lb/> ſchen Genoſſenſchaft auf natuͤrlichem Wege daneben errei-<lb/> chen; nur daß auch hier Natur und Geſchichte die letzte<lb/> Graͤnze vorgeſchrieben haben, es iſt die der Landſchaft oder<lb/> Provinz.</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">Eindringende Bemerkungen macht Karl <hi rendition="#g">Reck</hi> (Goͤtt. gel. Anz.<lb/> 1835 St. 58. S. 580 f. bei Gelegenheit des v. <hi rendition="#g">Hodenbergi-<lb/> ſchen</hi> Werkes: Abhandlungen aus der Erfahrung uͤber Staats-<lb/> und Gemeinde-Verwaltung). Er ſtellt der Behauptung, daß der<lb/> Kreis des Kirchſpiels unabweichlich auch den Kreis aller buͤrger-<lb/> lichen Gemeinden, aller Verwaltungsbezirke und gemeinſamen<lb/> Laſten bilden muͤſſe, entgegen, daß dieſer Grundſatz, in der Re-<lb/> gel hergebracht auf der Haide und jenſeits der Haide bis in die<lb/> Spitzen von Großbritannien und Norwegen, in Mittel- und<lb/> Oberdeutſchland oft gar nicht ausfuͤhrbar iſt und daß eine ge-<lb/> waltſame Umaͤnderung der bisherigen Gemeindeverhaͤltniſſe nach<lb/> dem obigen Grundſatze hier die ſchlimmſten Folgen auf die Stim-<lb/> mung der Bauern haben wuͤrde. <cit><quote>„Hier haben ſehr oft die Doͤr-<lb/> fer desſelben Kirchſpiels <hi rendition="#g">gar nichts</hi> gemein als <hi rendition="#g">dieſelbe<lb/> Kirche und denſelben Pfarrer</hi>, oft hat jedes noch eine<lb/> <fw place="bottom" type="sig">16</fw><lb/></quote></cit></hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [241/0253]
Von den Gemeinden.
die Schule, die die Kirche verbindet und zu Gemeinde-
zwecken verpflichtet! Wie manche Bauerſchaft iſt zur Stadt
eingepfarrt, die ihr weiter eben nichts bedeutet! von dem
Verbande der Waſſerzuͤge und gemeinſamer Waldungen gar
nicht zu reden. Im Einzelnen laͤßt ſich da wohl allmaͤh-
lig zur Einheit hinlenken, aber hier durchgreifen und ſeys
einer erdkundlichen oder geometriſchen oder politiſchen Theo-
rie zu Liebe ein durchlaufendes Princip erzwingen wollen,
hieße den Glauben an unveraͤnderliche Verhaͤltniſſe unvor-
ſichtig auch da erſchuͤttern, wo ſonſt der einfache Sinn,
immerdar gebunden an die Wiederkehr der Jahrszeiten, der
Pflegerinnen des Landbau’s, bei ſtetigen Ordnungen gern
beruht, eingreifende Willkuͤhr meidet. Die hoͤhere Einheit,
der ſich die einzelne Gemeinde oft entzieht, laͤßt ſich bei
Verbindung mehrerer Gemeinden zu einer groͤßeren politi-
ſchen Genoſſenſchaft auf natuͤrlichem Wege daneben errei-
chen; nur daß auch hier Natur und Geſchichte die letzte
Graͤnze vorgeſchrieben haben, es iſt die der Landſchaft oder
Provinz.
Eindringende Bemerkungen macht Karl Reck (Goͤtt. gel. Anz.
1835 St. 58. S. 580 f. bei Gelegenheit des v. Hodenbergi-
ſchen Werkes: Abhandlungen aus der Erfahrung uͤber Staats-
und Gemeinde-Verwaltung). Er ſtellt der Behauptung, daß der
Kreis des Kirchſpiels unabweichlich auch den Kreis aller buͤrger-
lichen Gemeinden, aller Verwaltungsbezirke und gemeinſamen
Laſten bilden muͤſſe, entgegen, daß dieſer Grundſatz, in der Re-
gel hergebracht auf der Haide und jenſeits der Haide bis in die
Spitzen von Großbritannien und Norwegen, in Mittel- und
Oberdeutſchland oft gar nicht ausfuͤhrbar iſt und daß eine ge-
waltſame Umaͤnderung der bisherigen Gemeindeverhaͤltniſſe nach
dem obigen Grundſatze hier die ſchlimmſten Folgen auf die Stim-
mung der Bauern haben wuͤrde. „Hier haben ſehr oft die Doͤr-
fer desſelben Kirchſpiels gar nichts gemein als dieſelbe
Kirche und denſelben Pfarrer, oft hat jedes noch eine
16
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |